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Wenn statt Vernunft Panik herrscht


Patrick Bahners nimmt in seinem Buch „Die Panikmacher“ Schlagwörter und Standardargumente der Islamkritik unter die Lupe. Wo andere einen „notwendigen“ Tabubruch beschwören, sieht er vor allem „eine Verrohung des öffentlichen Lebens“.


Von Elisabeth Gregull

„Im deutschen Journalismus gilt die klassische Ideologiekritik als unfein und plump. Sie stellt zwei schlichte Fragen. Wer redet? Und: Welches Interesse vertritt er?“ Nach diesem Motto untersucht Patrick Bahners, Feuilletonchef der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, in sieben großen Kapiteln scheinbares Alltagswissen über den Islam.

Ob es um den Streit über die Aussage von Bundespräsident Wulff „Der Islam gehört zu Deutschland“, die Kopftuchdebatte oder den sogenannten „Muslim-Test“ in Baden-Württemberg geht – Bahners hinterfragt, führt Details und Fakten auf, bezieht sich auf Gegenrecherchen. Und er zieht Parallelen – nicht nur zwischen Behauptungen der Islamkritik, sondern auch zwischen ganz unterschiedlichen Kreisen und Personen.

Erwartungen statt Erfahrungen

Ob rechtslastige Kreise der hessischen CDU, Udo Ulfkotte, Hendryk Broder, Alice Schwarzer, Necla Kelek oder Ralph Giordano – sie alle treffen sich in bestimmten Kernaussagen, meint Bahners. Der Islam sei unvereinbar mit der Demokratie und dem Grundgesetz. Es drohe eine schleichende Islamisierung der Gesellschaft und dafür werden Beispiele angeführt.

Diesen Beispielen geht Bahners nach – ob es sich um das Schwimmverbot für muslimische Mädchen handelt, den angeblichen Zusammenhang zwischen Islam und Jugendgewalt oder die Scharia. Er zieht die vorhandenen Studien zu Rate, Urteilsbegründungen, Statistiken und kann belegen: vieles, was inzwischen in der öffentlichen Debatte zu einem riesigen Problem „des Islam“ stilisiert wird, ist empirisch nicht haltbar. „In scheinempirischen Aussagen (…) verdrängt die islamkritische Erwartung die nachprüfbare Erfahrung.“

Ein ganzes Kapitel widmet Bahners Necla Kelek, einer prominenten Vertreterin der Islamkritik. Während sie in ihrer Dissertation, also auf Basis wissenschaftlicher Untersuchungen, noch vertreten hatte, die islamische Religion verhindere keineswegs die Integration, wird sie heute nicht müde, das Gegenteil zu behaupten. Der Islam sei ein Integrationshindernis.

(Vor)Urteile, die die Gesellschaft verändern

Ein konkreter Fall, an dem Bahners detailreich ausarbeitet, wie Vorannahmen und Unterstellungen und nicht ein konkreter Auslöser weitreichende Folgen haben können, ist der Rechtsstreit um das Kopftuch muslimischer Lehrerinnen. Weil die Lehrerin Fereshta Ludin im Unterricht das Kopftuch tragen wollte, lehnte das Oberschulamt Stuttgart die Einstellung in den Schuldienst ab. Frau Ludin hatte schon als Referendarin mit Kopftuch unterrichtet – und es kam nicht zu Konflikten, es lag keine „Störung des Schulfriedens“ vor. Auch das Bundesverfassungsgericht stellt in seinem abschließenden Urteil fest, dass sich die Befürchtungen „nicht auf Erfahrungen mit der bisherigen Lehrtätigkeit der Beschwerdeführerin als Referendarin stützen“ konnten. Aber worauf dann?

Nicht nur den Lehrerinnen, die ihr Kopftuch tragen wollen, wird zu verstehen gegeben: Ihr gehört hier nicht hin. Das Kopftuch sei „fremd“ für die Schülerinnen und Schüler – Bahners fragt nach: Und was ist mit den Schülerinnen, die selbst ein Kopftuch tragen? Von denen ist in der Urteilsbegründung gar nicht die Rede.

