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„Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics“


Der Nationalsozialismus ist ein ernstes Thema. Gleiches gilt für Rassismus und Antisemitismus. Dennoch sucht auch das vermeintlich heitere Medium Comic die Auseinandersetzung und bringt dabei Vorteile mit sich. Eine Rezension.


Von Katharina Weile


Woran denkt man wohl als erstes, wenn man das Wort Comic hört? Wahrscheinlich assoziieren die meisten damit Superhelden, die gegen das Böse kämpfen oder heitere Geschichten von Menschen in Tiergestalt. Im Allgemeinen wird dem Comic unterstellt ein Medium der Unterhaltung zu sein, dass sich in erster Linie an Kinder und Jugendliche richtet. Und aus eben jenem Grund solle oder könne sich dieses Medium nicht mit ernsthaften Themen wie Neonazis, Rassismus und Antisemitismus auseinandersetzen.

Mehr als heitere Bildergeschichten


Dass es sich dabei um eine Fehleinschätzung und eine Meinung weitab von der Realität handelt, versucht der von Ralf Palandt herausgegebenen Tagungsbandes „Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics“ darzustellen, der aktuell beim Archiv der Jugendkulturen erschienen ist.

Schon dass dieser Sammelband 450 Seiten umfasst und über 20 Experten aus den verschiedenen Disziplinen das Thema aus vielen Blickwinkeln beleuchten, macht deutlich, dass das Medium Comic weit mehr als Unterhaltung in Form von Superman, Donald Duck und Mickey Maus bietet. Für den Herausgeber Ralf Palandt, der unter anderem Gründungsmitglied der Gesellschaft für Comicforschung war und sich schwerpunktmäßig für politische Comics interessiert, war diese Veröffentlichung offensichtlich eine Herzensangelegenheit.

Comics – ein Instrument beider Seiten


In seinem umfangreichem Vorwort widmet sich Ralf Palandt der Darstellung verschiedenster Comic-Formen und Intentionen und macht dabei deutlich, dass diese Medium sowohl „von rechts“ als auch „gegen rechts“ genutzt wird. Palandt widerlegt die weitverbreitete Behauptung, dass es keine Comics gebe, die neonazistische, rassistische oder antisemitische Meinungen beinhalten und diese weiterverbreiten wollen, anhand zahlreicher Beispiele. Nicht nur im Dritten Reich wurden Comics genutzt, um ideologische Stereotype zu verbreiten, sondern auch heute nutzen Neonazis und die NPD dieses Medium im „Kampf um die Köpfe“ in vergleichbarer Weise. Die ersten drei Hauptkapitel „Comics in rechten Printmedien“, „Comics im Faschismus“ und „In der Diskussion: rassistische und antisemitische Stereotype“ zeigen das beispielhaft.

Doch wenn Comics so gezielt zur Verbreitung und Festigung rassistischer und antisemitistischer Stereotype eingesetzt werden, muss dies auch umgekehrt funktionieren. Wie – mehr oder minder erfolgreich – staatliche Institutionen und NGOs versuchen Comics zur Vorbeugung und Aufklärung zu nutzen, wird in dem Kapitel „Comics gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ erläutert. Als Reaktion auf „Comics von rechts“ wollen diese historische Ereignisse darstellen und Aufklärungsarbeit leisten. Je nach Vorwissen des Lesers wird dieser über die Zahl der Comics, die sich mit den schwierigen Themen NS-Zeit und Holocausts beschäftigen mehr oder weniger überrascht sein. Dieses Kapitel liefert neben einem aufschlussreichen Einblick in die Möglichkeiten, die das Medium Comic eröffnet, auch die Erkenntnis, dass eine solche Form der Darstellung auch immer eine Gratwanderung ist. Trotz guter Absichten ist bei weitem nicht jeder Comic gelungen und empfehlenswert. Trotzdem plädiert dieser Tagungsband für den effektiven Einsatz von Comics im Schulunterricht und in der politischen Jugendarbeit. In diesem Themenbereich liegt wohl der bemerkenswerteste Aspekt des Sammelbandes. Anstatt die Comics, die sich mit dem Thema auseinandersetzen, lediglich zu analysieren, werden auch Beispiele und Möglichkeiten für deren erfolgreichen Einsatz in der Praxis aufgezeigt. In diesem Zusammenhang werden erneut die ausführlichen Präsentationen der „Comics von rechts“ relevant, denn nur wenn man um deren Vorhandensein weiß und ihre Strategie durchschaut, kann man wirkungsvoll etwas entgegensetzen.

Fazit: Lesen lohnt!


Ralf Palandt hat mit dem Tagungsband „Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus“ ein umfangreiches Werk herausgegeben. Die Fülle an Informationen, Bildmaterialien und Themenbereichen bieten tiefgehende Einblicke in das Thema, sodass sich mehr als nur ein Blick in dieses Buch lohnt, unabhängig davon, ob man privat begeisterte Comicleserin ist oder beruflich dieses Medium in der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern einsetzen möchte.

Foto: Cover

Ausstellung in München: Holocaust im Comic

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