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Sprache des Rechtsextremismus

Neonazis in Berlin-Treptow im Dezember 2007

Rund 100 Studenten der Uni Leipzig haben "die Sprache des Rechtsextremismus" untersucht. Daraus ist jetzt in der Leipziger Edition Hamouda ein ausgesprochen lehrreiches Buch geworden, dass zur Leipziger Buchmesse vorgestellt worden ist. Das Buch wurde notgedrungen von seinen Machern selbst finanziert. Denn der Projektleiter, der Germanist Prof. Georg Schuppener, stellte auf Sponsorensuche ernüchtert fest, wie wenig Interesse es an der Vertiefung des Rechtsextremismus überhaupt gibt. Für MUT fasst er den Inhalt seines Buchprojekts zusammen:

Von Georg Schuppener

Der Band „Sprache des Rechtsextremismus“ entstand im Rahmen eines gleichnamigen Seminars im Wintersemester 2006/07 am germanistischen Institut der Universität Leipzig. In Zusammenarbeit mit dem Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz, das einerseits die Textgrundlagen für die Analysen der Studenten zur Verfügung stellte und andererseits die Publikation der Ergebnisse unterstützt, wurden rechtsgerichtete Jugendzeitschriften (sog. Fanzines) und Musiktexte auf ihre sprachlichen Spezifika und Wirkungsmechanismen untersucht. Der Schwerpunkt liegt somit im ersten Teil des Bandes auf der aktuellen rechten Szene in Sachsen. Jedoch finden sich vor allem im einleitenden und ergänzenden Teil auch weiterführende Beiträge zur Instrumentalisierung der germanischen Mythologie in Texten der rechten Szene Deutschlands bzw. zu den Grundmechanismen des Rechtsextremismus im internationalen Vergleich am Beispiel der Ukraine. Die im Sammelband vorgelegten Ergebnisse stellen einen wichtigen Bestandteil für eine umfassende und differenzierte Bewertung des Rechtsextremismus dar. Sie dienen letztlich aber auch als Grundlage für eine kompetente Auseinandersetzung mit rechtsextremistischen Bestrebungen sowie der Präventionsarbeit. Schließlich sensibilisieren die vorliegenden Einzelbeiträge für die immer wiederkehrenden Strategien, mit denen die Autoren der Fanzines und Songtexte eine Identifikationsbasis für die rechte Szene im Allgemeinen bilden. Aber auch die nicht zu unterschätzende Vielfältigkeit der Untergruppierungen in der Szene tritt deutlich zu Tage.


Zusammensetzung und Aufbau des Bandes „Sprache des Rechtsextremismus“
2.1. Einführung zum Thema


Nach einem Vorwort des Herausgebers beschreibt Volker Scholz, Referent im Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen, im einleitenden Teil den Zusammenhang zwischen „Rechtsextremismus und Mythologie aus Sicht des Verfassungsschutzes“. Er weist deutlich darauf hin, dass die „Beschäftigung mit der nordisch/germanischen Mythologie oder das Aufgreifen und die Pflege heidnischen Brauchtums […] nicht grundsätzlich mit rechtsextremistischen Bestrebungen gleichgesetzt werden“ können. Jedoch ist gleichzeitig zu beobachten, dass die nordisch-germanische Mythologie eine zunehmende Rolle für Rechtsextremisten spielt. Dies ist in den einschlägigen Songtexten und Szenezeitschriften zu beobachten und liegt vor allem im Selbstverständnis des Heidentums und der germanischen Mythologie begründet, in denen Werte wie Kraft, Kampf und Stärke eine zentrale Rolle spielen. Dass das Christentum als Religion der Schwäche angegriffen wird, belegt Scholz in verschiedenen Zitaten einschlägiger Songtexte. Zudem kommt dieses archaische Weltbild dem Selbstbild der rechten Szene entgegen, die sich auch auf politischer Ebene vom bestehenden System abgrenzen will. Mit dem Aufgreifen germanischer Mythen und Symbole wird versucht, eine eigene gewachsene Kultur und damit Daseinsberechtigung zu beschreiben. „Für Identität sind gemeinsame Wurzeln/Traditionen notwendig über die man sich identifiziert. Es wird eine Ahnenreihe rekonstruiert, die ihren Ursprung im nordischen Mythos hat.“ Rezipiert wird, was dem Selbstverständnis und Weltbild entspricht: Krieg als heroische Daseinsform, Autorität der Führer oder die Übertragung der in der Natur beobachteten Dominanz des Stärkeren auf die gesellschaftliche Ebene. Als zweites Hauptelement der germanischen Mythologie, das zur Rechtfertigung rechtextremistischer Weltsicht herangezogen und umgedeutet wird, nennt Scholz die Raganarök. In dieses Weltuntergangsszenario ordnet der aktuelle Rechtsextremismus das Symbol der Schwarzen Sonne als Zeichen der Wiedergeburt eines neuen, starken Götter- und Menschengeschlechts ein. Die Schwarze Sonne steht somit als Symbol für die Schaffung der neuen Weltordnung im Sinne rechtextremistischer Werte. Abschließend weist Scholz den vorgegebenen Anspruch auf religiösen Bezug zurück, indem er deutlich werden lässt, dass nicht auf die Gesamtheit der nordisch-germanischen Mythologie zurückgegriffen wird, sondern nur auf Elemente, die zur Legitimierung rechter Weltanschauung und politischer Ziele dienen.

