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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Programme gegen menschenverachtende Einstellungen erfüllen kein „höheres staatliches Interesse“ mehr - Schließung des Leipziger NDC Büros steht bevor.
Von Laura Frey
Das Projekt erfülle kein „höheres staatliches Interesse“ mehr. Damit wurde die Streichung der Gelder für das Netzwerk für Demokratie und Courage (NDC) durch das sächsische Wirtschafts- und Arbeitsministerium (SMWA) im letzten Jahr begründet. Bildungsarbeit gegen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und für couragiertes Handeln im Alltag ist also nicht mehr von hoher Priorität für die Sächsische Landesregierung. Vor dem Hintergrund der Morde durch den NSU, wöchentlichen Übergriffe durch Neonazis und hohen Wahlergebnisse der NPD klingt diese Begründung mindestens fragwürdig.
Schließung des NDC Büro in Leipzig
Die Konsequenzen der Kürzungen konnten im letzten Jahr teilweise durch eine Erhöhung der Unterstützung durch das Landesprogramm Weltoffenes Sachsen (WOS) abgewendet werden. In diesem Jahr fällt allerdings diese zusätzliche Unterstützung weg. Die Folgen sind spürbar: 88.000 Euro fehlen dem NDC für seine Arbeit in Sachsen, 30.000 Euro für die Aufrechterhaltung des Leipziger Büros. Das Büro in Chemnitz kann durch die Förderung einer privaten Stiftung zumindest in der nächsten Zeit noch finanziert werden.
Engagement wird eingeschränkt
„Die Regionalbüros sind wichtig, um die Kooperation mit den Schulen und Ausbildungseinrichtungen vor Ort zu gewährleisten und die Arbeit unserer ehrenamtlichen TeamerInnen zu koordinieren“, so Susann Rüthrich, Geschäftsführerin des NDC: „Die gesamten Aktivitäten des NDC zentral über Dresden zu koordinieren, ist vollkommen absurd und in der Breite, die wir im Moment ausfüllen, kaum möglich. Deswegen haben wir uns ja mit Hilfe des Landes Sachsen in den vergangenen Jahren dezentral aufgestellt.“
Die Bildungsarbeit des NDCs baut auf ehrenamtlichem Engagement von jungen Erwachsenen auf, die Projekttage an Schulen und in Ausbildungszentren leiten. Die Resonanz auf die Projekttage ist sehr groß, im letzten Jahr wurden über 300 Projekttage gebucht. Den Jugendlichen wird vermittelt, dass es wichtig ist, Courage zu zeigen und sich für die Mitmenschen einzusetzen. „Das Leipziger Team ist mit ca. 40 aktiven TeamerInnen besonders groß und es gibt viele Menschen, die sich beim NDC in Leipzig engagieren wollen. Dieses Jahr haben sich so viele junge Menschen für die fünf Plätze in der Teamschulung beworben, dass wir bei 25 Anmeldungen die Warteliste geschlossen haben.“ Auch die Ausbildung von neuen TeamerInnen wird in Zukunft schwer finanzierbar sein.
Kein Alleinstellungsmerkmal des NDC
Kürzungen im Bereich der präventiven Bildungsarbeit sind kein neues Thema und treffen auch nicht nur für Sachsen zu. „Auf Bundesebene haben Vereine und Initiativen dasselbe Problem. Finanzielle Förderung ist oft punktuell und auf einen bestimmten Zeitraum begrenzt, dies erschwert eine langfristige Arbeit der Organisationen“, so Timo Reinfrank von der Amadeu Antonio Stiftung. Dabei ist eine langfristige Arbeit gerade in diesem Themenbereich besonders wichtig. Einerseits um eine kontinuierliche Arbeit mit Schulklassen aufbauen zu können, und sie längerfristig zu begleiten. Andererseits um menschenverachtende Einstellungen, die die Grundlage für neonazistisches Gedankengut und Organisationen sein können, entgegenzuwirken. „Bund und Länder müssten zunächst ihren Blickwinkel ändern und endlich die menschenfeindlichen Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft erkennen und als Konsequenz mehr auf Präventionsarbeit, als auf eine Ausweitung des Sicherheitssektors setzen“, fordert Reinfrank. Auch die Sächsische Landesregierung zeigt immer wieder, dass sie die Präventionsarbeit zumindest nicht an erste Stelle setzt.
Aussicht
Das Ziel des NDC ist es nun zunächst 30.000 Euro zu akquirieren um die Arbeit des Leipziger Büros aufrechtzuerhalten. Langfristig ist es jedoch wichtig die gesamte Arbeit des NDC auf eine stabile Finanzgrundlage zu stellen. Krisenmanagement kostet unnötig viel Kraft: „Es muss sich endlich jemand verantwortlich fühlen und uns langfristig finanzieren“, so Rüthrich, „ständig bekommen wir von verschiedenen Stellen in der Landesregierung die Aussage: Dafür sind wir nicht zuständig, jemand anderes soll das Projekt finanzieren.“ Die Arbeit zwischen den verschiedenen Stellen des Landes muss besser koordiniert werden, damit Projekte wie das NDC langfristig planen können. Um das zu gewährleisten, muss die Arbeit gegen menschenverachtende Einstellungen zum höheren staatlichen Interesse werden.