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Jugendszene

Ursprünglich entstanden rechte Jugendcliquen vor allem im Umfeld der rechten Skinheadkultur. Hier ging es allerdings mehr um das lautstarke Bekenntnis, das martialische Auftreten und das Hören möglichst verbotener Nazi-Rockmusik als um Parteienzugehörigkeit und Ideologie. Längst ist das jugendkulturelle Phänomen "rechte Szene" jedoch über die Skinheadszene hinausgewachsen.

Besonders seit den neunziger Jahren bildet der deutsche Rechtsextremismus eine soziokulturelle Erscheinungsform, der seine Gefolgschaft über politische Parolen hinaus affektiv und emotional über Musik, Lebensstil und Clique findet.

Inzwischen gibt es ein breites Angebot an Rechtsrock, das neben klassischer Oi!-Musik Dark-Wave und Liedermacher, Schlager und Techno-Titel einschließt und die Szene ausdifferenziert. Neben der Musik stellen Kleidungsstile, Frisuren und Sticker das Selbstbild nach außen zur Schau. Symbole und Sprachcodes beziehen sich auf die NS-Zeit, das Germanentum und den internationalen Rassismus und sind in ebenso umfangreicher Ausprägung vorhanden wie bestimmte Rituale, z.B. Met-Trinken oder Sonnwendfeiern. Auffällig ist, dass die rechtsextreme Jugendkultur keinen neuen, einzigartigen Ausdruck entwickelt hat, sondern sich eher additiv aus besagten Quellen ihre Elemente zusammensucht.

Zur Schau gestellt werden in der rechten Szene Gewaltbereitschaft und ein klares Maskulinitätsklischee: Standhaftigkeit, Kameradschaft und Wehrhaftigkeit bestimmen das Männerbild. Gewaltvorfälle der rechten Szene gehen dementsprechend überwiegend von jungen Männern aus. Durch den martialischen Auftritt und exzessive Saufgelage wird der rechte "Sohn aus Heldenland" scheinbar zum potenten, starken Mann.

Während die meisten Gewaltvorfälle tatsächlich von Männern ausgehen, wird die rechtsextreme Einstellung von vielen Frauen geteilt. Auch für sie bildet die rechtsextreme Jugendszene eine Sozialisationsinstanz, auch sie setzen sich aktiv in der politischen Arbeit ein, unterstützen ihre Freunde, stiften sie an oder werden vereinzelt selbst gewalttätig.

An dieser rechten Alltagskultur und -szene setzen häufig organisierte Jungfunktionäre oder Kameradschaftsführer an, die entgegen landläufig gezeichneten Bildern keine verblendeten Unterprivilegierten mit Orientierungsproblemen sind. Oft sind es selbstbewusste und historisch-politisch geschulte junge Männer, die sehr genau wissen, welchen politischen Vorstellungen sie Macht verschaffen wollen. Sie strukturieren die Szene, geben Impulse und kanalisieren die politische Aktion ( siehe auch Jugendarbeit), sie sind aber nicht zwingend notwendig für die Entstehung einer rechten Jugendkultur, die sich aus Skinheadcliquen, Fußballfans, rechten Jugendcliquen, Vereinen, Verbindungen usw. generieren kann. Das Phänomen ist nicht von außen gesteuert, sondern ein spontanes.

So läuft es auch zwischen den einzelnen Gruppen nicht immer ohne Reibungen ab: Die spaßbereite Skinheadszene verträgt sich nicht unbedingt mit den disziplinierten Politkadern der NPD, ein Junge mit White-Power-"T-Hemd" muss sich nicht in Kameradschaften organisieren wollen, teilt aber rassistisches Gedankengut.
 

Standpunkte. Erziehung für Demokratie • gegen Rechtsextremismus, CD-Rom für LehrerInnen. RAA Berlin e.V. / LISUM 2002

 

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