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Was tun mit Neonazis im Sportverein?

Wie reagieren, wenn sich Rechtsextremismus und Rassismus in Sport- oder Schulfördervereinen breit machen. Oder wenn Neonazis Vereine als Plattform für ihre Zwecke missbrauchen? Antwort gibt eine neue Broschüre der RAA in Mecklenburg-Vorpommern. Ihr Titel: "Im Verein gegen Vereinnahmung". Darin wird das Vereinsrecht abgeklopft, welche Möglichkeiten beispielsweise ein Fussballclub hat, Rechtsextreme ins Abseits zu stellen.

Von Cornelia Neumann

Neben einem juristischen Leitfaden des Vereinsexperten Wolfgang Pfeffer enthält der Ratgeber ein lehrreiches Erfahrungsgespräch mit dem Präsidium des Sportvereins Concordia Lübtheen, das wir nachfolgend abdrucken. Dieser Verein nahm auf seiner diesjährigen Mitgliederversammlung eine Satzungsänderung vor. In der Vereinssatzung heißt es jetzt unter §6 Beendigung der Mitgliedschaft:

(3) Ein Mitglied kann ausgeschlossen werden:
(...)
- bei unehrenhaftem Verhalten innerhalb und außerhalb des Vereins, insbesondere durch Kundgabe rassistischer, antisemitischer oder ausländerfeindlicher Gesinnung sowie rechts- bzw. linksradikalen Gedankengutes.


Vereinsgeschäftsführer Dieter Karczewski und der Schatzmeister, Thomas Pietz, schildern, wie es zu dieser Entscheidung kam:

Was verbirgt sich hinter dem Namen „Lübtheener SV Concordia e.V.“?
Dieter Karczewski: Durch den Zusammenschluss der Sportvereine BSG „Motor“ Lübtheen und BSG „Einheit“ Lübtheen entstand am 7.8.1990 der Lübtheener Sportverein „Concordia“ e.V. Der Verein besteht aus sieben Abteilungen: Allgemeine Sportgruppe, Faustball, Fußball, Gymnastik, Kegeln, Leichtathletik und Volleyball. Das Angebot an sportlicher Betätigung reicht von Wettkampfmannschaften bis hin zum Freizeitsport. Derzeit sind 435 Mitglieder im Verein organisiert. 75  Prozent davon sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

Sie haben Ihre Vereinssatzung geändert. Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewogen?

Thomas Pietz: Eine Weiterentwicklung des Vereins ist nur auf demokratischer Basis möglich. Dazu gab es in der Satzung des Lübtheener Sportvereins „Concordia“ e.V. schon immer klare Aussagen. Der Zuzug rechter Prominenter nach Lübtheen und in seine Ortsteile sowie das Ergebnis zur Landtagswahl 2006 waren für uns der Anlass, die Vereinssatzung in diesem Punkt zu konkretisieren.

Nun ist ein Sportverein auf den ersten Blick eigentlich ein unpolitischer Zusammenschluss mit dem Ziel, sportliche Aktivitäten zu fördern. Warum dann diese Entscheidung ?
Dieter Karczewski: Der Zweck unseres Vereins ist die Pflege und Förderung des Breitensportes, des Kinder- und Jugendsportes sowie des Traditionssportes. Hierbei verfolgt unser Verein ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke. Er ist politisch und konfessionell neutral. Der Lübtheener Sportverein „Concordia“ versteht sich aber schon als Teil des gesellschaftlichen Lebens und existiert nicht in einem politisch freien Raum, den es ohnehin nicht gibt., Mit anderen Worten: eine demokratische Basis verlangt demokratisches Denken und Handeln. Unser Verein ist offen für alle demokratischen Bürger und die Kinder und Jugendlichen, die es werden wollen. Wir beabsichtigen keine Ausgrenzung von unserem Vereinsleben, geben aber Grenzen vor, die unsere Interessen und unser Handeln bestimmen. Der Vorstand, die vielen ehrenamtlichen Übungsleiter und Trainer sehen sich gegenüber den Eltern verpflichtet, dass ihre Kinder in unserem Verein nicht nur sportlich, sondern auch in demokratischen Strukturen betreut werden.

