Es war nicht nur der Jahrestag des Kriegsendes. Am Nachmittag des 8. Mai fand in der Berlin-Schöneberger Sophie-Scholl-Oberschule eine besondere Ehrung statt: Stefanie und Andreas von SILBERMOND sowie Sebastian Krumbiegel von den PRINZEN lasen so eindrucksvoll aus den Flugblättern der "Weißen Rose" von Sophie und Hans Scholl, dass manche Besucher ein "Gänsehautfeeling" bekamen. Außerdem diskutierten Bundesminister Wolfgang Tiefensee und der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, mit Schülern über Zivilcourage. Der Anlass: 5 Jahre MUT und eine ganz besondere Auszeichnung... EINE AUSFÜHRLICHE REPORTAGE FOLGT AUS TECHNISCHEN GRÜNDEN ERST NACH DEM AM PFINGST-MONTAG!!!
Über den Verlauf ein Bericht aus stern.de vom 9.5.: HIER KLICKEN und aus dem tagesspiegel vom 10.5. HIER KLICKEN.
"Leistet passiven Widerstand - Widerstand -, wo immer Ihr auch seid, verhindert das Weiterlaufen dieser atheistischen Kriegsmaschine, ehe es zu spät ist, ehe die letzten Städte ein Trümmerhaufen sind, gleich Köln, und ehe die letzte Jugend des Volkes irgendwo für die Hybris eines Untermenschen verblutet ist. Vergeßt nicht, daß ein jedes Volk diejenige Regierung verdient, die es erträgt!"
Mit solchen Appellen wenden sich zwischen Juni 1942 und Februar 1943 fünf Münchner Studierende mit heimlich vervielfältigten Flugblättern an Bürger ihrer Stadt und anderer Städte, darunter die gerade 21 jährige Sophie Scholl und ihr Bruder Hans. Ihre Widerstandsgruppe nennen sie die "Weiße Rose".
Sie warnen mutig vor dem wahren Gesicht des Nationalsozialismus, das sie früher erkennen, als viele andere:
"Man kann sich mit dem Nationalsozialismus geistig nicht auseinandersetzen, weil er ungeistig ist. Es ist falsch, man von einer nationalsozialistischen Weltanschauung spricht, denn wenn es diese gäbe, müßte man versuchen, sie mit geistigen Mitteln zu beweisen oder zu bekämpfen - die Wirklichkeit aber bietet uns ein völlig anderes Bild: schon in ihrem ersten Keim war diese Bewegung auf den Betrug des Mitmenschen angewiesen, schon damals war sie im Innersten verfault und konnte sich nur durch die stete Lüge retten..."
Schon früh nenen sie die Vernichtung der Juden beim Namen, während dies andere immer noch nicht erkennen wollen. Als Zukunftsszenario entwarfen sie ein föderatives Deutschland in einem vereinten Europa. Mit ihrer Opposition zu Hitler gehen sie ein hohes Risiko ein. Als am 13. August 1943 Sophie Scholl in der Münchnern Universität Flugblätter in den Lichthof fallen läst, wird sie entdeckt und verhaftet.
In den anschließenden Verhören steht sie zu ihrer beispielhaften Zivilcourage und verteidigt sie:
"Ich bin nach wie vor der Meinung, das Beste getan zu haben, was ich gerade jetzt für mein Volk tun konnte. Ich bereue deshalb meine Handlungsweise nicht und will die Folgen, die mir aus meiner Handlungsweise erwachsen, auf mich nehmen".
Noch im Februar 1943 wird den Mitgliedern der Weißen Rose der Prozess gemacht - vor dem Volksgerichtshof in Berlin unter Vorsitz des demagogischen Richters Rudolf Freisler, wird gegen sie die Todesstrafe verhängt. "....Durch ihren Verrat an unserem Volk haben die Angeklagten ihre Bürgerehre für immer verwirkt" endet das Urteil des Unrechtsgerichts.
Ehrung am 8. Mai
Wäre Sophie Scholl nicht hingerichtet worden, sie würde am 9. Mai 2008 ihren 87 Geburtstag feiern. Auch aus diesem Anlass lasen am Jahrestag des Kriegsendes, am 8. Mai, die Musiker Stefanie und Andreas von Silbermond, Sebastian Krumbiegel von den Prinzen sowie die Berliner Sängerin
Chawa Lilith öffentlich Auszüge aus den Flugblättern von Hans und Sophie Scholl. Der Ort der Lesung befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des ehemaligen Volksgerichtshofs. Die
Sophie Scholl Oberschule in Berlin Schöneberg (Pallasstraße 27/ Elßholzstraße 34), auf deren Schulgelände noch immer ein riesiger Kriegsbunker steht, den sowjetische Kriegsgefangene errichten mussten. Seine sechs Meter dicke Betonwand hat ihn zum Mahnmal gegen den Krieg gemacht.
Die Lesung, an der sich auch Schüler der Sophie Scholl Oberschule beteiligen, hatte die MUT-Redaktion organisiert und sie fand aus noch einem anderen Grund statt. Die Internetredaktion von
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de wird 5 Jahre alt und zu diesem Anlass von der Initiative "
Deutschland - Land der Ideen" als einer von 365 "ausgewählten" Orten 2008 geehrt. Laudator war der Direktor der Deutschen Bank Berlin, Jan Dreher, der ’mut-gegen-rechte-gewalt.de’ als "gelebte Verantwortung für eine demokratische und von Respekt getragene Gesellschaft" würdigte.
Zu diesem Anlass stellte die MUT-Redaktion ein druckfrisches 328 Seiten dickes und reich bebildertes Buch vor: das "MUT-ABC für Zivilcourage" - Ein Handbuch gegen Rechtsextremismus, von Schülern und Vertretern mehrerer Jugendinitiativen für Schüler verfasst. Es kann bereits für 5 Euro in der Amadeu Antonio Stiftung vorbestellt werden. Darin werden zahlreiche Projekte und Rezepte gegen Neonazismus, Rassismus und Antisemitismus vorgestellt. Federführend waren die MUT-Redaktion, die Halberstädter Schülerzeitung "Martinshorn", die Jugendini Wunsiedel und das Berliner "Schülernetzwerk MuT".
Über das Thema Mut und Zivilcourage reflektierten vor Ort auch Bundesminister Wolfgang Tiefensee und der Präsident der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck. Sie diskutierten auch mit den Schülern - über den Wert von Zivilcourage heute. Tiefensee definierte den Begriff Zivilcourage vorab für das MUT-ABC so:
"
Zivilcourage, das heißt klares und selbstbewusstes Eintreten für demokratische und menschliche Werte, für Mitmenschlichkeit, für die Achtung der Menschenwürde, für Respekt. Dazu gehört auch der Mut, nein zu sagen zu Ungerechtigkeit und Gewalt, zu Diskriminierung und Hass. Zivilcourage ist nie Übermut, sie braucht keine Helden. Was nötig ist sind Charakter, Klarheit und echtes Mitgefühl. Wenn die übergroße Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger sich so verhält, hat Rechtsextremismus in Deutschland auch ohne Polizei und Verbote keine Chance".
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Der Bunker auf dem Schulgelände der Sophie Scholl Oberschule an der Pallasstraße in Berlin-Schöneberg. Fotos: Kulick
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