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Bei der Haushaltsdebatte am 24. November im Bundestag ging es um den Etat des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die Förderung von Projekten gegen Rechtsextremismus stand dabei zumeist im Mittelpunkt der Debatte. Forderungen nach der Abschaffung der Extremismusklausel und unbürokratischer Unterstützung wird weiterhin nicht nachgekommen.
Von Linda Polónyi
Von den Sprecherinnen und Sprechern der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der Linkspartei wurde vor allem die Extremismusklausel kritisiert. Die Zurücknahme der geplanten Kürzung der Mittel zur Extremismusbekämpfung um zwei Millionen Euro wurde von den Oppositionsparteien hingegen begrüßt, wenn auch nicht als ausreichend erachtet. Von Bündnis 90/Die Grünen wurde ein mit 50 Millionen Euro ausgestattetes Programm gefordert, dass sich sowohl gegen Rechtsextremismus als auch gegen andere Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie richtet. Teil des Programms ist die Forderung nach Aufhebung der Beantragung über die Kommunen und der Verpflichtung zur Kofinanzierung. Hintergrund ist, dass Initiativen so Unterstützung beantragen könnten, auch wenn die zuständige Kommunalverwaltung sich nicht in der Rechtextremismusbekämpfung engagiert oder nicht genügend Mittel zur Kofinanzierung aufgetrieben werden konnten. Sämtliche Änderungsanträge der Oppositionsparteien wurden allerdings durch die Koalitionsfraktion abgelehnt.
Was passiert mit den zwei Millionen Euro?
Monika Lazar von Bündnis 90/Die Grünen äußerte sich im Anschluss an die Debatte positiv zur Zurücknahme der Kürzung um zwei Millionen Euro, gleichzeitig machte sie darauf aufmerksam, dass es im Folgenden vor allem auf die weitere Verwendung geachtet werden muss: „Nun kommt es aber darauf an, dass das zusätzliche Geld sinnvoll für die Präventionsarbeit eingesetzt wird. Die zwei Millionen müssen vollständig zugunsten von Trägern, die derzeit beim BMFSFJ auf der Warteliste stehen, sowie zur Reduzierung der viel zu hohen Kofinanzierung investiert werden. Dazu hat die grüne Bundestagsfraktion eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung eingebracht.“ Die Kofinanzierung wurde von Lazar auch in der Haushaltsdebatte kritisiert, so stellte sie die Frage, warum bei den ist bei Projekten gegen Rechtsextremismus ein Eigenanteil von 50 Prozent, bei Projekten gegen Linksextremismus hingegen nur ein Eigenanteil von 10 Prozent erforderlich ist.
Taschenspielertricks mit Zahlen und Extremismusbegriff
In seiner Rede bezeichnete Sönke Rix von der SPD den Versuch der Koalitionsfraktion, die zurückgenommenen Kürzungen als Erhöhung darzustellen als „Taschenspielertrick“. Zudem bemängelte er die Kürzungen bei der Antidiskriminierungsstelle sowie der Bundeszentrale für politische Bildung, die ebenso für Demokratie und gegen Extremismus arbeiten. Im Anschluss an die Haushaltsdebatte bilanzierte Rix: „Die Kürzungen von fünf Millionen Euro in den letzten zwei Jahren bei der Bundeszentrale für Politische Bildung wurden nicht zurückgenommen. Ebenso wird im Bundesinnenministerium ein Programm gegen Rechtsextremismus von sechs Millionen Euro auf 4,5 Millionen Euro gekürzt. Der Saldo der Bundesregierung für den Bereich Extremismusprävention bleibt negativ.“
