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Rechte Gewalt stabilisiert sich auf hohem Niveau

Die Mobile Opferberatung Sachsen-Anhalt zieht in ihrer Jahresbilanz 2008 ein bedrückendes Fazit. Über 150 Gewalttaten von Rechtsaußen hat die Opferberatung registriert - darunter auch zwei Tötungsdelikte.

In Sachsen-Anhalt ereignet sich statistisch alle zwei bis drei Tage eine rechte oder rassistische Gewalttat. 153 politisch rechts motivierte Gewalttaten mit 226 direkt Betroffenen hat die Mobile Opferberatung (in Kooperation mit der Beratungsstelle für Opfer rechter Straf- und Gewalttaten in Dessau) im Jahr 2008 registriert. Die überwiegende Mehrheit der Opfer war von Körperverletzungen betroffen (191). In mehr als der Hälfte aller von der Mobilen Opferberatung registrierten Fälle
(61%) richteten sich die Angriffe gegen alternative und nicht-rechte Jugendliche sowie junge Erwachsene. 27 Prozent der von der Mobilen Opferberatung registrierten Fälle sind rassistisch motivierte Gewalttaten, die sich gegen MigrantInnen, Flüchtlinge, Afrodeutsche und ausländische Studierende richteten.

Tödliche Dimension rechter Gewalt

Die Mobile Opferberatung hat für das Jahr 2008 zudem zwei rechte Tötungsdelikte registriert: Den Mord an dem 50-jährigen Wohnsitzlosen Hans-Joachim S. am 1. August 2008 in Dessau und den gewaltsamen Tod des 20-jährigen Kunststudenten Rick L. in Magdeburg. Für beide Tötungsdelikte müssen sich derzeit einschlägig vorbestrafte rechte Gewalttäter vor den Landgerichten Dessau und Magdeburg verantworten.
"Unverständlich bleibt, warum das Innenministerium den Mord an Hans-Joachim S. nicht als politisch rechts motiviertes Tötungsdelikt wertet," sagt eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. So hatte die Staatsanwaltschaft Dessau in ihrer Anklage von einem "tiefen inneren Miss- und Verachtung" und einem "Gefühl der Überlegenheit" der Angeklagten gegenüber ihrem völlig wehrlosen, auf einer Parkbank schlafenden Opfer gesprochen. Bei den mutmaßlichen Tätern hatten die Ermittler zudem Hakenkreuzabbildungen und indizierte rechtsextreme Musik auf den jeweiligen Mobiltelefonen festgestellt -- darunter Lieder der Neonazibands "Sturmwehr" und "Zillertaler Türkenjäger". Zudem hat ein Mitgefangener des 34-jährigen Angeklagten Thomas F. im Prozess unter Eid ausgesagt, der Angeklagte habe in der Untersuchungshaft mit der Tat geprahlt und das Opfer als "asozial" und "menschenunwürdig"  bezeichnet.
"Nach den seit 2001 bundesweit einheitlich geltenden Kriterien für so genannte Politisch motivierte Kriminalität Rechts (PMK Rechts) fallen darunter Gewaltstraftaten, die u.a. "(..) gegen eine Person gerichtet sind, wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit, Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, sexuellen Orientierung oder gesellschaftlichen Status und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht."

Die tödliche Dimension rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt wird auch in dem Tötungsdelikt an einem 19-Jährigen in Bernburg deutlich. Vor dem Landgericht Magdeburg muss sich hierfür ein ebenfalls einschlägig vorbestrafter20-jährigen rechten Gewalttäter verantworten. In der derzeit am Landgericht Magdeburg laufenden Hauptverhandlung haben zwei Nebenklagevertreter die Aufhebung eines Strafbefehls über 400 Euro wegen einfacher Körperverletzung gegen einen zweiten am Tatabend in der Wohnung des Täters anwesenden vorbestraften Rechten beantragt. Inwieweit bei diesem Tötungsdelikt ein rechtes Tatmotiv zugrunde liegt, ist nach Ansicht der Mobilen Opferberatung derzeit noch nicht geklärt.

"In allen drei Tötungsdelikten zeigt sich, wie rechte Ideologiefragmente zu einer völlig entgrenzten Gewaltbereitschaft der extrem rechten Täter gegen alle diejenigen führen, die als "anders" oder "schwach" und "minderwertig" empfunden werden," sagt eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. "Dazu trägt auch ein gesellschaftliches und politisches Klima bei, in dem ALGII-Empfänger und sozial Randständige für ihre Situation selbst verantwortlich gemacht und gesellschaftlich immer weiter ausgegrenzt werden. Damit werden ausgerechnet diejenigen, die am wenigsten Zugang zu Hilfe und Unterstützung haben, rechten Gewalttätern schutzlos ausgeliefert."