Letztlich stehen in der öffentlichen Debatte Menschen muslimischer Religionszugehörigkeit inzwischen unter Generalverdacht. Pauschal wird der Islam zum Integrationshindernis deklariert und letztlich auch zu einer Gefahr für die Gesellschaft, die subtil unterwandert werde, um dem Islam an die Macht zu verhelfen. Es geht nicht um den einzelnen Mensch, seine persönliche Glaubensauslegung, nicht um einzelne Gruppen oder Strömungen. Für Bahners stellt die Kopftuchdebatte einen Wendepunkt dar: „Die Kopftuchdebatte hat eine Verrohung des öffentlichen Lebens in Gang gesetzt, die in den Moschee- und Sarrazin-Debatten weiter forciert wurde.“

Vom rechten Rand in die Mitte der Gesellschaft

Eine „in permanente Fundamentalismusalarmbereitschaft versetzte Öffentlichkeit“ ist leicht zu manipulieren. Vor allem wenn die Akteure ständig behaupten, dass nun endlich „Klartext“ gesprochen werde, dass „Tabubrüche“ nötig seien. Diese rhetorische Strategie vernebelt, dass es häufig nicht um Sachargumente oder Fakten geht. Man kann etwa bekannte Probleme im Bildungssystem benennen und notwendige Schritte besprechen, was allenthalben öffentlich geschieht.

Wenn aber ein Politiker wie Sarrazin zur Erklärung genetisch-rassistische Modelle anführt und ganze Bevölkerungsgruppen mit Verachtung und Ressentiments überschüttet, dann hat das nichts mit „Klartext“ oder „Tabubruch“ oder „Benennen von Fakten“ zu tun. Bahners zitiert dazu den Historiker Raphael Gross: „Wer Sarrazin widersprechen will, sollte ihm daher (…) keine Tabuverletzung vorwerfen, sondern Falsches falsch nennen und Obszönes obszön.“

Die Parolen der Islamkritiker konnten „das Land und die Hauptstadt“ erobern, so Bahners. Was lange ideologische Versatzstücke rechtslastiger Kreise waren, sind inzwischen Positionen, die Vertreterinnen und Vertreter etablierter Parteien und gesellschaftlicher Organisationen anführen, als handele es sich um Gegebenheiten.

Augenöffner statt Nebelkerzen


„Die Panikmacher“ ist ein kluges und lesenswertes Buch. Auch wenn man nicht jede Schlussfolgerung teilen oder jede Formulierung passend finden mag – die Lektüre klärt den Blick für die Argumentationsstrategien der Islamkritik. Bahners legt überzeugend dar, wie rechtspopulistische und rassistische Denkmodelle zunehmend politisch (und im Fall Sarazzin auch ökonomisch) Erfolg haben. Wie auch die Medien ungeprüft und ohne Gegenrecherche Pressemitteilungen oder Behauptungen übernehmen und salonfähig machen, die sich gegen ganze Gruppen der Bevölkerung wenden.

Nach den Anschlägen von Norwegen setzte eine Diskussion um rechtspopulistische Stimmungsmache und ihre Wirkungen auf das politische Klima ein – nicht zuletzt vor diesem aktuellen Hintergrund ist Bahners Buch ein Augenöffner.

Foto: Cover

Patrick Bahners: Die Panikmacher. Die Deutsche Angst vor dem Islam. Eine Streitschrift, C.H.Beck (2011)

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Elisabeth Gregull ist Fachjournalistin (DFJS) und arbeitet schwerpunktmäßig zu den Themen Diversity, Antidiskriminierung und Migration. Sie hat über zehn Jahre für Stiftungen und Organisationen gearbeitet, die sich für Demokratie und einen produktiven Umgang mit Vielfalt einsetzen.

Erfindergeist statt Rassismus

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Panikmacher