Der folgende Beitrag von Katrin Schulz unter dem Titel „Einige Gedanken zur Sprache des Rechtsextremismus“ beschäftigt sich vor allem mit der mangelnden Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und seinen sprachlichen Ausdrucksformen in der DDR.


2.2 Rechtsgerichtete Jugendzeitschriften

Aufbauend auf diese Erkenntnisse werden im zweiten Teil des Sammelbandes konkrete Analysen rechtsextremistisch geprägter Magazine aus Sachsen vorgenommen. Der Artikel von Juliane Lohmann „Die Sprache des Rechtsextremismus am Beispiel des Fanzines „Sachsens Glanz“ basiert auf fünf Ausgaben des genannten Fanzines zwischen 1991 und 1999. Dieses Heft hat mit Michael Probst einen szenebekannten Herausgeber, der seit Jahren um den Aufbau eines rechten Netzwerkes von verschiedenen Medien bemüht ist. Die weitere Autorenschaft bleibt anonym. Inhaltlich hebt Lohmann vor allem das Propagieren von Gewaltbereitschaft als Handlungsform heraus. Überschriften wie „Lasst Stiefel sprechen“ oder Titelbilder von Skinheads mit erhobener Faust und ausgeschlagenem Schneidezahn sind ein deutliches Merkmal dafür. Ziel von Fanzines ist es, vor allem junge Menschen anzusprechen. Dementsprechend gestaltet sich die Wortwahl dieser Zeitschriften: Hierauf liegt ein weiterer Schwerpunkt von Lohmanns Beitrag. Die Artikel sind als Ausdruck einer gemeinsamen Identität einerseits mit jugendsprachlichen Elementen, Anglizismen, Regionalismen und Schreibweisen beispielsweise aus der Oi!-Skin- Bewegung gespickt. Dem werden auf der anderen Seite hochsprachliche Ausdrücke entgegengestellt, sobald Themen des (Lokal-)Patriotismus angesprochen werden. So wird als Zeichen der Ablehnung des bestehenden Systems entweder „Doitschland“ oder „brd“ (nicht BRD) geschrieben. Lohmann hält auch die Verwendung von ideologisch abgeänderten, idiomatischen Wendungen fest. Diese sind eingängig und lassen sich auch von einer jungen Leserschaft gut wiedergeben. Ideologische Gegner werden darin oft mit Ausdrücken der NS-Zeit beleidigt und herabgesetzt. Die eigene Gemeinschaft wird demgegenüber wieder mit Ehrbegriffen geschmückt. Lohmann bringt für diese Taktik verschiedene Zitate aus den von ihr untersuchten Ausgaben des Fanzines „Sachsens Glanz“.

