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Ihr organisiert einen Wahlkampf-Info-Abend oder eine Podiumsdiskussion zu einem aktuellen Thema? Dann solltet Ihr Euch auch auf ungebetene Gäste vorbereiten, um zu verhindern, dass Neonazis das Podium für eigene Zwecke ausnutzen.
Von Katharina Weile
Immer wieder sind Neonazis ungebetene Gäste bei öffentlichen Veranstaltungen. Wie 2007 als sie den geplanten Umzug der Trachten- und Musikvereine im sächsischen Mittweida nutzten, um Fahnen zu schwenken und rechte Parolen zu schreien. 2008 provozierten bei einer Veranstaltung der Grünen im Augsburger Rathaus. 2009 wurde die Gedenkfeier zur Reichspogromnacht mit Parolen und Trillerpfeifen in Dortmund gestört. 2010 bedrängten Neonazis Besucher einer Informationsveranstaltung in Borna-Geithain, bei der Strukturen der neonazistischen Szene und Interventionsmöglichkeiten diskutiert werden sollten.
Gezielte Störung durch Neonazis
Diese vier Ereignisse sind nur ein Bruchteil von zahllosen ähnlichen neonazistischen Aktionen und belegen, dass Neonazis kaum Möglichkeiten ungenutzt lassen, um Aufmerksamkeit zu erlangen und dabei verschiedene Strategien verfolgen. Diese Erfahrungen hat auch die Mobile Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) gemacht: „Es gab in der Vergangenheit schon einige Veranstaltungen, auf denen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der MBR als Referierende etc. anwesend waren, die von rechtsextremen Aktivistinnen und Aktivisten besucht wurden. Das reichte von Vortragsveranstaltungen, über Sitzung von zivilgesellschaftlichen Bündnissen gegen Rechtsextremismus bis hin zu Podiumsdiskussionen demokratischer Parteien.“
Deshalb ist es ein erster, wichtiger Schritt, sich über diese Gefahr Gedanken zu machen. Sowohl eine gezielte Störung der Veranstaltung durch Neonazis als auch deren scheinbar harmlose Teilnahme ist möglich. Letzteres birgt die oft unterschätzte Gefahr, dass Neonazis eine gezielte Strategie der Wortergreifung verfolgen. Das bedeutet, dass sie die Veranstaltung als Plattform nutzen wollen, um ihre Ideologie publik zu machen, die Diskussion mit rassistischen Meinungsäußerungen zu lenken und den Verlauf der Veranstaltung zu bestimmen. „Auch wenn die Rechtsextremen versuchen eher moderat aufzutreten, hat ihre Anwesenheit natürlich eine einschüchternde und bedrohliche Wirkung auf andere Veranstaltungsteilnehmende und macht eine Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in einem geschützten demokratischen Raum unmöglich“, erläutert Annika Eckel von der MBR. Diese Gefahr sollte den Veranstaltenden bewusst sein, damit sie frühzeitig Gegenmaßnahmen umsetzen und sich Handlungsstrategien zurechtlegen können.
Vorbeugen
Grundsätzlich solltet Ihr die Veranstaltung weder gemeinsam mit Neonazis planen noch diese dazu einladen. Diese Entscheidung sollte von allen Mitveranstaltenden begrüßt und konsequent umgesetzt werden. Als deutliches Statement könnt Ihr schon im Vorfeld klarstellen, dass Neonazis unerwünscht sind. „Das wichtigste Instrument ist die Einschränkung des Teilnehmerkreises mit Hilfe des Ausschlusssatzes.“, so Eckel. Das bedeutet, dass bereits im Einladungstext unerwünschte Personen und Personenkreise angeben werden. Eine mögliche Formulierung entwickelte die MBR:
Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die rechtsextremen Parteien oder Organisationen angehören, der rechtsextremen Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.
Da dieser Ausschlusssatz von zentraler Bedeutung ist, muss er auf allen Ankündigungen und Einladungen für die Veranstaltung, egal ob diese per Brief, Flyer oder Plakat, auf Websites oder in Zeitungen beworben wird, abgedruckt sein.