Im Etat 2011 wurde aus den Mitteln, die das Bundesfamilienministerium für die Bekämpfung von Rechtsextremismus bereitstellt, die „Maßnahmen zur Extremismusprävention“. Im Zuge dessen wurden um fünf Millionen Euro, von 24 Millionen auf 29 Millionen aufgestockt, diese Gelder kommen allerdings Projekten gegen Linksextremismus und Islamismus zugute. In der Haushaltsdebatte wurde dies vonseiten der Opposition scharf kritisiert, während die Koalition sich mit der Erhöhung brüstete und Bundesfamilienministerin Kristina Schröder verdeutlichte, dass dadurch kein Cent in der Rechtsextremismusbekämpfung fehle, geschweige denn der Rechtsextremismusbekämpfung nicht genügend Wichtigkeit eingeräumt werde: "Die Behauptung, man würde den Rechtsextremismus relativieren, wenn man auch Präventionsprogramme gegen Linksextremismus und Islamismus fördert, die ist nicht nur falsch, sondern die ist auch dumm." Aus den Oppositionsfraktionen wurde allerdings bemängelt, dass diese Erhöhung sinnvoller bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit eingesetzt werden sollte. Monika Lazar erklärte anschließend: „Eine Ausweitung der Programme auf andere sogenannte ‚Extremismusformen‘ ist inhaltlich nicht begründbar und verkennt die Gefahren durch Rechtsextremismus und andere Formen Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, auch in der ‚Mitte der Gesellschaft‘.“
Extremismusklausel erfreut sich hoher Unbeliebtheit
Bundesfamilienministerin Kistina Schröder verteidigte die Extremismuskluasel in der Debatte mit Nachdruck. So habe die Klausel entgegen den Meinungen aus der Opposition nichts mit Einschränkung der Meinungsfreiheit zu tun, sondern es gehe um die Beanspruchung staatlicher Gelder. "Ich will nicht, dass Linksextremismus mit Rechtsextremisten bekämpft wird. Ich will nicht, dass Rechtsextremismus mit Linksextremisten bekämpft wird. Und ich will nicht, dass Islamismus mit Islamhassern bekämpft wird. Ich will, dass Demokraten für Demokratie kämpfen," verdeutlichte Schröder.
In einer anschließenden Pressemitteilung forderte Monika Lazar erneut die ersatzlose Abschaffung der Extremismusklausel. Nebst der Kritik am Misstrauen und der Behinderung der Arbeit gegen Rechtsextremismus, trage die verfassungsrechtlich umstrittene Klausel „zu einer gefährlichen Verharmlosung von Nazi-Gewalt bei, was nicht nur wegen der rechtsterroristischen Mordserie, sondern auch angesichts der 182 getöteten Opfer rechter Gewalt seit 1990 zynisch und inakzeptabel ist.“ Indes scheint die Extremismusklausel sich auch innerhalb der Koalition nicht mehr allzu großer Beliebtheit zu erfreuen. So äußerte sich Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger in einem Interview der Süddeutschen Zeitung, das am 18. November erschien, kritisch dazu. Auf die Aussage des Interviewers, dass Initiativen statt Dank Misstrauen ernten, antwortete sie: „Wenn auf diese Weise bisher erfolgreiche und hoch geschätzte Arbeit erschwert wird, ist das nicht gut. Die Arbeit gegen Rechtsextremismus braucht kreative Phantasie, nicht schwerfällige Bürokratie.“
Unterdes kam es in Sachsen erneut zu Streit um die Klausel. So wurde am Donnerstag bekannt, dass das sächsische Landesjugendpfarramt aufgrund der Klausel auf eine weitere Förderung aus dem Programm "Weltoffenes Sachsen" verzichtet. Damit wird im Dezember die Projektstelle "Demokratie lernen - Aufklärung gegen rechte Strategien" gestrichen. Das Programm war aufgrund der rechtsterroristischen Mordserie gerade erst auf drei Millionen Euro jährlich erhöht worden. Anhand dieses Beispiels zeigt sich, wie sehr die Extremismusklausel zivilgesellschaftlichem Engagement im Wege steht. Selbst bei einer ausreichenden Zurverfügungstellung von finanziellen Mitteln, kämen diese durch die Klausel, den Zwang zur Kofinanzierung und die bürokratische Antragsstellung über die Kommunen nicht dort an, wo sie im Kampf gegen Rechtsextremismus gebraucht werden.