Sie sind hier

Demokratie fällt nicht vom Himmel

“Schools for Society“ heißt ein frisch erschienenes Handbuch über “Learning Democracy in Europe“. Es bietet Vereinen, Stiftungen und weiteren Akteuren aus der Zivilgesellschaft einen umfassenden Einblick in die vielfältige Landschaft der Demokratiebildung an europäischen Schulen.

Von Jan Schwab

Das englischsprachige Handbuch von Susanne Frank und Ted Huddleston richtet sich an Stiftungen, Akteure der Zivilgesellschaft und Multiplikatoren im Schulumfeld. Ziel des Buches ist es, theoretische Ansätze und praktische Umsetzungsmöglichkeiten im Bereich der Demokratiebildung zu erweitern, neue Ideen vorzustellen und die europaweite Vernetzung entsprechender Projekte voranzubringen. “Demokratieentwicklung fällt nicht vom Himmel“, heißt es in Dr. Pia Gerbers Vorwort der neuen, vom Alliance Publishing Trust, dem Network of European Foundations (NEF) und der Initiative for Learning Democracy in Europe (ILDE) herausgegebenen Publikation, die in Zusammenarbeit mit dem Europarat entstand. “Sie muss gelernt und in sie muss ständig investiert werden“, so Gerber. Diese Verantwortung könne nicht ausschließlich auf den Schultern von Lehrkräften und Schuldirektoren abgeladen werden. Hinzu kommt die große Diskrepanz zwischen politischen Absichterklärungen nationaler Regierungen und europäischer Institutionen auf der einen und praktischer Demokratiearbeit in Schulen auf der anderen Seite. Wie in anderen Bereichen wird auch hier von offizieller Seite viel Neues angekündigt, was dann häufig in der Praxis nur unzureichend umgesetzt wird.

An dieser Stelle kommen die Stiftungen ins Spiel: Ihnen kommt die wichtige Aufgabe zu, ihr Know-how und ihre Unterstützung zur Verfügung zu stellen, damit Schulen und Kindergärten Orte werden, an denen Demokratie praktisch vermittelt wird. Denn wo, wenn nicht dort, können junge Menschen am besten die Werte der Demokratie lernen? Die Frage ist nur, wie diese Werte im Einzelnen vermittelt werden, und darauf gibt es innerhalb Europas viele unterschiedliche Antworten.

Demokratische Republik Schule

Der praktische Teil des Buches “Schools for Society“ gibt einen spannenden und äußerst anregenden Einblick in Demokratieprojekte an Schulen zahlreicher europäischer Länder. Da ist zum Beispiel das Spoleczne-Gymnasium nr 20 in Warschau, das in Zusammenarbeit mit der Evens Foundation ein Projekt entwickelt hat, mit dessen Hilfe die Schule in eine “demokratische Republik“ verwandelt wird: Alle Beteiligten, also Schüler, Lehrkräfte, Eltern und Mitarbeiter, sind gleichberechtigte Bürger dieser Republik. Jährlich finden Wahlen zur neuen Schulregierung statt, werden ein neuer Premierminister und ein Parlament gewählt. Die Regierung versucht, die Interessen aller zu repräsentieren. Gelebte Demokratie im Schulalltag statt einer kurzen Abhandlung der Frage: “Wie fülle ich den Wahlzettel richtig aus?“ im Sozialkundeunterricht – für diesen äußerst praktischen Ansatz gewann die Schule sogar einen Preis.

Auch im Bereich der Integrationsarbeit gibt es effektive Ansätze, die nachahmenswert sind. Damit Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund nicht auf der Strecke bleiben, haben sich zwei Berufsschulen in Genua mit der Fondazione per la Scuola della Compagnia di San Paolo zusammengetan. Das Projekt, das in Italien unter dem Namen OASI (Orientamento Assistito Studenti Immigrati) bekannt ist, unterstützt mit Hilfe der “Peer-Tutoring-Methode“ Schüler mit Migrationshintergrund bei der Bewältigung des oft schwierigen Schulalltags und verhindert, dass sie die Schule aufgrund von Sprach- und Integrationsproblemen vorzeitig abbrechen.

Das Handbuch stellt auch einige interessante Projekte aus Deutschland vor. Mit dem Thema Kinderrechte beschäftigte sich beispielsweise ein Projekt, das unter Anleitung der Amadeu Antonio Stiftung an der Löwenzahn-Grundschule im Berliner Stadtteil Neukölln durchgeführt wurde. Anhand der Kinderrechtskonvention überlegten Schüler, Lehrer und Eltern gemeinsam, wie die konkreten Interessen und Belange der Kinder in den Schulregeln einen angemessenen Platz finden können.

Schule als stadtübergreifender Multiplikator

Abgesehen von weiteren Umsetzungsbeispielen aus Frankreich, Großbritannien, Finnland und zahlreichen anderen Ländern bietet “Schools for Society“ einen Theorieteil mit wissenschaftlichen und politischen Perspektiven auf die wichtigsten Herausforderungen für Demokratie im heutigen Europa und entsprechenden Schlussfolgerungen für das Feld der Demokratiebildung. Zudem wird der spannenden Frage nachgegangen, inwiefern Schule mit ihren Projekten auch Vorbildfunktion für die Kommune haben und als stadtübergreifender Multiplikator agieren kann.

Frank, Susanne / Huddleston, Ted (2009): „Schools for Society: Learning Democracy in Europe. A handbook of ideas for action”, Alliance Publishing Trust, London.
ISBN 978 0 9558804 2 1

Download: www.nefic.org/docs/projects/ilde%20handbook.pdf

Link zum Kinderrechteprojekt der AAS


Neue EU-Website für Menschenrechtsprojekte


www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / hk

schools.jpg

Schools for society