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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Im Rahmen unserer Artikelreihe zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern haben wir Politikerinnen und Politiker in besonderen Positionen oder aus Wahlkreisen mit besonders hohen Zustimmungswerten für die NPD um einen Kommentar zum Thema Rechtsextremismus gebeten.
Ein Gastkommentar von Andreas Bluhm, Landtagsabgeordneter von Die Linke
Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Gewaltbereitschaft - Themen, die es erfordern, genau hinzusehen, zu analysieren, Gegenstrategien zu entwickeln und diese Entwicklungen in ihrer ganzen Tragweite offenzulegen. Jeder Verharmlosung dieser Entwicklungen entgegenzuwirken, ist das Gebot für alle, denen ein demokratisches und friedliches, tolerantes Miteinander in der Gesellschaft am Herzen liegt. Leider ist es in den zurückliegenden Jahren erforderlich gewesen, sich immer umfassender und intensiver mit der Entwicklung des Rechtsextremismus im Lande zu befassen. Ohne Zweifel kommt dabei der NPD und den mit ihr verwobenen Kameradschaften besondere Beachtung zu, denn diese haben in Mecklenburg-Vorpommern die größte öffentliche Aktivität.
2006 und seine Folgen
Die Zäsur war hier der Einzug der sechs NPD-Abgeordneten in den Landtag 2006. Seither, mit Steuergeldern finanziert, haben die Versuche zugenommen, auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens Fuß zu fassen und Einfluss zu gewinnen. Am Anfang oft unspektakulär, ohne Darstellung der eigenen politischen Ziele, gab man sich leutselig, engagiert und demokratisch. Empfindlich bis aggressiv reagierten sie dann, wenn die Menschen die Hintergründe und wahren Ziele erkannten und sich dagegen engagierten. Im Gespräch mit Vertretern von Verbänden und Vereinen, kommunalen Gebietskörperschaften und Einzelpersonen sorgten viele für Aufklärung und Hilfe. Hier nicht nachzulassen, ist gerade auch in Vorwahlzeiten Verpflichtung und Herausforderung zugleich.
Strategie der NPD
Denn eines der Hauptmerkmale im Wahlkampf der NPD wie auch sonst ist die stetige Provokation und die Verkündung von einfachen Antworten, Halbwahrheiten und Geschichtsklitterung und -umdeutung. Das ist in den zurückliegenden Jahren sowohl im Landtag wie auch in so mancher öffentlichen Veranstaltung im Lande so gewesen. Aufmärsche der Rechtsextremen in besonderen Orten, Kundgebungen der NPD unter federführender Mitwirkung der Landtagsabgeordneten, Provokationen in Bürgerversammlungen und Veranstaltungen demokratischer Parteien stehen dafür. Auch die massenhafte Beschädigung von Wahlkreisbüros von Abgeordneten der SPD, CDU, DIE.LINKE und der FDP sollte man wohl den rechtsextremistisch orientierten Kreisen zuordnen.
Geschlossen gegen Rechts
Demokratie- und verfassungsfeindliche Aktivitäten auf der einen und Nutzung der Landtages als politische Bühne für die Darstellung rechtsextremer neofaschistischer Positionen auf der anderen Seite gehören in der Betrachtung des Problems zusammen. Ich habe mich stets dafür eingesetzt, das die Fraktionen von SPD, CDU, DIE.LINKE und FDP sich gemeinsam und einheitlich gegenüber der NPD verhalten. Das war bei so mancher politischer Debatte nicht immer einfach und die NPD-Fraktion hat versucht, diese Einigkeit aufzuknacken.
Gleichzeitig die politischen Ziele der neuen Nazis zu entlarven, die Verfälschungen der Geschichte und Halbwahrheiten zu widerlegen, das war inhaltlicher Anspruch an die Debatten. In der gesamten Legislaturperiode hat die NPD für kein Vorhaben mehr als ihre eigenen Stimmen erhalten; auch Enthaltungen hat es nicht gegeben. Das ist doch eine klare Botschaft der Abgeordneten der demokratischen Fraktionen in die Gesellschaft hinein!
Bilanz der NPD im Landtag
Im übrigen „zeichneten“ sich die Herren der NPD ja vorrangig durch unparlamentarisches Verhalten, weitgehendem Desinteresse und Abwesenheit in der mühevollen politischen Arbeit in den Ausschüssen des Landtages und fachlich zweifelhaften Anträgen in der parlamentarischen Arbeit aus. Insgesamt 486 Ordnungsrufe (von 557 insgesamt), 74 Wortentziehungen (von 76 insgesamt) und alle 44 Sitzungsausschlüsse gehen auf das „Konto“ der NPD; eine schlimme Bilanz! Spürbares Ziel war immer wieder, von der kostituierenden Sitzung an: das Parlament verunglimpfen, demokratische Kultur zerstören, Andersdenkende beleidigen und verunglimpfen, historische Verantwortung leugnen, Opfer verhöhnen. Die demokratische Gesellschaft braucht eine solche rechtsextreme Partei nicht im Parlament, ihre Abgeordneten leisten nichts im Geiste von Demokratie und Toleranz. Auch im Wahlkreis ist es nicht anders, in den kommunalen Gebietskörperschaften vor Ort. So ist das Agieren vor Ort.
Herausforderung annehmen!
Auch wenn sie oftmals den Anschein erwecken, sie engagieren sich für mehr soziale Gerechtigkeit und politische Lösungen, so ist es doch mehr Schein als Tun. Trotzdem: die Sorgen der Menschen ernst nehmen, diese nicht einfach als illusorisch abzutun, sondern für Lösungen zu streiten, als Ansprechpartner zur Verfügung stehen, dem müssen sich alle demokratischen Kräfte noch viel stärker widmen, nicht nur in Wahlkampfzeiten. Denn: Rechtsextremismus in MV ist eine Herausforderung für die Demokratie.
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Andreas Bluhm ist Mitglied der Partei Die Linke. 1990 ist er als jüngster Abgeordneter in den Landtag eingezogen und ist seit 2001 Vizepräsident des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern.