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Im Fokus von Neonazis

Durch ein aktives Engagement gegen Rechts geraten in einigen Fällen Menschen in den Fokus der rechten Szene: Beleidigungen, Drohungen bis hin zu regelrechten Hetzkampagnen sind die Folge. Der Opferberatungsverein LOBBI will mit einer Handreichung diesen Betroffenen durch praktische Tipps im Umgang mit Anfeindungen und bedrohlichen Situationen von Rechts helfen.

Von Anna Brausam

Aufrufe zum Mut gegen rechte Gewalt sind oftmals leichter gesagt als getan. In einigen Fällen geraten Menschen dadurch in den Fokus der rechten Szene: Beleidigungen, Mobbing, Diffamierungen, Drohungen bis hin zu regelrechten Hetzkampagnen sind die Folge. Für Betroffene und ihr Umfeld sind die Bedrohungen, die unterhalb der Schwelle zur körperlichen Gewalt liegen, besonders zermürbend, weil die rechtlichen Reaktionsmöglichkeiten gering sind. Hinzu kommt, dass derartige Attacken in der Öffentlichkeit zu weing Beachtung finden. Für die Opfer breitet sich dadurch oftmals das subjektive Gefühl der Machtlosigkeit und Unsicherheit gegenüber der rechten Szene aus.

Konkrete Bedrohungen wirken aber nicht nur auf die Betroffenen einschüchternd, nein auch auf die Zivilgesellschaft als Ganze. Viele kommen zu dem Schluss, dass es angesichts von Neonazi-Drohgebärden und ihren Einschüchterungsversuchen besser ist, sich „nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen“, um nicht als „politischer Feind“ auf einer Liste der Neonazis zu enden. Dieses Innehalten zivilgesellschaftlichen Engagements ist für die demokratische Kultur in Deutschland fatal. Aber auch für die Betroffenen von rechten Anfeindungen verstärkt sich damit das Gefühl der Ohnmächtigkeit gegenüber Neonazi-Taktiken zusätzlich.

Dieser Gefahr setzt der Opferberatungsverein rechter Gewalt LOBBI nun eine Handreichung entgegen, die sich konkret an Betroffene richtet und ihnen praktische Tipps im Umgang mit Anfeindungen und bedrohlichen Situationen von Rechts gibt. LOBBI plädiert vor allem auch an alle Bürgerinnen und Bürger unterstützend aktiv zu werden. „Nur wenn die AdressatInnen rechter Einschüchterungsversuche merken, dass sie nicht alleine sind und tätige Unterstützung erfahren, werden die rechten Täter auf Dauer keinen Erfolg haben“, so LOBBI in der Broschüre „Im Fokus von Neonazis“.

Drohkulissen der rechten Szene dürfen nicht dazu führen, dass man aus Angst vor ihnen auf zivilgesellschaftliches Engagement verzichtet. Ein derart ängstliches Klima muss durch sinnvolle Maßnahmen aufgebrochen werden, um Bürgerinnen und Bürger wieder mehr für ein couragiertes Eintreten gegen Rechts zu gewinnen.

LOBBI beschreibt in dem Kapitel „Hinweise für UnterstützerInnen“ detailliert, warum es sinnvoll, und vor allem notwendig ist, aktiv gegen Neonazis und ihre menschenverachtende Weltanschauung vorzugehen. Denn Menschen, die von Neonazis aufgrund ihres Engagements angefeindet werden, brauchen die Solidarität und Unterstützung von ihren Mitmenschen. Nicht nur damit die Betroffenen selbst wissen, dass sie nicht allein sind in ihren Bemühungen gegen Rechts, sondern auch als Signal an die Neonazi-Szene, dass ihr rechtsextremes Gedankengut hier keinen Platz hat!