Auch Maxi Konang untersucht in ihrem Beitrag eines der rechtsgerichteten Fanzines, den „Freien Rundbrief Dresden“, der seit 2003 monatlich erscheint, auf seine sprachlichen Strukturen. Zunächst hält sie fest, dass dieses Magazin vor allem von der lokalen Dresdner Szene für die lokale Szene gemacht wird. Dies zeigt sich in Rubriken wie „Heimatgeschichte“, in der sächsische Sagen vorgestellt werden, oder den „Terminen“, die sich auf lokale Veranstaltungen beziehen. In Zitaten der Rubriken „Soldaten erzählen“, „Heimatgeschichte“ und „Lieder und Gedichte“ zeigt sich wieder die Mischung aus dem Ehrenkodex des Nationalsozialismus aus Kameradschaft, Tapferkeit und Stärke, der noch für die heutige Szene von grundlegender Bedeutung ist, und dem Legitimationsversuch dieses aggressiven Verhaltens durch den Rückbezug auf germanische Mythologie. Im völligen stilistischen Gegensatz zu den eher hymnisch gehaltenen Mythos- und Geschichtsrubriken stehen allerdings die Beiträge, die sich auf das aktuelle Szeneleben beziehen. Konang analysiert die Verwendung der Stilzüge dieser Rubriken und hält fest, dass sie mit der Textsorte „Rundbrief“ nicht übereinstimmen. Statt Objektivität, Sachlichkeit und Unpersönlichkeit findet sich eine enorme Anzahl an Aufrufen. Sie fordern zum aktiven Handeln, zur Mitarbeit in der Szene und zum Kampf gegen die aktuellen politischen Gegner auf. Bezeichnungen wie „der rote Pöbel“, „Linksfaschisten“ oder „Volksverräter“ verraten die Haltung gegenüber der linken Szene. Diese Appelle sind oft im Befehlston gehalten und mit mehreren Ausrufezeichen versehen. Kausale Verknüpfungen sind häufig nur vordergründig schlüssig oder werden sogar offensichtlich verzerrt darstellt. Es fällt auf, dass das Ziel der Agitation und nicht das der Information im Vordergrund steht. Militärisch geprägte Ausdrücke wie „Kameraden“ sollen ein gemeinsames aggressives Verhalten gegenüber den Gegnern fördern. Die linke Szene, Ausländer, Homosexuelle und Kapitalisten werden zusätzlich pauschal mit Attributen wie „schwach“ und „dumm“ – also als vernichtenswert – versehen. Als Ziel der Agitation wird diese Vernichtung deutlich herausgestellt. Als Fazit ihrer Analyse schließt Konang, dass sich die sprachlichen und argumentativen Strukturen generell denen jeder extremistischen Strömung ähneln. Sie spricht daher strukturell von einer „Sprache des Extremismus“ versetzt mit inhaltlichen Attributen rechtsgerichteter Weltsicht.
Buchtitel auf der Leipziger Buchmesse
Buchtitel auf der Leipziger Buchmesse

Gesche Gerdes Beitrag zum Fanzine „Der Foiersturm“ aus Dresden analysiert zunächst die typischen Rubriken eines Fanzines, wie sie sich bereits in den vorstehenden Artikeln gezeigt haben, auf ihre Kommunikationsfunktion. Sie nennt drei Hauptfunktionen: Informationsfunktion (durch Veranstaltungshinweise), Stabilierungsfunktion (durch Berichte und pseudohistorische Artikel) und Vernetzungsfunktion (durch Leserbriefe, Interviews etc.). Das hier besprochene Magazin ist in seiner gesamten Aufmachung klar an eine jugendliche Leserschaft gerichtet. Durch die Verwendung bestimmter sprachlicher Mittel wird die eigene Ideologie verfestigt, bzw. es werden die Feinde der eigenen Gruppe stigmatisiert. Gerdes geht vor allem auf die sprachlichen Konstruktionen von Feindbildern ein und stellt die häufige Verwendung von negativ konnotierten Synonymen oder Neologismen heraus. Durch die Neuschöpfungen werden einige Bedeutungsbestandteile des Begriffs akzentuiert und in das Weltbild der Benutzergruppe integriert. So werden im „Foiersturm“ z.B. Polizisten als „Volksbeschützer in Kampfausrüstung“ oder „Schlagstockschwinger“ betitelt, es wird sich also einer Gewaltmetaphorik bedient, um Emotionen anzuregen und Abneigung zu erzeugen. Gerdes analysiert diese Wortschöpfungen für verschiedene Feindbilder der rechten Szene und stellt die Folge dieser allgegenwärtigen Konstruktionen klar heraus: Es wird eine drohende Verschwörung von Außen inszeniert. Zum einen wird dadurch der Zusammenhalt der Gruppe gestärkt und zum anderen beansprucht man ein Wahrheitsmonopol. Darüber hinaus macht die Autorin auf das biologistisch-rassistische Vokabular des „Foiersturms“ aufmerksam. Ausdrücke wie „Herrenrasse“ in Verbindung mit Verweisen auf die germanische Mythologie sollen darüber hinaus auch das Aggressionspotential gegenüber den konstruierten Feindbildern legitimieren. Die Herausgeber des „Foiersturm“ appellieren also an die Emotionen der Leserschaft und schüren diese durch einen ideologisch aufgeladenen und einseitig verzerrten Sprachgebrauch, dessen exklusive Funktion offensichtlich ist.