Wie haben Sie als Vorstand diese Satzungsänderung auf den Weg gebracht?
Dieter Karczewski: Seit über einem Jahr fanden im Vorstand sowie in den Abteilungen Einzelgespräche mit Übungsleitern und Trainern statt, um so, durch die inhaltliche Arbeit, die Satzungsänderung bei der Mitgliederversammlung einzubringen und zu verabschieden. So hat die Satzungsänderung sich letztlich aus Diskussionen in den Abteilungen und Übungsgruppen ergeben und war nicht nur ein Vorschlag des Vorstandes bzw. einzelner Personen Wie ich finde ein starkes Stück Demokratie.

Ihr Verein hat sehr viele Mitglieder, wie haben diese auf Ihren Vorschlag reagiert?

Thomas Pietz: Eine übergroße Mehrheit in unserem Verein hat positiv auf diese Satzungsänderung reagiert. Aber es gab auch Einzelmeinungen: „Warum ist das nötig?“ oder „Schon wieder gegen Rechts!“ Die Entscheidung über Satzungsänderungen erfolgt grundsätzlich durch die Mitgliederversammlung.

Wie gestaltete sich die Abstimmung zu diesem Punkt?
Thomas Pietz: Entsprechend unserer Satzung ist die Mitgliederversammlung zwei Wochen vorher im Vereinsschaukasten sowie im amtlichen Bekanntmachungsblatt der Stadt Lübtheen, im „Elbeexpress“, mit der Tagungsordnung und den Satzungsänderungen anzukündigen. Der Beschluss über die Satzungsänderung wurde durch die vielen anwesenden Mitglieder bei der Mitgliederversammlung einstimmig getroffen.

Sind mit dieser speziellen Satzungsänderung für Sie als Vorstand und Verein die Probleme gelöst?
Dieter Karczewski: Nein. Mit der Satzungsänderung fängt die eigentliche Arbeit in unserem Verein erst an. Wir wollen in unserem Verein niemanden ausgrenzen. Wir wollen Demokratie leben und erlebbar gestalten, d.h. in die vielfältige Alltagsarbeit im Verein wollen wir alle einbeziehen und das bei sportlichen Höhepunkten auch immer wieder unterstreichen.

Wie werden Sie als Verein zukünftig mit dieser Thematik umgehen?
Dieter Karczewski: Wir werden genau hinschauen, wer Mitglied in unserem Verein wird, indem wir das Gespräch suchen und auch führen – besonders bei Mitgliedern, die Leitungsfunktionen wie im Vorstand, als Trainer bzw. Übungsleiter bekleiden.

Logo des Lübtheener SV
Logo des Lübtheener SV

Mehr zum Verein: http://www.luebtheener-sv-concordia.de

Was würden Sie aufgrund Ihrer Erfahrung anderen Vereinen empfehlen?
Thomas Pietz: Die Vereine sollten sich ihre Satzung bzw. Ordnungen anschauen. Hierbei ist es wichtig, dass die Verantwortlichen der Vereine das Gespräch mit den Mitgliedern suchen, um eine Satzungsänderung auf den Weg zu bringen. Außerdem ersetzt eine solche Satzungsänderung nicht di  Auseinandersetzung mit dieser Thematik im Vereinsalltag. Wichtig erscheint mir auch die Zusammenarbeit mit den örtlichen Gremien und der örtlichen Verwaltung. Das macht vieles einfacher. Hier bekommt man wirklich Unterstützung mit Rat und Tat.

Vielen Dank, dass Sie uns für diese Fragen zur Verfügung standen. Wir wünschen Ihnen und Ihrem Verein gutes Gelingen und sportliche Erfolge für die Zukunft.

Das Interview führte Cornelia Neumann, RAA-Regionalzentrum für demokratische Kultur Westmecklenburg. RAA steht für:Regionale Arbeitsstelle für Bildung, Demokratie und Integration (www.raa-mv.de).

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Copyright: mut-gegen-rechte-gewalt.de & www.raa-mv.de / Foto: Kulick (gesehen auf einem Bolzplatz in Berlin im Frühjahr 2008)

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hakenkreuz auf einem fußballtor