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Schon viel zu lange werden rechtsextreme Frauen konsequent unterschätzt, verharmlost und zu Mitläuferinnen degradiert. „Das schwache Geschlecht“ könne unmöglich in gleichem Maße menschenfeindliche Ideologien vertreten wie Männer, schon gar nicht gegen Andersdenkende oder Andersaussehende gewalttätig sein. Auch nach der Selbstenttarnung der Zwickauer Nazi-Zelle, konnte oder wollte kaum einer glauben, dass Beate Zschäpe mehr gewesen sein könnte, als das „Betthäschen“ der beiden Uwe‘s.
Monika Lazar (44) ist Sprecherin für Frauenpolitik und Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der Grünen Bundestagsfraktion und beschäftigt sich schon lange mit dem Thema Frauen und Rechtsextremismus. Bei einer Fachtagung im letzten Jahr ist dazu ein interessanter Reader enstanden. In ihrer Fraktion wurde nun ein Fraktionsbeschluss gefasst. Unter dem Titel „Rechtsextreme Frauen: Gefahrenpotenzial erkennen – Demokratisch entgegenwirken“ werden auf den besonderen Handlungsbedarf hingewiesen und genderreflektierende Ansätze in der Auseinandersetzung eingefordert. Mut gegen rechte Gewalt sprach mit Monika Lazar über die Mär der passiven Mitläuferin, „nationale Familien“ und geschlechterreflektierte Jugendarbeit.
MUT: Frau Lazar, die Grüne Bundestagsfraktion hat sich mit Frauen in der Neonazi-Szene beschäftigt. Warum?
Monika Lazar: Nicht erst der mediale Umgang mit Frau Zschäpe hat gezeigt, dass rechtsextreme Frauen konsequent unterschätzt werden. Es wurde allgemein so dargestellt, als sei Beate Zschäpe nur ein Anhängsel der beiden Männer gewesen. Forscherinnen wissen jedoch schon lange: Neonazi-Frauen sind ebenso ideologisch gefestigt wie die Männer und setzen ihre harmlose Wirkung gezielt ein, um politische Ziele zu erreichen. Um wirklich gegen Rechtsextremismus vorgehen zu können, müssen Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit weibliche Neonazis endlich ernstnehmen und Präventions- sowie Aussteigerprogramme geschlechterreflektiert entwickeln.
MUT: Warum werden rechtsextreme Frauen so unterschätzt?
Monika Lazar: Es herrscht immer noch vielerorts das Klischee vom männlichen Nazi. Frauen werden zumeist gar nicht wahrgenommen und wenn doch, dann als Anhängsel eines Mannes oder Mitläuferin in der Gruppe. Ja, Frauen sind in der Szene zahlenmäßig unterrepräsentiert, trotzdem sind sie ebenso fanatisch wie die Männer. Auch wenn es eher die Männer sind, die zuschlagen, so sind es häufig die Frauen, die dazu anstacheln. Von Polizei und Justiz werden sie nur in den seltensten Fällen als Täterinnen wahrgenommen. Das ist nicht nur verheerend für die Strafverfolgung sondern spiegelt darüber hinaus sexistische Stereotype der Gesellschaft wieder.
MUT: Und was macht die Neonazistinnen so gefährlich?
Monika Lazar: Das öffentliche Auftreten von weiblichen Neonazis ist meist weniger martialisch als das der Männer. Neonazistinnen sieht man ihre Gesinnung selten an. Das nutzen die Frauen ganz gezielt aus, um beispielsweise Räume für Veranstaltungen anzumieten oder Demonstrationen anzumelden. Außerdem gelingt es Frauen häufig besser, ihre menschenverachtende Propaganda subtil in Diskussionen einfließen zu lassen, etwa beim Thema Familienpolitik. Neonazi-Frauen sind oft Sympathieträgerinnen, engagieren sich ehrenamtlich im Jugendclub oder im Elternbeirat und ergreifen pädagogische Berufe. Erst wenn ein Vertrauen gewachsen ist, heißt es dann: „Kindergeld nur für Deutsche“ oder „Todesstrafe für Kinderschänder“. Gerade innerhalb der NPD sollen Frauen dafür sorgen, dass die Partei ihr Krawall-Image verliert.
MUT: Was muss sich ändern im Umgang mit Mädchen und Frauen in der rechtsextremen Szene?
Monika Lazar: Zunächst einmal muss die Gefahr, die von rechtsextremen Frauen ausgeht, erkannt werden. Wenn ein Mädchen in die rechte Szene gerät, wird das oft als eine „Phase“ abgetan, die Mädchen werden nicht ernstgenommen. Dass Rechtsextreme aus der Szene aussteigen, sobald sie eine Familie gründen, hat sich als Trugschluss erwiesen. Es entstehen „nationale Familien“, die zu einer enormen Stabilisierung rechtsextremer Strukturen beitragen. Um dem Problem angemessen entgegenwirken zu können, braucht es neben intensiver Forschung vor allem Präventionsprogramme, die geschlechterreflektiert arbeiten. Zudem müssen Polizei, Justiz und Pädagogen für die Thematik sensibilisiert werden, beispielsweise über Fortbildungen. Letztlich gilt es auch, Aussteigerprogramme stärker auf Frauen und Familien zuzuschneiden und sich den veränderten Herausforderungen anzunehmen.
MUT: Was bedeutet „geschlechterreflektiertes Arbeiten“ konkret?
Monika Lazar: Rechtsextremismus und seine Genderspezifik müssen bereits in der pädagogischen Aus- und Weiterbildung thematisiert werden. Eine Sensibilisierung von Pädagoginnen und Pädagogen ist unverzichtbar. Das fängt schon mit einer geschlechtergerechte Sprache an. Vorurteilsbeladene Rollenzuschreibungen müssen hinterfragt werden. Im Hinblick auf die Rechtsextremismus-Prävention ist es unerlässlich, Mädchen und Jungen die große Vielfalt von Lebenswegen zu vermitteln und der klaren Geschlechterrollenverteilung in der Neonazi-Szene entgegenzusetzen. In unserem Fraktionsbeschluss fordern wir aber auch, die Jugendarbeit grundsätzlich zu stärken. Kürzungen in diesem Bereich sind verheerend. Denn wo demokratische Angebote fehlen, bieten Neonazis ihre ganz eigene Jugendarbeit an.
Das Interview führte Ulla Scharfenberg.