Im folgenden Beitrag über das Fanzine „Der Aufbruch #2“ von Laura Hörold analysiert die Autorin zunächst einzelne historisch-politischen Texte. Sie macht deutlich, wie in diesem Blatt immer wieder alte Mythen der NS-Zeit herangezogen werden – in diesem Fall der Mythos einer von Hitlers angeblichen Wunderwaffen, die auf nie geklärte Weise verschwunden sein soll – um damit aktuelles weltpolitisches Geschehen aus rechtsextremistischer Sicht beurteilen zu können. Der Autor des Beitrags „Die Flugscheiben des Arthur Sack“ bedient sich im Text der Argumentationsstruktur der Verzerrung, indem er u. a. Namen der Personen nicht vollständig wiedergibt, die die angebliche Wunderwaffe in den Irak gebracht haben sollen. Diese Wunderwaffe wird, in einem Seiten später folgenden Artikel des Magazins, als Grund für das aktuelle Verhalten der USA im Golfkrieg genannt. Auch in der Analyse der weiteren pseudo-historischen Artikel (beispielsweise über die Wehrmacht oder die Organisation Todt), legt Hörold diese Strategie offen: Immer wieder benutzen die Verfasser ausgewählte Tatsachen als angeblich objektive Beweise, welche das beabsichtigt positive Bild über die NS-Zeit untermauern sollen. Konträre Aspekte werden ausgelassen. Die Nähe zu Konstruktion von Verschwörungstheorien wird herausgestellt: Bekannte Tatsachen werden unter Auslassung von widersprechenden Fakten mit einer pseudokausalen Verknüpfung neu zusammengestellt. Im zweiten Teil analysiert Hörold die Interviews mit aktuellen Größen der Szene. Verzerrungsstrukturen werden hier nicht mehr angewandt. Vielmehr werden hier völlig offen rechte Thesen formuliert. Dementsprechend militärisch-aggressiv gestaltet sich auch die Wortwahl. So wird deutlich, dass Texte, die sich auf die deutsche Vergangenheit beziehen, einen wissenschaftlichen, gehobenen Stil vorgeben, während Texte, die einen Bezug zum Heute haben, mit aggressiven und verbotenen Phrasen, welche etwas abgewandelt oder kommentiert werden, ihre Wirkung entfalten sollen.
Demo in Treptow 2007. "Nationaler Sozialismus ist machbar, Herr Nachbar"
Demo in Treptow 2007. "Nationaler Sozialismus ist machbar, Herr Nachbar"

Neonazibekenntnisse auf einer Demonstration in Treptow im Dezember 2007

Marcus Engert vergleicht in seinem Beitrag vier rechtsgerichtete sächsische Magazine (Declaration of war, Der Stahlhelm, Der Erzgebirgler, White Victory) aus den Jahren zwischen 1995 und 2003. Sein Schwerpunkt liegt auf dem Transport rechten Gedankenguts durch Sprache. Durch das jeweilige Zusammenstellen eines gut untergliederten Zitatenkorpus ermöglicht der Autor einen Vergleich der Hefte bezüglich Inhalt, Stilebenen und Argumentationsstrategien. Deutlich arbeitet er heraus, dass sich die Hefte in ihren Argumentationsstrukturen (Zuschreibung moralischer und sozialer Minderwertigkeit, Selbstdarstellung in der Opferrolle, Übertreibungen etc.) ähneln. Inhaltlich kommt Engert in seiner Analyse zu dem Schluss, dass sich die Hefte und ihre Macher in der Ablehnung der bestehenden Gesellschaftsordnung und des Christentums, in der Überzeugung vom Kampf zur Bildung einer völkischen Gemeinschaft und in der Abgrenzung von der Gegenwartskultur treffen. Allein, die Gegenkonzepte sind schon wieder verschieden. Die Bewertung von Gewalt und Krieg, von Volk und Reich, von Rasse und Kultur wechselt von Heft zu Heft. Die Beiträge unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Bezugnahmen zu Themen (aktuell-politisch oder rückwärtsgewandt), ihrer Intensität aktiv vorgebrachter Forderungen, ihrer Inhalte (Mythologisches, Rezensionen, Veranstaltungsberichte, Werbung) und ihrer sprachlichen Qualität. Engerts Analyse zeigt, wie unterschiedlich sich die Szene, die unter der Bezeichnung rechtextrem zusammengefasst wird, gestaltet.