„Meinungsfreiheit“?
Auch mit einer Debatte über die Frage, ob beispielsweise die NPD als offizielle Partei nicht an der Wahlveranstaltung teilnehmen sollte oder ob nicht neonazistische Ansichten als Meinungsfreiheit zu tolerieren seien, ist zu rechnen. Auf diese beiden Fragen gibt es viele, gute Antworten. Solltet Ihr mit einer Partei, die den Nationalsozialismus verharmlost und den Holocaust leugnet, diskutieren? Kann man mit den Vertreterinnen und Vertretern der NPD, die ihre immergleichen Parolen wiederholen, überhaupt diskutieren? Und warum sollte man ihr rassistisches Weltbild tolerieren, wenn die Neonazis selbst nicht nur intolerant, sondern auch gewaltbereit sind? Der beste Weg, die Verbreitung neonazistischer Ansichten zu verhindern, ist es, ihnen einerseits kein Podium zu bieten und andererseits dennoch ihre politischen Ansichten, ihr Auftreten und Handeln zu thematisieren. Denn prinzipiell ist eine Debatte über Neonazis wünschenswert, jedoch keine mit ihnen. Aus diesem Grund empfiehlt die MBR zu Beginn der Veranstaltung Diskussionsregeln bekannt zu geben: „Rechtsextreme, rassistische und antisemitische Äußerungen werden nicht geduldet. Dann ist für alle klar: wer dagegen verstößt wird von der Debatte ausgeschlossen. Ein Ausschluss muss aber immer begründet werden.“
Handeln
Unmittelbar vor und auch während der Veranstaltung haben die Veranstaltenden den Trumpf in der Hand: das Hausrecht. Dieses ermöglicht Euch einerseits, den eindeutig ausgeladenen Personen den Einlass in den Veranstaltungsraum zu verweigern. Hierfür ist ein Ordnungsdienst, der sowohl mit der örtlichen als auch mit der überregionalen Neonaziszene vertraut ist, notwendig, der gewaltfrei, aber bestimmt agiert. Gegebenenfalls könnt Ihr Euch bei Institutionen, die sich gegen Neonazis engagieren, Unterstützung holen. Andererseits bietet das Hausrecht dem Veranstalter auch die Möglichkeit Teilnehmerinnen und Teilnehmer während der Veranstaltung auszuschließen, wenn sie diese „gröblich stören“. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn sich andere Anwesende bedroht fühlen oder der Versammlungscharakter durch Wortergreifungen verändert wird. Auszuschließen sind auch Personen, die Waffen bei sich führen. Gleiches gilt für Anwesende, die gegen Strafgesetze verstoßen, die ein „von Amts wegen zu verfolgendes Vergehen zum Gegenstand haben“, oder dazu aufrufen. Darunter fällt beispielsweise das Zeigen verfassungswidriger Kennzeichen, Volksverhetzung und Körperverletzung. Jedoch ist diese Möglichkeit, nach Einschätzung der MBR, schwer umzusetzen, da eine „gröbliche Störung“ schwer nachzuweisen ist. Deshalb ist die Ausschlussklausel leichter umsetzbar und wirkungsvoller. Unerwünschte Personen haben nach entsprechender Aufforderung die Versammlung sofort zu verlassen. Sollten sie dieser nicht nachkommen, kann die Polizei zu Hilfe gerufen werden, die einen zwangsweisen Ausschluss durchsetzt. Für diesen Fall sollte bereits im Vorfeld Kontakt zur Polizei hergestellt und mögliche Szenarien durchgesprochen werden.
Eine Alternative bietet auch die geschlossene Veranstaltung. Ist der Kreis der Teilnehmenden bekannt, kann die Veranstaltung als nicht-öffentlich angemeldet und so unerwarteter Besuch verhindert werden. Mithilfe einer guten Vorbereitung, einer durchdachten Argumentation und der Durchsetzung des Hausrechts sollte dem Gelingen der geplanten Veranstaltung nichts mehr im Weg stehen.