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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Die studentische Initiative „Uni ohne Arndt“ skandalisiert den Namensgeber der Universität Greifswald: Ernst Moritz Arndt. Arndt war völkischer Nationalist und Antisemit. Prof. Reinhard Bach relativiert die Schriften. Die Studierenden fordern die längst überfällige Umbenennung der Universität.
Von Nora Winter
„Auf zur Rache! auf zur Rache! / Erwache, edles Volk, erwache! / Erhebe lautes Kriegsgeschrei!“, schrieb Ernst Moritz Arndt in seinem Gedicht „Lied der Rache“ 1811. Der Ruf nach völkischer Einheit ging bei Arndt einher mit Antisemitismus und Hass auf Frankreich. „Auf gegen welschen Lügentand / Mit Sturmesschritt im Sprung und Lauf! Ha! hört ihr frech die Welschen tönen? / Für uns das Land, für uns der Rhein!“ dichtete er 1841. In „Weltgeschichte im Aufriß“ heißt es: „Mann sollte die Einfuhr der Juden aus der Fremde in Deutschland schlechterdings verbieten und hindern. [...] Die Juden als Juden passen nicht in diese Welt und in diese Staaten hinein, und darum will ich nicht, daß sie auf eine ungebührliche Weise in Deutschland vermehrt werden. Ich will es aber auch deswegen nicht, weil sie ein durchaus fremdes Volk sind und weil ich den germanischen Stamm so sehr als möglich von fremdartigen Bestandteilen rein zu erhalten wünsche“.
Im Mai 1933 wurde Ernst Moritz Arndt auf Bescheid von Hermann Göring Namenspate der Universität Greifswald. Nach kurzer Pause 1945 wurde der Name zur 500-Jahrfeier 1956 wieder eingeführt. Trotz jahrelanger Kritik von Studierenden und einigen ProfessorInnen nennt die Universität sich bis heute nach dem völkischen Nationalisten. Mehr als tausend Studierende haben sich auf einer Vollversammlung am 17. Juni für eine Umbenennung ausgesprochen. Doch wie an allen Universitäten Deutschlands hat die größte Gruppe der Mitglieder einer Universität das geringste Stimmgewicht. Nur der Senat der Universität kann über eine Änderung entscheiden.
Doch nicht alle sind überzeugt vom Antisemitismus Arndts, der sogar als Vordenker für den Nationalsozialismus gilt. Prof. Dr. Reinhard Bach, Romanist der Universität Greifswald, nennt Arndts Nationalismus und Antisemitismus in einem Interview mit der Ostsee-Zeitung „zeitgenössische Kritik an Liberalismus und Kosmopolitismus“, die damals eben „vor allem auf die Juden zielte, denen man Geldwirtschaft und Zweckmoral anlastete“. Der Vorwurf des Kosmopolitismus und der Wurzellosigkeit sind klassische Elemente des Antisemitismus, die Bach hier offensichtlich verkennt. Auch die Entschuldigung der Arndt’schen Schriften durch den zeitlichen Kontext ist eine Relativierung. Antisemitismus bleibt Antisemitismus. Ob nun 1850, 1939 oder 2009. Die Konsequenzen der gefährlichen Ideologie können sich unterschiedlich auswirken. Doch wir konnten sehen, wohin sie führten.
„Was in der Wissenschaft über Arndt geschrieben wurde, reicht aus, um ihn als völkischen Nationalisten und Antisemiten zu entlarven“, sagt Sebastian Jabbusch von der Initiative „Uni ohne Arndt“. „Er war einer der ersten, die Judentum nicht mehr als religiös, sondern rassistisch definierten“, so Jabbusch. Um den Konflikt zu diskutieren, lädt die studentische Initiative mit Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung zur Podiumsdiskussion. Am Donnerstag, den 23. Juli, um 20.00 Uhr werden im Internationalen Kultur- und Wohnprojekt Prof. Dr. Arno Herzig vom Historischen Seminar in Hamburg, Prof. Dr. Reinhard Bach und Prof. Dr. Werner Buchholz, Historiker an der Universität Greifswald, diskutieren. „Wir wollen, dass die Universität sich überlegt, ob sie mit einem Namen, den Hermann Göring ausgesucht hat, glücklich ist“, fordert Jabbusch.
HEUTE: Donnerstag, 23. Juli, 20.00 Uhr, Greifswald
Podiumsdiskussion zum Namenspatron der Universität Greifswald Ernst Moritz Arndt
Im Internationalen Kultur- und Wohnprojekt, Goethestr. 1, Greifswald