Der Beitrag von Nora-Maria Jakubetz und Kristin Narr beschäftigt sich schließlich mit der „Mitteldeutschen Jugendzeitung“. Diese ist in fast allen Neuen Bundesländern im Umlauf. Das Zielpublikum ist schon im Titel angelegt. Sogar eine explizite Schulausgabe wurde in einer Auflage von ca. 9000 gedruckt und kostenlos verteilt. Zunächst wird die Redaktion der Zeitung vorgestellt. Sie setzt sich aus bekannten Größen der rechten politischen Szene Deutschlands zusammen. Die Rubriken bestehen aus den üblichen Konzert- und Plattenbesprechungen oder historischen Abhandlungen (die hier allerdings als Schulungsreihe betitelt sind) oder dem politischen Wörterbuch. Als Besonderheit in dieser Zeitung findet sich allerdings ein Heft im Heft: Darin kommen rechte Jugendgruppen zu Wort, die von ihrer Zielsetzung und Arbeit berichten. So wird von den Autorinnen vor allem die Verwendung vieler jugendsprachlicher Elemente in Verbindung mit rechtem Vokabular hervorgehoben. Jakubetz und Narr halten fest, dass diese Elemente im Laufe der Ausgaben trotz der jugendlichen Zielgruppe immer weiter reduziert wurden. In Ausgabe #10 wird Jugendsprache wegen des hohen Anteils an Anglizismen sogar karikiert. Stattdessen war festzustellen, dass auch die Jugendlichen selbst sich durch rechtes Vokabular definieren und abgrenzen wollen und, um die Welt der „ernsten“ Politik mitzutragen, jugendsprachliche Elemente selbst vermeiden.


2.3 Musik

Der dritte Teil des Bandes „Sprache des Rechtsextremismus“ befasst sich vor allem mit Texten rechtsgerichteter Bands und Liedermacher.

Der erste Beitrag „Die rechtsextreme Musikszene im Überblick“ von Julia Opitz will eine Einführung zum Thema geben. Der Text bietet – ausgehend von den ersten Bewegungen im England der 1970er Jahre – einerseits einen zeitgeschichtlichen Überblick über die Entwicklung des Rechtsrock bis heute. Andererseits zählt Opitz auf, wie viele unterschiedliche Musikstile von rechten Bands adaptiert wurden, die aber immer wieder unter dem Begriff „Rechtsrock“ zusammengefasst werden. Sie gibt Kurzdefinitionen zu den Stilen „R.A.C.“, „Oi“, „Black Metal“, „Hatecore“, „Wiking-Rock“, „Neofolk“, „Neue Deutsche Härte“ bis hin zu Balladenfassungen von Liedermachern wie Frank Rennicke. Insgesamt stellt die Autorin einen starken Hang zum Pathos, zur großen theatralischen Geste fest. Dies betrifft nicht nur die sprachliche Umsetzung, sondern auch die dramaturgische Gestaltung der Lieder mit Einblendungen von Donner- und Kampfgeräuschen oder Glockenschlägen. Die Szene nutzt dieses emotionale Potenzial gezielt als „Einstiegsdroge“ für Jugendliche. In jüngster Zeit machte das „Projekt Schulhof“ Schlagzeilen, bei dem Rechtsextremisten eine multimediale CD mit dem Titel „Anpassung ist Feigheit – Lieder aus dem Untergrund“ produzieren ließen. Enthalten waren Musikstücke szenebekannter Bands aus dem In- und Ausland in unterschiedlichen Stilrichtungen. Auch die Bedeutung von Konzertbesuchen stellt Opitz heraus. Sie stärken das Gemeinschaftsgefühl und bilden den Rahmen von Kontaktknüpfungen zwischen den verschiedenen regionalen Szenen. Die bei diesen Veranstaltungen dargebotenen Liedtexte sind häufig radikaler als die jeweiligen CD-Versionen. Schließlich geht Opitz auf die Rechtslage und die verschiedenen Strategien der rechten Musikszene, staatlicher Verfolgung zu entgehen, ein.
Titelblätter rechter Szenezeitungen
Titelblätter rechter Szenezeitungen

