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Nicht jeder Skinhead ist automatisch ein Rechtsextremer. Und die wenigsten Rechtsextremen kleiden sich heutzutage noch wie Skinheads. Viele Neonazis tragen inzwischen sportliche, unauffällige Kleidung, die oft nur für Szenekenner Rückschlüsse auf ihre politische Gesinnung zulässt.
Bomberjacken, Tattoos, Springerstiefel und Glatze – das gemeinsame Identifikationsmerkmal von Skinheads ist Männlichkeitskult und ein martialisches Auftreten. Aber auch wenn es in den Medien vielfach falsch dargestellt wird, hattten Skinheads und Skingirls ursprünglich nichts mit Rechtsextremismus zu tun. Auf diese Tatsache verweisen etwa Seiten wie http://du-sollst-skinheads-nicht-mit-nazis-verwechseln.de/.
Die Skinheadbewegung entstand Ende der 60er Jahre in London. Weiße Jugendliche aus Arbeiterfamilien entdeckten zu dieser Zeit ihre Liebe zur Reggae-Musik der jamaikanischen Einwanderer. Sie tanzten gemeinsam mit schwarzen Jugendlichen in den Klubs zu Ska und Reggae-Rhythmen. Um sich vom damaligen Trend zu langen Haaren abzugrenzen rasierten sich die Skinheads ihre Köpfe kahl und inszenierten sich dadurch selbst als schwer integrierbare „Arbeiterklasse“ und Ausgestoßene der Gesellschaft.
Anfang der 70er Jahre begann jedoch die rechtsextreme britische National Front gezielt, die Skinheadszene zu vereinnahmen. Mit rassistischen und demokratiefeindlichen Parolen schafften die Rechtsextremen das vorhandene Wut- und Gewaltpotential in der Skinheadszene in ihrem Sinne zu kanalisieren. Nicht zuletzt durch die starke Medienberichterstattung über Naziskinheads bekam die Szene aus dieser Richtung immer mehr Zulauf. Als Resultat gilt bis heute für viele Menschen die gesamte Skinhead-Bewegung als rechtsextrem. Dabei gibt es viele unterschiedliche Strömungen innerhalb der Szene: linksradikale „Red Anarchist Skinheads“ (RASH), antirassistische „SHARP-Skins“ (Skinheads Against Racial Prejudice), unpolitische „Oi-Skins“, aber eben auch rechtsextreme „Hammerskins“ und „Boneheads“. Für Außenstehende ist diese Heterogenität der Skinheadszene nur schwer zu verstehen.
Gemeinsam haben die verschiedenen Strömungen nur das Interesse an Musik, Konzerten, Alkohol und das Ausleben eines Männlichkeitskults, verbunden mit dem selbst erschaffenen „Outlaw“-Gefühl. Auffallend bleibt, dass der Anteil von Skinheads innerhalb der Neonaziszene stetig abnimmt.
Optik
Weibliche rechtsextreme Skinheads nennen sich Renees oder Skingirls. Erkennungzeichen ist der Haarkranz: Rasierter Schädel mit einem Kranz aus langen Strähnen um das Gesicht herum. Die Frisur drückt die Zugehörigkeit zur Skinhead-Kultur aus, eine Abgrenzung von weiblichen Schönheitsnormen, soll Stärke und Unangepasstheit signalisieren und ist gleichzeitig ein Spiel mit Weiblichkeit.
Frauenbild der Skinheadszene
Rechtsextreme Skinheads pflegen in der Regel ein antiquiertes wie sexistisches Frauenbild: Frauen sind nicht gleichberechtigt, sondern dem Mann und seinen Wünschen - sexueller und sonstiger Art - unterworfen. So singt z.B. die Skinheadband Radikahl: "Weiber sind bei uns nichts wert / Auch wenn man sie nicht gern entbehrt". Als "geiles Skinheadgirl" sind Frauen erwünscht. Auch in der traditionellen Mutterrolle werden sie von ihren Männern gern gesehen oder als "treue Gefährtin".