Hier die Praxistipps von LOBBI:

Zielgerichtete Bedrohungen und Sachbeschädigungen der rechten Szene werden im beruflichen oder persönlichen Umfeld der Betroffenen natürlich wahrgenommen. Derartige Vorfälle sind außerdem häufig Gesprächsthema in der Nachbarschaft oder gar im ganzen Ort. Allerdings gibt es darauf oft erschreckend wenige Reaktionen, die hilfreich für die Betroffenen sind. Wir wollen dafür werben, dass Sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv werden.

Warum sollte ich aktiv werden?

Wenn Neonazis jemanden wegen seines/ihres Engagements gegen Rechts im Internet beschimpfen, Scheiben in einem Parteibüro oder einem Jugendclub einwerfen, Hetzflugblätter vor einem Wohnhaus verteilen oder Ähnliches, handelt es sich um eine politische und nicht um eine persönliche Auseinandersetzung. Dies darf nicht das „private“ Problem der Betroffenen bleiben.

Neonazis stellen sich gern als VollstreckerInnen eines vermeintlichen „Volkswillens“ dar. Nur Ihre aktiven solidarischen Reaktionen zeigen den TäterInnen und vor allem den Betroffenen selbst, dass dies nicht der Fall ist. Die rechte Szene will einzelne politisch aktive Personen oder ganze Gruppen einschüchtern. Wenn die Betroffenen damit allein bleiben, erhöht sich die Gefahr, dass diese Einschüchterungsversuche erfolgreich sind, denn: „Allein machen sie dich ein“. Für die Betroffenen können selbst kleinere Vorfälle, die sonst als Bagatellen angesehen werden, äußerst einschüchternd wirken. Gerade bei den in dieser Broschüre geschilderten Situationen greifen aber die „üblichen“ rechtlichen Möglichkeiten nur selten. Vielfach werden Situationen zwar als bedrohlich empfunden, es handelt sich aber nicht um strafbare Aktivitäten. In anderen Fällen können keine Täter ermittelt werden oder es geht „nur“ um kleinere Delikte. Daher sind Ihre Unterstützungsmaßnahmen umso wichtiger.

Warum fehlt es manchmal an Unterstützung?

Es ist zunächst eine normale menschliche Reaktion, sich nicht unbedingt mit den Problemen anderer belasten zu wollen. Derartige Situationen sind in der Regel ungewohnt, unangenehm und kommen überraschend. Vielleicht ist es auch die nachvollziehbare Angst, selbst in den Fokus der gewalttätigen rechten Szene zu geraten. Außerdem fühlen sich viele Menschen in solchen Situationen hilflos oder überfordert und wissen nicht genau, was sie tun können. Dabei ist Unterstützung gar nicht so schwierig. In vielen Fällen sind es ganz einfache Schritte, die aber sehr wirkungsvoll sein können.

Welche Möglichkeiten habe ich...

wenn FreundInnen, Bekannte oder KollegInnen im Internet oder auf Flugblättern angefeindet werden oder von Sachbeschädigungen betroffen sind?

Anteil nehmen – Sprechen Sie mit den Betroffenen direkt oder rufen Sie sie an. Sagen Sie ihnen, dass Sie von den Vorfällen gehört haben und fragen Sie nach, wie es ihnen geht. Bieten Sie sich als GesprächspartnerIn an. Nehmen Sie dabei die Schilderungen der Betroffenen ernst.

Unterstützung anbieten – Fragen Sie nach, ob Sie irgendetwas im Rahmen ihrer Möglichkeiten für die Betroffenen tun können. Häufig sind dies kleinere praktische Erledigungen oder Aktivitäten, die gerade in den ersten Tagen das Sicherheitsgefühl erhöhen: zum Beispiel gemeinsam die Parole an der Hauswand übermalen, im Baumarkt eine Lampe mit Bewegungsmelder kaufen, zusammen zur Polizei zu gehen, mit FreundInnen in den Abendstunden zu Besuch kommen oder auf dem Weg zur Arbeit oder Schule zu begleiten.