Titelblätter rechtsextremer Szenezeitungen

In ihrem Beitrag „Inhalte von rechtsextremistischem Liedgut“ untersucht Nadja Ritter anhand konkreter Textbeispiele die Vermittlung von rassistisch-gewaltverherrlichenden Vorstellungen. Sie macht darauf aufmerksam, dass das gerade bei Rockmusik häufig gehörte Argument, dass die Textinhalte hinter der Musik verschwinden und nicht bewusst wahrgenommen würden, auf den rechtsextremen Rock nicht zutrifft. Seine Liedtexte repetieren Parolen, die jeder seiner Zuhörer meist bereits kennt und die jedem unmittelbar eingehen. In den Texten werden Sekundärtugenden wie Sauberkeit, Solidarität, Ordnungssinn und vor allem Treue (wie in den faschistischen Traditionen immer geschehen) zu Primärtugenden aufgewertet und anderen Gruppierungen abgesprochen. Der Aufruf zum gewaltbereiten Widerstand spielt ebenfalls eine zentrale Rolle in den Inhalten rechtsextremen Liedguts. Geschichtsschreibung wird nach rechter Sicht neu interpretiert. Bei ausnahmslos allen Bands scheint eines der größten Feindbilder „der/das Fremde“. Am vulgärsten und härtesten trifft dies bei der Band „Landser“ zu, die von „Türkenschwein“ über „Fidschi“ & „gelbe Affen“ bis hin zu „Nigger“ wohl nichts im Repertoire der Schimpfwörter auslässt. Phrasen wie „das Boot ist voll“ oder „eine Menschenlawine kommt in Booten angeschwommen“ sind in fast allen Texten vorhanden. Das zweite große Feindbild bilden die „Antifa“, die Linken, die titulierten Punker und „Zecken“. Das Feindbild „Regierung“ findet sich vor allem in der Darstellung als eine „Die-da-oben“-Politik, die mit ihrer Ausländerpolitik – laut Texten – die Jugendlichen in den Rechtsradikalismus treibt. Ritter zeigt auf, dass sich die Feindbilder der rechtsextremen Bands über ein breites Spektrum erstrecken und sich ihre tiefe Abneigung gegen jegliche Art des Verschiedenseins und Andersdenkens richtet. In ihrer Ausdrucksweise greifen die Gruppen dabei auf ein vulgäres Sprachrepertoire zurück, bedienen sich aus dem bekannten Vokabular faschistischer und rassistischer Ideologien und verwenden eingängige Parolen.

Ein Grundthema, das von rechtsextremen Bands immer wieder aufgegriffen wird, ist die nordisch-germanische Mythenwelt. Die konkrete Umsetzung ist das Thema Jolien van de Laars Beitrag „Beziehungen zur germanischen Mythologie in Liedtexten rechtsextremer Bands“. Die heidnische Symbolik wird von den Rechtsextremen vor allem benutzt, weil es dem Selbstverständnis entgegenkommt und weil sie hilft, eine autonome Gegengesellschaft zu formen. Dies wird bereits in der Namensfindung oder der Plattencovergestaltung vieler Gruppen deutlich. Bandnamen wie „Thule“ (eine mythische Insel, auf der die germanische Rasse entstanden sein sollte), „Asatru“ (Asenglaube) und „Division Wiking“ sind keine Seltenheit. Die Bands prangern die Schwäche des bestehenden Systems an und bestärken gleichzeitig den Kampfeswillen bis hin zum eigenen Tod gebündelt mit ewiger Existenzberechtigung. Van de Laar zitiert die Band Thule mit: „klagen wir nicht, wenn uns das Opfer das Leben nimmt“, denn „Wir sind die… zum siegen bestimmt.“ „Asatru“ ergänzt im Lied ‚Hass’ noch: „der Bewegung gehört unser Leben“. Zudem kann mit Analogien zwischen dem Nationalsozialismus und der germanischen Mythologie straflos das Dritte Reich verherrlicht werden. Absolute Hörigkeit gegenüber einem großen Führer wird besungen. Inhalte, sowie Veranstaltungs- und Plattenhinweise sind verschlüsselt, aber für Szeneangehörige identifizierbar. Dadurch vermitteln sie eine Form des ‚Auserwähltseins’, was dem Selbstverständnis der Szene entgegen kommt.
Foto aus rechter Szenezeitschrift: "Antifaschismus ist Geisteskrankheit"
Foto aus rechter Szenezeitschrift: "Antifaschismus ist Geisteskrankheit"

Neonazipropaganda in einer rechtsextremen Schülerzeitung mit Feindbildvokabular aus dem Dritten Reich.

