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Neonazis gelten als ostdeutsches Phänomen. Doch seit Jahren entwickeln sich auch in den alten Bundesländern Neonaziszenen. So auch in Schleswig-Holstein. Doch eine Landesberatungsstelle klärt auf.
Von Nora Winter
Im Januar 2011 wird ein Lübecker aus Afghanistan von zwei Männern verfolgt, mit Naziparolen beschmipft und mit einem Messer bedroht. Im Mai demonstrierten Neonazis aus ganz Schleswig-Holstein spontan in Husum. Dabei griffen sie die Mai-Kundgebung des DGB an. Infostände wurden beschädigt und eine Person verletzt. Im Juni 2011 wurde ein ehemaliges Mitglied der neonazistischen „Aktionsgruppe Kiel“ wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe von 28 Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Opfer ist seit dem Angriff 2009 berufsunfähig.
Viele weitere Fälle ließen sich aufführen. Schleswig-Holstein hat eine Neonaziszene, die brutal ist. In den letzten Monaten ist sie durch spontane Demonstrationen und Kundgebungen aufgefallen, die vor allem nach innen Erfolgsmomente geben und das Gruppengefühl stärken.
Problemwahrnehmung fehlt
„Die NPD ist in Schleswig-Holstein recht klein, sie haben gerade mal zwei Abgeordnete auf kommunaler Ebene, einen in Kiel und einen im Herzogtum Lauenburg. Aber auch in Schleswig Holstein besteht eine starke Verbindung zwischen NPD und Freien Kameradschaften“, sagt eine Mitarbeiterin des „Beratungsnetzwerks gegen Rechtsextremismus“ in Schleswig-Holstein. Das mediale Interesse für NPD-Veranstaltungen in Schleswig-Holstein ist gering. „Der letzte Parteitag wurde im Stillen ohne mediale Aufmerksamkeit abgehalten. Wenn jedoch etwas als rechtsextremistisches Problem wahrgenommen wird, dann gibt es auch öffentliche Gegenreaktionen.“ Bei einer Serie von Anschlägen auf Wahlbüros der Partei Die LINKE fehlte diese Problemwahrnehmung allerdings. Stattdessen sah man die Anschläge als Auseinandersetzung zwischen links und rechts.
Endlich eine Landesberatungsstelle gegen Rechtsextremismus
Seit 2009 gibt es das „Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus“ in Schleswig-Holstein. Damit ist es das letzte Bundesland, das eine mobile Beratung gegen Rechtsextremismus bekommen hat. Eltern, Schulen, Kommunen und auch Betroffene von neonazistischer Gewalt können sich hier Unterstützung suchen. Und das Netzwerk wächst. Angefangen hat es mit einem Landeskoordinator und zwei Beraterinnen. Seit diesem Jahr gibt es noch einen Mitarbeiter, der besonders für die Opferberatung zuständig ist, und im nächsten Jahr kommt noch ein externer Berater dazu.
Tendenz steigend
Allein in diesem Jahr hat das Netzwerk 20 Fälle betreut. Die Tendenz ist steigend. „Jedoch herrscht in Schleswig-Holstein immernoch die Meinung vor, es gäbe keinen Rechtsextremismus im Bundesland, schließlich sei das ein Phänomen Ostdeutschlands“, so die Beraterin des Netzwerks. Daran liegt es wohl auch, dass die verschiedenen Parteien, dem Problem und auch dem Beratungsnetzwerk kaum Aufmerksamkeit schenken. „Aktuell haben wir eher den Status eines geduldeten Programms, wir erfahren kaum politische Aufmerksamkeit.“ Doch ausdauernde gute Arbeit schafft Vertrauen. Und so erreichen das Beratungsnetzwerk mehr und mehr Anfragen. In einer kleinen Stadt bei Hamburg beispielsweise eröffnete vor Kurzem ein Laden der bei Neonazis beliebten Modemarke „Thor Steinar“. Der Bürgermeister der Stadt hat sich sofort an das Beratungsnetzwerk gewandt. „Wir werden langsam immer akzeptierter, es ist aber noch ein langer Weg zu einer wirklichen Landesberatungsstelle“, sagt die Beraterin.
Am 6. Mai 2012 ist Landtagswahl in Schleswig-Holstein. Die NPD hat schon mit ihrem Wahlkampf begonnen.