Wünsche der Betroffenen beachten – Unternehmen Sie nur Schritte, die Sie auch mit den Betroffenen abgesprochen haben. Wenn die Betroffenen im Moment weitere Aufmerksamkeit fürchten, respektieren Sie dies.

Materielle Schäden mildern – Häufig bleiben die Betroffenen auf kleineren oder größeren Schäden „sitzen“, weil die Versicherung nicht zahlt oder die TäterInnen nicht gefasst werden. Eine kleine Sammlung am Stammtisch oder eine „Spenden-Party“ im Freundeskreis können finanziell unterstützen. HandwerkerInnen können günstigere Konditionen für Reparaturen anbieten.

öffentliche Positionierung – Beispielsweise kann eine öffentliche Solidarisierung durch einen Zeitungsartikel oder eine Flugblattaktion äußerst hilfreich für die Betroffenen sein und ihnen Mut machen. Mit einer öffentlichen Positionierung wird zudem der rechten Szene signalisiert, dass sie nicht auf Zustimmung treffen.

Verantwortung ernst nehmen – Wenn Sie als ArbeitgeberIn, als FunktionsträgerIn in einer Partei, als Vorgesetzte/r oder als Vereinsvorstand von Bedrohungen gegen MitarbeiterInnen in Ihrem Tätigkeitsfeld erfahren, sollten Sie unbedingt aktiv werden.

Was kann ich tun...

in bedrohlichen Situationen auf der Straße, bei Infotischen oder Veranstaltungen?

Eingreifen – Wenn Sie beispielsweise beobachten, dass Mitglieder der rechten Szene Menschen bedrohen oder anpöbeln, werden Sie aktiv. Damit ist keinesfalls gemeint, dass Sie sich selbst gefährden oder den „Helden spielen“ sollen. Wichtig ist, dass Sie etwas Ihnen Mögliches tun – aber tun Sie etwas. Auch wenn es Sie Überwindung kostet: Vertrauen Sie nicht darauf, dass andere schon etwas unternehmen werden. Im Gegenteil – je mehr Menschen anwesend sind, desto mehr sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass jemand eingreift.  Also fangen Sie an.

Bleiben Sie ruhig – Stellen Sie Blickkontakt mit den Betroffenen her oder fragen Sie direkt nach, ob Hilfe benötigt wird. Rufen Sie im Zweifel die Polizei.

Erregen Sie Aufmerksamkeit – Sprechen Sie andere Umstehende direkt an, suchen Sie sich Verbündete. Machen Sie den Neonazis deutlich, dass Sie und andere das Geschehen beobachten.

Lassen Sie sich nicht provozieren – Fassen Sie die TäterInnen nicht an. Duzen Sie die TäterInnen nicht und beleidigen Sie sie nicht. Kritisieren Sie ihr Verhalten, nicht die Person an sich.

Stellen Sie sich als ZeugIn zur Verfügung – Beobachten Sie das Geschehen und merken Sie sich Einzelheiten wie Kleidung und Gesicht der TäterInnen oder Autokennzeichen. Geben Sie der Polizei oder den Betroffenen gegebenenfalls Ihren Namen und eine Kontaktmöglichkeit. Schreiben Sie nach dem Vorfall am besten ein Gedächtnisprotokoll, damit sie nichts vergessen. Auch ZeugInnen können sich an eine Opferberatungsstelle wenden und sich dort Informationen und Unterstützung holen.

Es ist am besten, wenn Sie zukünftig bereits vorbereitet sind. Stellen Sie sich verschiedene Situationen vor und überlegen Sie, wie Sie reagieren könnten. Auch wenn es sich vielleicht ein bisschen albern anhört: Es hilft noch mehr, wenn Sie diese Situation mit FreundInnnen oder KollegInnen in einem
Rollenspiel üben.

Die 60-seitige Broschüre kann hier als PDF heruntergeladen werden oder auch bei LOBBI als Printausgabe bestellt werden.
 

Titelbild der LOBBI-Broschüre "Im Fokus von Neonazis", Foto: Frank Meinel, c