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Mit einem neu erschienenen Praxishandbuch „Nazis Nerven!“ will die Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände Jugendleiterinnen und Jugendleitern ein nützliches Werkzeug für die tägliche Gruppenarbeit an die Hand geben, um gegen die Unterwanderung durch rechtsextreme Strategien gewappnet zu sein.
Von Anna Brausam
Neonazis versuchen in zunehmendem Maße in Jugendverbänden Fuß zu fassen, um den Wirkungskreis ihrer menschenverachtenden Ideologie zu vergrößern. Von dieser Nazi-Infiltration sind Gewerkschaftsgruppen genauso betroffen, wie Jugendfeuerwehren, Sportvereine oder Pfadfindergruppen. Diese Unterwanderung geschieht jedoch meist nicht offensichtlich, sondern vielmehr auf eine sehr subtile Art und Weise: Die Rechten versuchen in den bereits bestehenden Gruppen der Jugendverbandsarbeit ihre menschenfeindlichen Positionen als „normalen“ Teil des Meinungsspektrums zu etablieren. In diesem Kontext präsentieren sie sich als vermeintlich „zu diskutierende Variante des demokratischen Spektrums“ und unterschlagen ihre tatsächliche autoritäre Überzeugung, jedwede Erscheinungsform von Meinungspluralismus zu bekämpfen.
Unterwanderung von Jugendverbänden durch Rechts
Auch der aktuelle Verfassungsschutzbericht für Brandenburg hat erst kürzlich auf diesen beunruhigenden Trend hingewiesen: Neonazis unterwandern in Brandenburg gezielt Sportvereine und organisieren Kampfsportturniere, bei denen sie rechtsextreme Musik abspielen und rechtes Material verkaufen, um neue Zielgruppen für sich zu gewinnen.
Doch wie können Jugendverbände diesen Rechten Strategien erfolgreich entgegentreten? Wie können sie sich gegen einen derartigen Missbrauch schützen? Und wie können sie vor allem Jugendliche schützen? Mit diesen und anderen Fragen hat sich die Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände (AGfJ) intensiv auseinandergesetzt. Die Ergebnisse sind nun von Jan Jetter, Mitarbeiter in der AGfJ, in einem sehr lesenswerten Praxishandbuch zusammengefasst worden. „Nazis Nerven!“ lautet der Titel und soll ehren- und hauptamtliche Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter ermutigen, sich aktiv in ihrem Verbandsleben und ihren Gruppen gegen Rassismus, Antisemitismus und anderen ausgrenzenden Ideologien zu positionieren.
„RechtsRock ist eine Art ‚Einstiegsdroge‘ zur NS-Szene“
In einem ersten Teil gibt das Buch einen Überblick zur Ideologie der Nazis. Dabei werden Begrifflichkeiten, die in diesem Kontext immer wieder auftauchen, wie zum Beispiel Rassismus, Antisemitismus oder Volksgemeinschaft, verständlich für die Leser erklärt. Auch die verschiedenen Organisationsformen der Nazis – von der NPD bis hin zu Autonomen Nationalisten und Rechten Burschenschaften – werden eingehend beleuchtet. In diesem Zusammenhang wird deutlich, wie unterschiedlich, die jeweiligen Strategien der Nazis aussehen, um Jugendliche für ihre rechten Organisationen zu gewinnen. „Eine Art rechter Lifestyle mit eigenen identitätsstiftenden Klamotten, Musik und Symbolen spielt dabei in der Verbreitung menschenfeindlicher Ideologien eine immer wichtigere Rolle“, heißt es in „Nazis Nerven!“. So gelangen Jugendliche oftmals über die Musik in die Neonazi-Szene. „RechtsRock ist eine Art ‚Einstiegsdroge‘ zur NS-Szene, zumal mittlerweile fast jede Musikrichtung ihre Nazivariante hat, ob National Socialist Hardcore (NSHC), nationaler HipHop, völkische Liedermacher, Nazi-Rock oder NS-Black Metal, in jeder Stilrichtung wird der Hass auf Andere verbreitet“, heißt es weiter. Einen immer wichtigeren Stellenwert nimmt aber auch bestimmte Kleidung innerhalb der Rechten Szene ein, um das Gefühl einer gemeinsamen Identität und Gruppenzugehörigkeit zu stärken. Im Buch werden unterschiedliche Klamottenlabel vorgestellt, die in der Nazi-Szene beliebt sind, wie zum Beispiel Thor Steinar. Anhand deren Logos und Szenecodes wird erklärt, welche Bedeutungen diese für die Rechte Szene haben.
