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Rassismus 2.0: "Cyber-Racism"

Oft wird das Internet als das demokratisierendes Medium schlechthin betrachtet. Doch im Schatten der Anonymität brechen sich viele Ressentiments Bahn. Wie kann man damit umgehen?

Im Internet sind alle gleich und können sich frei bewegen? Wenn das so einfach wäre. Jessie Daniels ist Dozentin am Hunter College in New York, und Sozialwissenschaftlerin mit dem Schwerpunkt Rassen und Medien. In ihrem neuen Buch, „Cyber-Racism White Racism Online and the New Attack on Civil Rights“ setzt sie sich mit Rassismus im Internet auseinander und forscht wie rechtsextremistische Organisationen ihre Webpräsenz etablieren. Laut Daniels, bezieht sich der Begriff „Cyber-racism“ auf die rassistischen Online-Bewegungen in Europa und Nordamerika. Unter dieser Überschrift wird untersucht, wie das Internet und digitale Medien für die Äußerung von Meinungen und Ideologien rassischer Überlegenheit genutzt werden.

Neonaziumtriebe im Netz


September 1996 schickte Richard Machado per Email Todesdrohungen an 51 asiatischen Studentinnen und Studenten an der Universität California in Irving und bezeichnete sich als ,,Asiatenhasser“. Im April 2004 gab es einen Skandal als das erste Ergebnis für „Jude“ bei der englischsprachigen Googlesuche eine offen anti-semitische Webseite war. Die Website wurde von dem Rechtsextremisten Frank Weltner erstellt, wie auch mehrere mittlerweile deaktivierte Tarn-Webseiten, die angeblich Spenden für die Opfer des Sturm Katrinas sammeln, aber das Geld in Wahrheit für den Betrieb der Jew Watch Webseite nutzen. Rechtsextremische Webseiten inspirieren aber auch Verbrecher wie Bufford Farrow. Im August 1999 eröffnete er das Feuer in einer jüdischen Kindertagesstätte, um Amerika darauf aufmerksam zu machen, dass „Juden getötet werden sollen“. Fünf Menschen, darunter drei Kinder, wurden verletzt. Solche Beispiele, die erklären, welche Formen der Internetrassismus annimmt - von Belästigung, über Propaganda, bis zu Webseiten, die verborgene politische Agenda enthalten - werden im Buch ausführlich dargestellt. Daniels macht deutlich: Neonazis im Internet berühren das wirkliche Leben. Rechtsextreme sind durch verschiedene Internet-Angebote wie YouTube, MySpace oder Foren besser vernetzt sind als je zuvor. Darin sieht Daniels eine Verstärkungsmöglichkeit für die Rechtsextremen. Im Internet besteht für sie die Möglichkeit ausschließlich mit Gleichgesinnten zu interagieren. Wenn das der Fall ist, dann gibt es weniger die Chance, dass während der Interaktion mit anderen ihren Ideen widersprochen wird. Stattdessen finden sie nur Annerkennung und Bestätigung.

Gleichheit in Frage stellen?

Daniels stellt die These auf, dass der Internetrassismus das kollektive Wissen negativ beeinflussen könnte. In der Geschichte jedes Landes gibt es politische Normen, die mühsam erworben wurden - wie die Wahlrechte von Frauen oder die Ablehnung vom Sklavenhandel.,,Die Gefahr des Internetrassismus besteht darin, dass die Gleichheit der Menschen egal welcher Herkunft, nicht mehr eine gemeinsam akzeptierte Tatsache bleibt, sondern ein Konzept wird, das jeder in Frage stellen oder ändern darf“, so Daniels. Sich dagegen zu engagieren, heißt demnach vor allem, demokratische Ideale zu verteidigen.


Der Kampf gegen Internetrassismus

Jessie Daniels schreibt aus ihrem eigenen Kontext. Das Buch stellt grundsätzlich ,,Cyber Racism“ am Beispiel von Amerika dar. Nach Daniels Forschung sind 2.500 von 4.000 Webseiten mit rassistischen Inhalten aus den Vereinigten Staaten. In mehreren Ländern in der EU sind rassistische Webseiten verboten worden. Doch da man in Amerika viel wert auf die Meinungsfreiheit legt, sind viele davon überzeugt, dass das Internet nicht reguliert werden sollte. Anstelle von Verboten wird eine offene Diskussion bevorzugt, in der überzeugende Gegenargumente vorgebracht werden können. Logischerweise kommt es zu den Zusammenstößen zwischen diesen Werten und der Solidarität mit anderen Ländern, die eine Regulierung in dem Kampf gegen Internetrasssismus befürworten. Obwohl Neonazi-Webseiten in Deutschland verboten sind, hat man zu diesen trotzdem einen Zugang über amerikanische Server. Über diesen Interessenkonflikt wird vermutlich noch häufiger in den kommenden Jahren diskutiert werden. Im Fazit ihres Buches betont Daniels die Wichtigkeit der Fähigkeit auch im Internet Spielregelen einer demokratischen Diskussion einzufordern. „Wie wir unsere Vision der sozialen Gerechtigkeit artikulieren könnten, und ob wir uns engagieren in dem politischen Kampf gegen Ungleichheit während dieses Informationalters ist entscheidend für die Fortsetzung der demokratischen Gesellschaft.“

Von Janelle Dumalaon

Foto: Buchcover

Das Buch ist bisher leider nur auf Englisch erschienen. Die Diskussionsforen von „Netz gegen Nazis“ zeigen, wie es gelingen kann, im Internet so zu diskutieren, das Rassismus keinen Platz findet.

Neonazis im Netz immer aggressiver