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"Nachbar ist machbar"

Mit einem selbst organisierten Straßenfest präsentieren sich engagierte Jugendliche den Einwohnern von Burgstädt und zeigen Alternativen zur dominierenden rechten Alltagskultur auf.

Von Diana Buhe

Burgstädt ist eine beschauliche, kleine Stadt in Mittelsachsen. Die Straßen und Plätze sind restauriert, der alte Stadtkern noch fast erhalten. Ein schöner Platz zum Leben- sollte man meinen. Doch auch hier, wie in vielen anderen ländlichen Gebieten, wird das öffentliche Straßenbild von rechten Gruppierungen dominiert. Dazu gehören rechte Parolen und Aufkleber an den Häuserwänden aber ebenso Drohungen und  gewalttätige Übergriffe.

Von den meisten Bewohnern wird dieser Zustand häufig  ignoriert oder verharmlost. Auch die Existenz der rechtsextremen Kameradschaft „Sturm 34“ änderte daran nichts. Diese sorgte in der Region jahrelang für Angst und Schrecken. Mittlerweile ist sie zwar verboten, aber die Probleme Rechtsextremismus und Ignorieren rechter Gewalt bestehen weiterhin.

Die öffentliche Präsenz der Neonazis durchbrechen

Um der gewaltbereiten Neonaziszene in Burgstädt endlich etwas entgegenzusetzen, gründete sich im Mai 2012 der Verein „Freiraum“. Dieser besteht aus engagierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die den öffentlichen Raum der Stadt nicht länger den Rechten überlassen wollen. Bereits im Sommer 2011 entstand die Idee eines Rückzugsorts für Jugendliche, welcher gleichzeitig Schutz vor Übergriffen bietet.

Dafür haben sie innerhalb kürzester Zeit erstaunliches organisiert und auf die Beine gestellt: Die Mitglieder des Vereins haben ein altes, seit 20 Jahren leerstehendes Haus ehrenamtlich in Tausenden von Arbeitsstunden restauriert. Das Haus soll in Zukunft ein Begegnungsort für junge und kreative Menschen sein. So finden hier neben Konzerten und Kickerturnieren auch politische Bildungsabende statt. „Das Ziel unserer Arbeit ist es, ein nicht-diskriminierendes Klima zu schaffen, dass dafür sorgt, dass sich Menschen und Gruppen unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, Herkunft, sexueller Orientierung, Behinderung oder Alter gleichberechtigt in die Gesellschaft einbringen können“, beschreibt Doreen Föniger von "Freiraum e.V." die Ziele des Vereins.

Hürden auf dem Weg zu einem respektvollen Miteinander

Ein Anliegen, was nicht nur längst selbstverständlich sein, sondern auch auf breite Unterstützung in der Bevölkerung stoßen sollte. Doch weit gefehlt! Dem Verein schlägt heftiger Protest aus der Anwohnerschaft entgegen. „Gegen unseren Verein hat sich auch eine Initiative der Nachbarn gegründet. Statt der Nazis, seien wir das Problem der Stadt. Dieses Bild herrscht auf den Behörden, im Stadtrat, genauso wie in den Köpfen vieler Bürger vor.“  Wie eingangs beschrieben, ist nicht nur der Rechtsextremismus das Problem, sondern auch das Verharmlosen durch die Anwohner und staatlichen Institutionen. Neben Diffamierungen des Vereins und einzelner Mitglieder, wurde auch der Versuch unternommen, den Vermieter des Hauses gegen den Verein aufzubringen.

Doch die Hürden auf dem Weg zu einem respektvollen Miteinander in der Stadt, schüchterten die Engagierten von „Freiraum e.V.“ nicht ein, sondern ermutigten sie eher, sich und ihre Pläne der Stadt und ihren Bewohnern näher vorzustellen. „Wir wollen zeigen, dass wir nicht die sind, die alles ablehnen und zerstören wollen, sondern gemeinsam mit Anderen bunt gestalten und Vielfalt erreichen können.“

„Nachbar ist machbar“

Mit Hilfe und Unterstützung durch lokalverankerte andere Vereine und dem Kulturbüro Sachsen e.V. sowie der Amadeu Antonio Stiftung, veranstaltete der Verein Mitte September ein großes Straßenfest. Unter dem Motto „Nachbar ist machbar“ präsentierte der Verein sich und sein Konzept den interessierten Bürgern. Dabei stand vor allem das gegenseitige Kennenlernen und Abbauen von Vorurteilen im Mittelpunkt.

„Unser Ziel ist es, die Bevölkerung für das eigentlich unübersehbare Naziproblem zu sensibilisieren, eine Plattform zum Kennenlernen und Austausch, beispielsweise durch ein offenes Mikrophon wie auch das persönliche Gespräch, zu schaffen.“

Denn die Mitglieder des Vereins haben mit vielen Ressentiments und Berührungsängsten gegenüber alternativer Kultur zu kämpfen. Daher diente das Fest nicht nur der Aufklärung, sondern auch als eindeutiges Zeichen für mehr Toleranz und einem  friedvollen Miteinander zwischen der „Normal“ –Bevölkerung und den „Bunten“, wie die Jugendlichen auch genannt werden.

Freiraum e.V. macht Mut

Der Erfolg des Festes gibt den Mitgliedern des Vereins Recht. Es ist ihnen gelungen mit vielfältigen Angeboten, darunter auch ein Vortrag über die rechte Szene in Sachsen, zahlreiche Interessierte  anzulocken und sie über ihre Absichten aufzuklären. Kay Dramert, Geschäftsführer der SPD-Kreistagsfraktion, der das Fest ebenfalls besuchte, scheint zufrieden: „ Heute sehen die Burgstädter mal, dass die jungen Leute nicht gefährlich sind, sondern freundlich und nett."

Auch eine Anwohnerin zeigte sich nach dem Fest mit den Vereinsmitgliedern solidarisch: „ Durch persönliche Gespräche haben viele Burgstädter, die rund um das Haus wohnen, in dem die Jugendlichen ihren Treffpunkt einrichten wollen, ihre Meinung schon geändert und stehen der Sache jetzt offener gegenüber.“ 

Mit viel Einsatz und einem Problembewusstsein  über die bisher herrschenden Zustände, ist es den Jugendlichen gelungen, innerhalb kürzester Zeit den öffentlichen Raum neu zu besetzen und die Stadtbevölkerung für das Thema Rechtsextremismus zu sensibilisieren. Darüber hinaus wurde mit viel Fleiß und persönlichem Engagement ein Begegnungszentrum geschaffen, der alternativen Jugendlichen ein Ort für Austausch und Kreativität bietet.

Trotz widriger Umstände und einer teilweise ablehnenden Anwohnerschaft, lassen sich die Jugendlichen nicht beirren und versuchen auch weiterhin dem Rechtsextremismus im ländlichen Sachsen etwas entgegenzusetzen und ihre Vision von einer demokratischen Kultur zu verwirklichen.

Ein Beispiel, das Mut macht!

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