Einen schnellen Einstieg in das Thema 'Antisemitismus in der arabischen Welt' bietet ein neues Buch, das der Frage nachgeht, ob Antizionismus und Antisemitismus unterschiedliche Phänomene oder zwei Seiten derselben Medaille sind.
Von
Christopher Egenberger
Der Verein ‚eurient’ aus Leipzig, der sich seit 2004 für eine differenzierte Berichterstattung über den Nahen Osten einsetzt, hat das lediglich zwei Aufsätze umfassende Büchlein ‚“Antisemitismus“ in der arabischen Welt’ herausgegeben. Zum einen sucht darin Walid Abd El Gawad nach Gründen für das „wohlwollenden Interesse“ und die Popularität der Person Adolf Hitlers in vielen arabischen Ländern. Nach Ansicht des Autors ist diese nicht nur der Rolle Nazideutschlands als Gegenpol zur englischen bzw. französischen Kolonialmacht geschuldet, sondern begründet sich in einer stark gekürzten und diverse Aspekte ausblendende Übersetzung von Hitlers ‚Mein Kampf’ ins Arabische. So hätte der libanesische Journalist Louis al-Hadsch im Jahr 1952 die „langatmige, unverständliche Lektüre mit schwacher Argumentation“ derart überarbeitet, dass sie interessant und spannend für das arabische Publikum wurde. Er hätte durch eine sehr flüssige und bildhafte Sprache eine Übersetzung geschaffen, deren Stil „um Stufen besser als der […] Ausgangstext mit seinen langen Schachtelsätzen“ war. Zudem wurden einige Stellen verkürzt oder abgemildert, wie zum Beispiel die geringe Sympathie Hitlers gegenüber den Arabern.
Im zweiten Aufsatz beschreibt Jochen Müller, wie antisemitische Stereotypen und Verschwörungstheorien in den die antikolonialen Kämpfe gewissermaßen fortführenden Antizionismus eingehen, und so der „Dämonisierung des verhassten Feindes und der Legitimierung des eigenen Zorns“ dienen. Dass sich der Begriff "Antisemitismus", der vorrangig durch europäische Erfahrungen geprägt worden wäre, auf arabische Gesellschaften übertragen ließe, bezweifelt aber in einem vorangestellten Streitgespräch der Islamwissenschaftler Omar Kamil. Er fordert, die Phänomene Antisemitismus und Antizionismus in ihren jeweiligen historischen und sozio-politischen Kontext zu betrachten.
Dieses Aufeinandertreffen zweier konträrer Positionen zeigt auf beeindruckende Weise, wie auch einer konsensorientierten interkulturellen Verständigung Grenzen gesetzt werden. Das Büchlein ist interessant für alle, die einen schnellen und kurzen Einstieg in das Thema suchen, bietet aber keine umfassende Auseinandersetzung mit der Problematik des Antisemitismus in der arabischen Welt.
eurient e.V. (Hrsg.), "Antisemitismus in der arabischen Welt. Ein Streitgespräch zwischen Jochen Müller, Omar Kamil und Walid Abd El Gawad, Leipzig 2008.
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de