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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
In welcher Gefahr ist die Demokratie, wenn die regionalen Tageszeitungen die Menschen nicht mehr erreichen und sich stattdessen Gratisblätter der NPD ungehindert ausbreiten können? Marion Kraske zeigt auf, welche Strategien Verlage und Chefredakteure in Mecklenburg Vorpommern und Brandenburg verfolgen, um dem sinkenden Absatz ihrer Zeitungen zu begegnen und den Nazistrategien entgegenzuwirken.
In ländlichen Regionen ist das Phänomen des „Zeitungssterben“ augenscheinlich. Lokalredaktionen werden geschlossen, weil es zu wenig Ab- und Umsatz gibt. Die fehlenden Lokalredaktionen führen zu einer unzureichenden lokalen Berichterstattung. Rechtsextreme nutzen dieses Defizit für ihren Zweck, um Bürgerinnen und Bürger zunehmend mit Gratiszeitungen zu versorgen und ihre menschenverachtenden Ideologien zu verbreiten.
Die Amadeu Antonio Stiftung will dieser Problematik mit dem Projekt „Region in Aktion – Kommunikation im ländlichen Raum“ entgegenwirken. Zu diesem Zweck wurde eine Expertise in Auftrag gegeben, um zu untersuchen, welche Gefahren das sogenannte „Zeitungssterben“ im ländlichen Raum für die Demokratie hat. Die Projektleiterin Swantje Tobiassen macht deutlich: „Die Expertise von Marion Kraske zeigt, wie wichtig es ist, dass die Redakteure dort sind, wo die Menschen sind. Nur indem Redakteure vor Ort sind und auf die Bedürfnisse und Interessen der Bürgerinnen und Bürger eingehen, können die Menschen in ländlichen Regionen wieder für die Zeitungen gewonnen werden. Wir hoffen, dass wir mit unseren Projekt dazu beitragen können, die Redaktionen für diese Möglichkeit zu sensibilisieren.“
Expertise „Tageszeitungen im ländlichen Raum - Ausdünnen, schrumpfen, zurückziehen: Gefahr für die Demokratie"
Von Marion Kraske
Der Tageszeitungssektor in Deutschland steckt in einer Existenz bedrohenden Krise: Insgesamt 5 Millionen Leser haben deutsche Verlage innerhalb von zehn Jahren verloren. Prognosen zufolge wird sich dieser Abwärtstrend weiter fortsetzen. Die Gründe hierfür sind vielschichtig: Der klassische Zeitungsleser stirbt aus , neue Leser aber wachsen kaum nach: Jüngere holen sich ihre Informationen in der Regel im Internet. Im ländlichen Raum kommen Zersiedlung und Abwanderung hinzu. Seit Jahren reagieren Verlage mit Zusammenlegungen und Redaktionsauflösungen, sie ziehen sich aus der Fläche sukzessive zurück. Langfristig wird in vielen Gegenden, so die Prognose von Experten, die Verbreitung von Tageszeitungen nicht aufrecht zu halten zu sein.
Dieses mediale und gesellschaftliche Vakuum stellt für den Fortbestand der Demokratie eine akute Gefahr dar. Schon jetzt nutzt beispielsweise die NPD mit Gratispublikationen die entstandenen Nischen, um eben dort, wo Medien und Politik kaum mehr in Erscheinung treten, ihre rechtsextreme Ideologie zu verbreiten. Durch gezielte Kommunikationsprojekte versucht die Amadeu Antonio Stiftung im ländlichen Raum (Zossen und Fahrenwalde) zivilgesellschaftliche und kommunikationsrelevante Strukturen wiederzubeleben. Auf diese Weise sollen vor allem Bewohner in ausgedünnten Gebieten neuerlich in die öffentliche Debatte integriert werden. Nur wer sich mit seinen Problemen als Bürger ernst genommen fühlt und sieht, dass seine Belange in der Gesellschaft eine Rolle spielen, wird sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen und sich aktiv an gesellschaftlichen Prozessen - beispielsweise Wahlen – beteiligen. Mit diesem präventiven Ansatz lassen sich Immunisierungsprozesse anschieben, die zum Ziel haben, die Zivilgesellschaft zu stärken und somit den Indoktrinierungsmaßnahmen der Rechtsextremen gezielt entgegen zu wirken.
In diesem Kontext spielen die lokalen Tageszeitungen eine entscheidende Rolle: Sie dienen als Informations- und Identifikationsinstrumentarium für die Bevölkerung vor Ort. Wesentliche Entwicklungen und Prozesse, die die Menschen in ihrem Lebensbereich interessieren, werden abgebildet und somit eine aktive Bindung an das Gemeinwesen gefördert. Dies ist ein wesentlicher Beitrag für die Aufrechterhaltung der gesellschaftlichen Interaktionsprozesse, in denen Bürger samt ihrer Probleme und Alltagssorgen als staatliche Individuen ernst genommen werden und das Gefühl haben, dass sich die Öffentlichkeit ihrer Interessen annimmt. Dort, wo dieses „Kümmern“, diese Aufmerksamkeit nicht mehr stattfindet, ist es für extreme Kräfte wie die NPD ein leichtes, sich als „Kümmererpartei“ zu etablieren. Dieses mediale und gesellschaftliche Vakuum neu zu beleben, ist das Anliegen der Amadeu Antonio Stiftung – mit dem Ziel, die Demokratie in diesem Bereich nachhaltig zu stärken.
Die vollständige Expertise "Tageszeitungen im ländlichen Raum" von Marion Kraske kann auf www.laendlicher-raum.info heruntergeladen werden.