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Rechtsextreme Skinheads dominieren heute das Bild der Skinheads. Denn rechtsextreme Skinheads sind in den Medien und im öffentlichen Bewusstsein massiv präsent durch viele politisch motivierte Gewalttaten - Skinheads stellen die weitaus größte Gruppe innerhalb der gewaltbereiten Rechtsextremisten. Zudem präsentieren sie ihre Gesinnung öffentlichkeitswirksam bei rechtsextremen Demonstrationen und Aufmärschen.
Die Gewaltbereitschaft, die die Skinheadbewegung allgemein prägt, richtet sich bei rechtsextremen Skinheads gezielt gegen anders aussehende oder anders lebende Menschen, die als "Feinde" definiert werden, wie politisch linke Jugendliche, Migranten, Behinderte oder Homosexuelle. Viele rechte Skinheads haben kein ideologisch klares, sondern eher diffuses neonazistisches und rassistisches Weltbild.
Entwicklung
Achtziger Jahre, Bundesrepublik
Im Westen Deutschlands bestimmten in den achtziger Jahren zwei Faktoren den Rechtsruck der vorher eher unpolitischen Skinheadbewegung:
Zum einen vertraten die ersten deutschsprachigen Skinheadbands rechtsextreme Auffassungen (etwa die "Böhsen Onkelz" oder "KdF" ("Kraft durch Froide"). Sie verhalfen so nicht nur rassistischem Gedankengut in der Szene zu Beliebtheit, sondern prägten auch das öffentliche Bild der Skinheads – das rechtsextreme Image zog viele sich rechts orientierende Jugendliche an, die nun aus politischer Motivation Skinheads wurden.
Zum anderen betrieb die sich damals neu formierende Neonaziszene gezielte Jugendarbeit. Aktivisten wie Michael Kühnen sahen in den de facto uniformierten und gewaltbereiten Jugendlichen der Skinheadszene ein leicht zu beeinflussendes Personenpotenzial, das sie zur Durchsetzung ihrer Ziele gut verwenden konnten. Skinheads wollten die Gesellschaft provozieren, und in der Bundesrepublik der achtziger Jahre provozierte nichts so sehr wie offenes Eintreten für den Nationalsozialismus. Die Neonazis schafften es, sich innerhalb der Szene zu behaupten, etwa durch Beteiligung an Fußballausschreitungen oder das Veranstalten von Skinhead-Konzerten (was etwa die NPD gern machte und macht).
Achtziger Jahre, DDR
In der DDR entstand die Skinheadszene Mitte der achtziger Jahre. Ähnlich wie die gleichzeitig entstehende Punkszene wollten sie Rebellion gegen die Anpassung, die der totalitäre Staat verlangte. Die Ost-Skins hatten zumeist keine Informationen über den Ursprung der Skinhead-Bewegung in Ska und Reggae. Sie unterschieden sich – auch für die Behörden – hauptsächlich von den Punks, indem sie gewalttätiger und politisch rechtsextrem waren. In der DDR war das Skinhead-Sein also fest mit einer politischen Meinung verbunden. Da es den Skinheads nicht möglich war, sich hier formell zu organisieren, entstand eine rechtsextreme Subkultur.
Nach der Wende
Nach der Wende bemühten sich ehemals westdeutsche rechtsextreme Organisationen, etwa die NPD, die zuvor autonom agierenden Gruppen rechtsextremer Skinheads zu organisieren und zu vernetzen. Zum Beispiel betätigte sich die NPD und ihr Jugendverband, die "Jungen Nationaldemokraten (JN)", als Veranstalter von Skinheadkonzerten oder verteilten Propagandamaterial vor Fußballstadien. Zum Teil zeigen diese Mobilisierungs-Strategien Erfolge. Rechtsextreme Skinheads treten nicht unbedingt einer Partei bei, sympathisieren aber mit ihr. So sind rechte Skinheadgruppen sehr präsent bei NPD-Demonstrationen. Manche rassistischen Skinheads finden aber auch zu rechtsextremen Parteien, hauptsächlich zur NPD. Die NPD wiederum bedient sich der Skinheads als Ordner und Mobilisierungsmasse und vermarktet deren Kultur.
Teile der NPD distanzieren sich auch von den rechtsextremen Skinheads. Der Landesvorsitzende der JN-Sachsen wird zitiert mit den Worten: "Der Skinhead ist für uns eine Entartung des Systems. Uns wäre es lieber, wenn es diese Leute nicht geben würde, wenn es vernünftige, anständige, auch für die Bevölkerung akzeptable Leute wären. Aber man kann sie ja nicht ausschalten oder wegdenken, also muss man versuchen, sie in den politischen Kampf einzuspannen. Ein Skinhead, das hat nichts mit deutscher Kultur und Tradition zu tun, das sind verführte Jugendliche, wie die Rapper auf der anderen Seite."
Gewalttaten
Nach den schweren gewalttätigen Angriffen mit rechtsextremem Hintergrund Anfang der neunziger Jahre (Höhepunkte waren 1991 Hoyerwerda (mehrtätige Angriffe auf eine Unterkunft für Asylbewerber, die schließlich verlegt wurden), 1992 Rostock (mehrtätige Angriffe auf die örtliche Aufnahmestelle für Asylbewerber; auch hier werden die Opfer hinterher verlegt) und 1993 Solingen (Brandanschlag auf eine türkische Familie mit fünf Todesopfern) gerät die rechtsextreme Skinhead-Szene in den Fokus staatlicher Verfolgungsorgane.
Die Folge sind Verbote von Vereinigungen, Indizierung von Tonträgern und Publikationen und Prozesse gegen Agitatoren und Bands. Dadurch wird offen agierender Rechtsextremismus kurzzeitig eingeschränkt. Aus taktischen Gründen reagieren viele Skinheads mit äußerlicher Anpassung an die Normalbürger, Skinhead-Bands texten nun im strafrechtlich erlauben Rahmen und verbreiten ihre Botschaft durch Umschreibungen oder Kodierungen. Die staatlichen Repressionen bringen viele Mitläufer zum Aussteigen, schweißen aber die Verbliebenen enger zusammen.
In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre organisiert sich die Szene in Netzwerken wie Blood & Honour oder der Bruderschaft der Hammerskins neu. Außerdem werden die neuen Kommunikationsmittel wie Mobiltelefone und Internet intensiv genutzt – um sich zu vernetzen, aber auch, um Skin-Artikel in Versandshops zu vertreiben. Die Subkultur von rechts etabliert sich.
Standpunkte. Erziehung für Demokratie • gegen Rechtsextremismus, CD-Rom für LehrerInnen. RAA Berlin e.V. / LISUM 2002