Das zweite Kernstück rechtsextremistischer Texte beleuchtet Cristina Bouse im Artikel „Sprache der Gewalt und der Fremdenfeindlichkeit“. Damit verbunden sind Themen wie Krieg, die Wehrmacht, Ehre, Stolz, die Revolution, die das Ziel hat, über alles „Undeutsche“ zu siegen, sowie der Versuch, die offizielle Geschichtsschreibung für ungültig zu erklären. Bouse bezieht sich auf Kurt Möller, wenn sie schreibt, dass rechtsextremistische Gesinnung durch die Kombination von zwei Grundelementen zu definieren ist: Die „Ideologie von der naturbedingten und deshalb als unveränderbar geltenden Ungleichwertigkeit von Menschen und Menschenrassen sowie die Akzeptanz von Gewalt als personaler Handlungsform“. Das macht ein effektives Vorgehen dagegen schwierig. Als einzige unter allen rechtsextremistischen Bands ist bisher „Landser“ komplett verboten worden, da aus den Texten der Straftatbestand der Volksverhetzung eindeutig hervorgeht. Im Lied „das Reich kommt wieder“ heißt es: „Wir scheißen auf die Bullerei / Skinheads marschieren / die Straße frei / Kanaken, Zecken, all der Dreck / der kommt schon bald für immer weg.“ Durch weitere Zitate betreffender Songtexte belegt Bouse die Analogiebildung vom mutigen Krieger, der zum Opfer wird, das keine wirkliche Chance hatte. Sie legt im Sinne dieser Argumentation den Schluss nahe, dass man sich gegen eine erneute Unterdrückung durch den neuen Feind, die „Berliner Bonzenschar“ und die „Überfremdung“ zur Wehr setzen müsse, um nicht immer wieder unterjocht zu werden. Man gestaltet auf diese Weise ein Feindbild und die gleichzeitige Legitimation zur Gewaltanwendung. Zudem stellt Bouse die monologisch ausgerichtete Struktur von Songtexten und deren emotionale Aufgeladenheit heraus, die keinen Widerspruch zulassen.

Den Abschluss des Kapitels stellt Florian Siebers Artikel „Szeneinterne Skinheadströmungen im Vergleich. Analyse ausgewählter Musikbeispiele“ dar. Die vergleichende Analyse verschiedener Liedtexte beschäftigt sich im weiteren Sinne mit dem Dasein als Skinhead in neuerer Zeit. Untersuchungsgegenstand sind hierbei sechs Songs von sechs unterschiedlichen Skinbands. Die Texte, auf die sich Sieber bezieht, finden sich im Anhang an seinen Beitrag. Als gemeinsames Merkmal hält der Autor fest, dass die Inhalte der ausgewählten Beispieltexte stets personen- bzw. gruppenbezogen sind. Sie referieren entweder auf die Mitglieder der eigenen oder der „feindlichen“ Gesinnung. Letztere wird allerdings kaum näher definiert. Das zu attackierende Ziel der Texte bleibt so möglichst offen. Als Beispiel führt Sieber „Indizintro Rock gegen ZOG“ von „Landser“ an. Die Textstelle Die Schweine, sie werden bezahlen, alle, auf Pfennig und Heller ist semantisch so frei gehalten, dass die Schweine nahezu für alle und jeden stehen können/kann. Der Hörer kann sich demnach aussuchen, wer im jeweiligen Zusammenhang sein bevorzugtes Feindbild sein soll. Ausgehend davon stellt Sieber aber die Unterschiede zwischen den einzelnen Bands heraus. So unterscheiden sich z.B. deutlich die Bewertungen der (Selbst-)Bezeichnungen. Während „Landser“ in dem Lied das pejorative Attribut braun relativiert und in selbstironischer Art und Weise einsetzt, behandelt „Endstufe“ in „Lass dich nicht unterkriegen“ eine ähnliche Problematik, jedoch mit einer anderen Motivation und Handhabe. In der Zeile Die Kommunisten nennen dich Nazischwein erkennt man, dass das Wort Nazischwein keineswegs verharmlost oder ironisch aufgefasst wird. Auch hier werden wieder Feindbilder aufgebaut, die sich verschworen haben, um den Rechtsextremen das Leben als Skinhead schwer zu machen. Während „Kraftschlag“ mit Wörtern wie Reinheit/rein, Rasse, eher dazu tendiert, die theoretisch-ideologischen Grundannahmen des Dritten Reiches zu aktualisieren, stehen Wörter dieses Paradigmas bei den anderen Bands nicht vordergründig im Mittelpunkt. Sie beziehen sich eher auf das moderne Ideal des nationalen Jugendlichen: Braces (Hosenträger), Jeans, Boots. Ein besonderes Gewicht fällt dabei dem Wort stolz zu – allerdings mit unterschiedlichen Konnotationen. Dieser rassistisch-nationalistische Wortschatz lässt sich wieder bei Oi!-Bands nur schwerlich finden. Viel mehr Interesse ist dem so genannten „Way of life“ gewidmet, dem Zusammengehörigkeitsgefühl der Skinheads. In Texten von „Loikaemie“ und „Volxsturm“ wird jeweils eine klare Abgrenzung zur Gegenseite der nationalen Skinheads gezogen. Sieber kommt es vor allem darauf an, die internen Strömungen der Subkultur der Skinheads zu untersuchen und vergleichend nebeneinander zu stellen. Er warnt davor, von außen Nuancen einfach zu übergehen, die szeneintern entscheidend für die Zugehörigkeit der Bands sowie deren Anhänger zu ihrem jeweiligen Spektrum sind.

