"Ich übergebe Anne Frank dem Feuer''. Mit diesen Worten warfen am 24. Juni 2006 im Ort Pretzien, 20 km südöstlich von Magdeburg, Mitglieder eines neonazistisch beeinflussten Vereins namens "Heimatbund Ostelbien" eine Ausgabe des Tagebuchs von Anne Frank und eine US-Flagge in ein Sonnenwendfeuer. Keiner der Anwesenden schritt ein. Auch nicht der Bürgermeister von der Linkspartei. Erst als der Fall publik wurde, begann ein intensives Nachdenken über die damit verbundene Lähmung der Zivilgesellschaft. Doch mittlerweile tut sich einiges vor Ort - auch durch ein neues Projekt im Rahmen der Initiativen „Vielfalt tut gut“ und „Living Equality“
Von Bernd Wagner
In Pretzien stellte das Zentrum Demokratische Kultur am 12. Februar im Gemeindehaus „Alter Krug“ vor, welche Vorhaben im Rahmen des Programms „Vielfalt tut gut“ des Bundes und des Salzlandkreises bis September 2008 vor Ort geplant sind. In der von Bürgern und Vereinen gut besuchten abendlichen Runde ging es um Geschichte, Werte und demokratisches Selbstverständnis. Veranstaltungen dazu werden verschiedene Interessenten und Gruppen im Dorf ansprechen. Die Themen haben es in sich.
Es geht dabei um die Zukunft in der Gemeinde, ihre kulturellen und geistigen Grundlagen wie auch um die Lebensorientierungen der Jugend in einem humanistischen und weltoffenen Geist. So geht es um den Umgang mit der Dorfchronik auch in ihren heiklen Teilen, um Amerikabilder oder die Folgen von Globalisierung in der rauen deutschen Wirklichkeit. Was soll das Leben im Dorf anregen und fördern, den demokratischen Gemeinsinn stärken, welche Probleme gibt es, wie können Schwierigkeiten gemeistert werden. Die bevorstehende Gemeindefusion wird dafür ein Bewährungsfeld sein. Ideen sind gefragt und Kritik herausgefordert.
Mit dem Verein 'Rückenwind' wollen Gemeinde und Bürger die Jugendarbeit weiter voran bringen. Das Zentrum Demokratische Kultur wird die Gespräche zu den Problemen und Wünschen im Ort weiter fortsetzen und den Rat der Gemeinde und die Bürger über die Ergebnisse auf dem Laufenden halten. Es gibt eine Zusammenarbeit mit dem Programm „Living Equality „ (In Gleichheit Leben) der amerikanischen Ford Stiftung und der deutschen Amadeu Antonio Stiftung. Dabei geht es um die Erschließung von demokratischen Möglichkeiten der gezielten Auseinandersetzung mit menschenfeindlichen Ideologien und Verhaltensweisen im menschlichen Alltag.
Ein streitbarer und beeindruckender Dokumentarfilm zum Entstehen von Rechtsextremismus in der DDR mit Wirkungen bis in die Gegenwart beendete den Abend, der von allen Teilnehmern als anregend empfunden wurde und zum Weitermachen anregte.
Umso erstaunlicher war, dass die Medien das Pressegespräch am Vormittag als auch das abendliche Treffen trotz Einladung mieden. War zu wenig Skandal zu erfahren, fragten sich die Bürger. Lediglich
www.pretzien.de, die offizielle Internet-Plattform des Dorfes ging dem journalistischen Auftrag für die Öffentlichkeit nach.
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