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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
„Mit Tränen in den Augen spielten wir. Wir hätten uns nicht dagegen wehren können, denn hinter uns standen die SS-Schergen mit ihren Gewehren“
(Esther Bejarano, Überlebende des Vernichtunslagers Ausschwitz/Birkenau)
Esther Bejarano ist seit ihrer Kindheit Musikerin. Ihr Vater, Kantor einer jüdischen Gemeinde und Opernsänger, brachte sie dazu, das Klavierspielen zu erlernen. Mit ihrer Familie gab sie sogar Konzerte im eigenen Haus. Diese Verbundenheit sollte ihr später das Leben retten. Die heute 87-jährige wurde am 15. Dezember 1924 in Saarlouis als Tochter einer jüdischen Familie geboren. Bei Ausbruch des Zweiten Weltkriegs trennte sie sich mit nur 15 Jahren von ihren Eltern, um nach Palästina auszuwandern. Zu dieser Ausreise kam es allerdings nicht.
Von Philipp Reichert
1941 wurden ihre Eltern durch die Nazis ermordet, sie selbst in das Zwangsarbeitslager Neuendorf gebracht und für zwei Jahre zur Arbeit in einer Gärtnerei bei Fürstenwald (Spree) gezwungen. Zusammen mit über 1000 Jüdinnen und Juden wurde Esther Bejarano am 20. April 1943 ins Vernichtungslager Ausschwitz deportiert. Dort bestand ihr Alltag zunächst aus schwerer körperlicher Arbeit bis sie einige Zeit später Teil des Mädchenorchesters des Vernichtungslagers wurde. Dort spielte sie Akkordeon, obwohl sie dies nie gelernt hatte. Heute sagt sie, sie habe keine Ahnung gehabt, was sie mit den Tasten auf dem Akkordeon anfangen sollte und es sei ein Wunder gewesen, dass sie das Lied zustande gebracht habe, dass man von ihr bei einem Vorspiel verlangte. Dieser Schritt in das Mädchenorchester war einerseits eine Erlösung von der schweren Arbeit, auf der anderen Seite jedoch eine starke psychische Belastung. So hatte das Orchester die Aufgabe die Ankunft neuer, nichtsahnender Häftlinge musikalisch zu begleiten, von denen eine Mehrzahl nach kurzer Zeit auf grausamste Weise ermordet wurde.
Esther Bejarano hatte Glück im Unglück und wurde von Ausschwitz in das Konzentrationslager Ravensbrück verlegt. In der Schlussphase des Zweiten Weltkriegs kam es zur Räumung des Lagers und die Insassinnen und Insassen wurden durch die SS in Richtung Mitte Nazideutschlands getrieben. Auf diesem Todesmarsch wurden unzählige Häftlinge erschossen, Esther Bejarano allerdings gelang die Flucht und sie wurde durch alliierte Soldaten in Sicherheit gebracht.
Fortan lebte sie mit einigen weiteren Überlebenden der Shoah auf dem Gehringshof bei Fulda. Dort bereitete sie ihre Auswanderung nach Israel vor wo sie bis 1970 lebte. Im Anschluss kehrte sie nach Deutschland zurück. Bis heute wohnt sie in Hamburg. Nach ihrer Rückkehr arbeitete sie zunächst in einer Wäscherei, ihr Mann, den sie 1950 geheiratet hatte, eröffnete eine Diskothek, die sie allerdings aufgrund einiger Überfälle durch Alt- und Neonazis verkauften. Esther Bejerano betrieb daraufhin eine Boutique in Hamburg.
Die Musik begleitete Esther Bejarano auch in dieser Zeit. Mit ihren zwei Kindern gründete sie in den 1980er Jahren die Musikgruppe „Coincidence“, mit der sie überwiegend antifaschistische Lieder und Stücke aus dem Widerstand spielte. 2009 veröffentlichte sie mit ihren Kindern und der Kölner Rap-Gruppe „Microphone Mafia“ das Album „Per La Vita“ (Für das Leben), das traditionelle Lieder aus dem Widerstand modern umsetzt. Mit diesem Projekt tritt sie noch heute regelmäßig auf.
Neben der Musik, in der sich die schrecklichen Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit zeigen, engagiert sich Esther Berjarano auch anderweitig gegen Faschismus. Seit 1978 ist sie Mitglied, heute Ehrenvorsitzende der VVN-BDA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund deutscher Antifaschistinnen und Antifaschisten), die eine der größten antifaschistischen Organisationen der Bundesrepublik darstellt. Seit 2008 ist sie Vorsitzende des Ausschwitz-Komitees, das sie 1986 mitbegründet hatte. Bis heute tritt sie als Rednerin auf antifaschistischen Demonstrationen auf, besucht Schulen als Zeitzeugin und ist derzeit zusammen mit der Journalistin Birgit Gärtner auf Lesetour durch Rheinland-Pfalz, auf der sie gemeinsam ihr Buch „Wir leben trotzdem“ vorstellen, das ihre schreckliche Lebensgeschichte erzählt.
Am Mittwoch, den 28. März, findet ein Konzert mit Esther Bejarano in Lübeck statt. Um Menschen im Vorfeld des 31. März zu ermutigen, gegen den Neonazi-Aufmarsch zu demonstrieren, fördert die Amadeu Antonio Stiftung das Projekt PER LA VITA mit Esther Bejarano und ihrer Gruppe "Coincidence" & "Microphone Mafia". Ab 19 Uhr im Kolosseum, Kronsforder Allee 25. Karten gibt es ab 26.2. bei den VVK-Stellen.