2.4 Supplementum


Im vierten und letzten Teil des Bandes „Sprache des Rechtextremismus“ finden sich ergänzende Artikel zum Thema.
Der Beitrag „Rechtsextremismus in der Ukraine“ von Kateryna Prasol vergleicht rechtsgerichtete Strömungen beider Länder. Zunächst unterscheidet Prasol drei Richtungen des ukrainischen Rechtsextremismus: einerseits nationalistische Gruppierungen, deren Tätigkeit auf die der OUN (Organisation der ukrainischen Nationalisten) Anfang/Mitte des 20. Jahrhunderts zurückzuführen ist. Diese heben die ukrainische Idee hervor, und deren Fremdenfeindlichkeit richtet sich vorwiegend gegen Russen, Polen, Rumänen. Hierzu gehört auch die Organisation „Trysub“, auf die die Autorin im Besonderen eingeht. Weiterhin bilden Vertretungen der internationalen rechtsextremistischen Organisationen diese Szene in der Ukraine. Solche Gruppierungen weisen geringe Unterschiede zu denen in Deutschland auf. Sie nutzen Musik, um junge Mitglieder anzuziehen. Dennoch unterliegen sie kulturell bedingten Anpassungen. In diesem Fall handelt es sich um die ukrainische Mythologie, Geschichte u.Ä. Die dritte Richtung im ukrainischen Rechtsextremismus stellen slawische rechtsextreme Organisationen dar, deren Aktionen vorwiegend antisemitisch sind bzw. sich gegen nichtslawische Völker, insbesondere Tataren und Asiaten, richten. Die Gruppierungen scheinen untereinander gut vernetzt und sich nicht feindlich gesonnen, wie die Autorin durch eigene Internetrecherche nachvollzieht. Im Unterschied zum deutschen Rechtsextremismus nennt Prasol als gemeinsames Element all dieser Gruppierungen die Vereinigung der nationalen Idee mit dem orthodoxen Glauben. Als erstaunlich fällt allerdings die NS-Symbolik und -Ideologie auf, die im Rahmen des ukrainischen Rechtsextremismus – auch der erstgenannten Gruppierung – oftmals aufgegriffen wird, obwohl dies meistens der eigentlichen Ideologie der national orientierten Programme widerspricht. Die Verwendung des deutschen Wortschatzes im Rahmen eines national ausgerichteten Programms scheint nicht nur widersprüchlich, sondern auch merkwürdig im Sinne der erklärten nationalen Hoheit, und zwar eines ausgesprochenen Bezuges auf die ukrainische Geschichte. Abschließend beurteilt Prasol rechtsextreme Phänomene in der Ukraine als eine Vermischung diverser widersprüchlicher Argumentationen und Hintergründe.

Als abschließender Artikel findet sich der Beitrag von Florian Müller, Mira Sommer und Franziska Thiel zu „Funktionen der Sprache in rechtsradikalen Medien“. Er fungiert als Zusammenfassung der Thesen des Sammelbandes und zeigt diese in Kurzform unter den Punkten Themenwahl, Argumentationsstruktur, Wortwahl und Stilebene, graphematische und symbolische Mittel und Zielgruppen rechtsgerichteter Fanzines nochmals auf. Auch der Ideologietransport durch Musik wird nochmals zusammengefasst und darauf hingewiesen, dass eine Verharmlosung der Szene trotz all ihrer unterschiedlichen Erscheinungsformen und ihrer oftmals unprofessionell scheinenden Machart gefährlich wäre.

Das lohnende Buch ist jetzt mangels Fördergeldern eigenfinanziert erschienen: im Hamuoda-Verlag Leipzig.



www.mut-gegen-rechte-gewalt.de.
Fotos: Kulick
Mehr über die Forschungsergebnisse aus Leipzig.

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Neonazis in treptow 2007 mit Banner: "National befreite Zonen fangen im Kopf an"