Männer-Bands besingen Frauen hauptsächlich als Sexualobjekte, weibliche Musikerinnen stellen sich als gleichberechtigte Kameradinnen dar. Sexismus in Musiktexten wird von den Frauen meist ausgeblendet - sie setzen sich nicht gleich mit den abgewerteten Frauenbildern der Texte. Dabei ist Gewalt gegen Frauen ist in der Skinhead-Szene alltäglich.
Selbstbild der Frauen
Viele Renees entsprechen dem männlichen Bild, halten sich gern im Hintergrund und sehen ihre Hauptaufgabe in der Unterstützung der Männer. Andererseits gibt es auch Frauen, die sich selbst an Werten wie Mut, Stärke und Tapferkeit orientieren und aktiv werden wollen - auch politisch.
Rechtsextreme Frauen
Rund ein Drittel der rechtsextremen Szene besteht aus Frauen. Sie teilen und vertreten dieselben rassistischen, völkischen, antisemitischen und nationalistischen Ansichten wie die Männer, wenn bisher auch weniger gewalttätig. Wohl ein körperliches Phänomen: Oft sind Frauen nämlich die Anstifterinnen zu rechten Gewalttaten.
Frauenrollen
Bei rechtsextremen Frauen steht nach wie vor die Mutterrolle und die Versorgung der Familie an erster Stelle. Die "nationale Mami" ist die treusorgende "Bewahrerin ihrer Rasse", die die Kinder zur "deutschen Kultur" erziehen soll.
Auch wenn sie politisch aktiv werden, bevorzugen viele rechtsextreme Frauen "traditionelle" Betätigungsfelder: Etwa das der Pflegerin und Helferin - beim "Braunen Kreuz" etwa, dem "Nationalen Sanitätsdienst", für rechtsextreme Aufmärsche, oder bei der Hilfsgemeinschaft Nationaler Gefangener, die rechtsextreme Häftlinge betreut.
Mehr als Anhängsel der Männer
Inzwischen wollen viele Renees und Skingirls allerdings mehr als Anhängsel der Männer sein und ihre "nationale Pflicht" nicht nur als "deutsche Mutter" erfüllen. Sie sehen sich als "moderne, anständige, revolutionäre, selbstbewusste, nationale deutsche Frauen" (so Aktivistinnen der Skinhead-Kameradschaft "Fränkischen Aktionsfront"). Die Skingirl-Band Lokis Horden singt im Song "Renee": "Ich weiß genau, was ich will, halt nicht die Schnauze und bin still."
Völkische Feministinnen beziehen sich oft auch auf heidnisch-germanische Mythen. So sei es "Erbe des germanischen Frauentums", dass Frauen "gleichwertig, aber nicht gleichartig" seien.
Organisiert
Seit 1999 organisieren sich rechte Frauen zunehmend, diskutieren in Gruppen ihre Frauenrolle und planen gemeinsame Aktionen. Ziel ist es, innerhalb der Szene sichtbarer zu werden, ihre rassistischen, antisemitischen oder nationalistischen Aktivitäten explizit als Erfolge der Frauen zu verbuchen und so Anerkennung in den eigenen Reihen zu erhalten. Sie drücken ihre Gesinnung in Bands, Magazine oder Internetseiten, aber auch Gewalttaten aus.
Frauenthemen
Themen, mit denen sich speziell die Frauen beschäftigen und in die Öffentlichkeit treten, sind
- Mutterschaft als zentrale Lebensaufgabe (einschließlich Forderungen
nach Müttergehalt und Hausfrauenrente)
- Berufstätigkeit der Frau als Entfremdung und "Vermännlichung"
(umstritten; es gibt auch moderne Positionen, die Mutterschaft
& Job verbinden wollen)
- Ablehnung von Pornographie
- Ablehung von sexueller Gewalt und Sexismus (beides wird in der
Regel in der eigenen Szene ausgeblendet und allein auf "Ausländer"
übertragen)
- Abtreibung als "Mord" und "volksschädigendes Verhalten"
(nicht ganz unumstritten)
mut-gegen-rechte-gewalt.de