Mit diesem Überblick über die Extremen Rechten möchte das AGfJ Jugendarbeitern wichtige Informationen über die Rechte Szene an die Hand geben: Zum einen, um Nazi-Strategien frühzeitig zu erkennen und somit rechtzeitig Maßnahmen dagegen ergreifen zu können; und zum anderen, rechter Propaganda mit einer fundierten Argumentationsbasis entgegenzutreten. „Gerade weil die Rechten oftmals mit Parolen, Halbwahrheiten, offenkundigen Lügen, nicht belegbaren Verschwörungstheorien oder pseudowissenschaftlichen ‚Erkenntnissen‘ argumentieren, ist es sinnvoll, sich im Umgang mit solcherlei ‚Argumentationen‘ zu schulen.“
Wie können sich Jugendverbände gegen Rechts wehren?
So wird im zweiten Teil des Buches darauf hingewiesen, dass Rechtsextremismus im eigenen Verband nicht totgeschwiegen werden darf, sondern offen thematisiert werden muss. Ein fundiertes Wissen über die rechte Szene ist dabei eine Grundvoraussetzung. Eine Fülle von Ansätzen zeigt auf, wie sich Jugendverbände in gemeinsamen Gruppenaktionen gegen Rechts wehren können. Hier kann die Organisation von Aktionen gegen Rechts helfen. Die AGfJ organisiert beispielsweise jährlich die Veranstaltung „respekt* - gegen alltägliche gleichgültigkeit“. Bei diesen Aktionstagen werden in Zusammenarbeit mit dem Pfadfinderinnen- und Pfadfinderbund Nord verschiedene praktische und theoretische Workshops zum Thema Extreme Rechte, Rassismus und Antisemitismus angeboten. Ein unverzichtbarer Bestandteil ist dabei stets das Zeitzeugengespräch. Bei diesem erzählen unter anderem Überlebende des Naziterrors ihre Geschichte der Verfolgung durch die Nazis. „Das Erinnern an die NS-Verbrechen ist ein wichtiger Pfeiler im Kampf gegen den Faschismus, da durch das Erinnern die Vorstellung darüber erhalten bleibt, wie grausam, barbarisch und menschenverachtend der Faschismus ist, wenn er an der Macht ist“, so die jüdische Musikerin und Holocaustüberlebende Esther Bejarano in ihrem Grußwort im Buch „Nazis Nerven!“.
Ein guter Einstieg in das Thema Umgang mit Extremen Rechten
Da das Praxishandbuch „Nazis Nerven!“ vor allem dazu dient, Jugendarbeitern einen ersten Einstieg in das Thema Umgang mit Extremen Rechten bieten zu können, beinhaltet das Buch zusätzlich einen umfassenden Serviceteil. Hier finden sich sowohl Empfehlungen für weiterführende Literatur, als auch Links zu Infoportalen gegen Neonazis und Methodensets. Jugendverbände haben somit die Möglichkeit ihr Wissen zu vertiefen. Abgerundet wird das Buch mit fünf konkreten Praxisvorschlägen für die Gruppenarbeit.
Alles in Allem ist ein sehr lesenswertes Buch entstanden, das Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeitern mehr Sicherheit zum Umgang mit der Extremen Rechten geben kann. „Nazis Nerven!“ stellt damit ein nützliches Werkzeug für die tägliche Gruppenarbeit dar. Mit zahlreichen konkreten Vorschlägen und praktischen Tipps können sie sich gegen rechtsextreme Strategien in Jugendverbänden wappnen. Denn in Jugendverbänden sollen Nazis keinen Platz haben. Also heißt das Motto: Nazis Nerven! bis sie selbst merken, dass niemand ihr menschenfeindliches Gedankengut braucht!
Jan Jetter/ Arbeitsgemeinschaft freier Jugendverbände in Hamburg e.V. (Hrsg): Nazis Nerven! Ein Praxishandbuch für Jugendleiterinnen und Jugendleiter zum Umgang mit der Extremen Rechten. 80 Seiten, DIN A 4, Eigenverlag 2012.
Interessenten können das Buch „Nazis Nerven!“ für einen Unkostenbeitrag von 2 € (incl. Porto) über die AGfJ beziehen. E-Mail: mail@agfj.de