Kaum Veränderung bei regionalen Schwerpunkten

In 85 Prozent aller von der Mobilen Opferberatung registrierten rechten Gewalttaten haben die Betroffenen Anzeige erstattet bzw. haben die Ermittlungsbehörden Kenntnis vom Geschehen gehabt. Damit hält sich die Anzahl rechter Gewalttaten auf dem hohen Niveau der Vorjahre. Zudem ist davon auszugehen, dass es in den nächsten Wochen und Monaten eine Reihe von Nachmeldungen zu rechten Gewalttaten in 2008 geben wird. So hatte die Mobile Opferberatung beispielsweise zu Jahresbeginn 2008 für das Jahr 2007 eine Anzahl von 151 rechten Gewaltdelikten registriert. Durch Nachmeldungen hat sich diese Zahl auf mittlerweile 183 rechte Gewalttaten im Jahr 2007 erhöht.

Zu den regionalen Schwerpunkten rechter Gewalt im Jahr 2008 gehören -- wie schon in den Vorjahren - u.a. die Stadt Dessau-Roßlau (24) und die Landeshauptstadt Magdeburg. Hier hat die Mobile Opferberatung 21 rechte Angriffe registriert, darunter eine hohe Anzahl von rassistischen Gewalttaten im öffentlichen Raum und insbesondere in öffentlichen Verkehrsmitteln bzw. an Haltestellen. Bei den Tätern handelt es sich neben oft schon polizeibekannten Rechten um rassistische Gelegenheitsschläger. Auch in den Landkreisen Harz (19), Anhalt-Bitterfeld (13), Börde (12) und Burgenlandkreis (10) ist die Anzahl rechter Gewalttaten auf einem hohen Niveau.

Angriffe nach Aufmärschen und gegen nicht-rechte Treffpunkte

Im Vorgehen organisierter rechter Gewalttäter hält der Trend an, dass Aktivisten der rechten Szene und deren Umfeld vor bzw. nach neonazistischen Aufmärschen und NPD-Kundgebungen gewaltsam gegen so genannte politische Gegner vorgehen. Im vergangenen Jahr war dies u.a.
am 6. Dezember 2008 zu beobachten, als Teilnehmer eines Neonaziaufmarschs in Berlin-Lichtenberg auf der Rückreise an Bahnhöfen in Sachsen-Anhalt mehrere Menschen angriffen. Zudem blieben auch im Jahr
2008 soziokulturelle Treffpunkte und Veranstaltungen bzw. Partys und Feiern von alternativen und nicht-rechten Jugendlichen gehäuft Ziel von organisierten Angriffen: Die Täter kommen aus dem Umfeld militanter Neonazikameradschaften oder rechter Cliquen. Beispiele hierfür waren im vergangenen Jahr u.a. mehrere Angriffe von organisierten Rechten auf das soziokulturelle Zentrum ZORA in Halberstadt und das Alternative Jugendzentrum Dessau.

Kampagne "Freie Wahl des Wohnorts: Mehr Sicherheit für Opfer rassistischer Gewalt"


Immer wieder werden Asylsuchende und so genannte Geduldete Opfer z.T.
schwerer rassistischer Angriffe. Aufgrund der besonderen gesetzlichen Bestimmungen dürfen sie aus den Orten, in denen sie angegriffen wurden, nicht wegziehen. Immer wieder lehnen die zuständigen Ausländerbehörden so genannte Umverteilungsanträge von Betroffenen rassistischer Gewalttaten ab, obwohl die Betroffenen nachvollziehbar darlegen, dass sie in den Orten, in denen sie zwangsweise leben müssen, vor weiteren Angriffen keineswegs sicher sind und zudem keine angemessenen Möglichkeiten vorhanden sind, die psychischen Angriffsfolgen zu überwinden. Aktuell unterstützt die Mobile Opferberatung einen Betroffenen eines schweren rassistischen Angriffs in Burg, dem die Ausländerbehörde eine Umverteilung nach Magdeburg verwehrt. Weil Polizeibeamte nach dem Angriff die Personalien der Täter nicht aufnahmen, sind mehr als neun Monate nach danach noch keine Täter festgestellt. Der Betroffene lebt in ständiger Angst, den Angreifern in der Kleinstadt erneut zu begegnen und hat seinen Bewegungsradius erheblich eingeschränkt. "Es ist an der Zeit, dass das Innenministerium durch einen entsprechenden Erlass die Willkür der Ausländerbehörden gegenüber Opfern rassistischer Gewalt beendet und ihnen eine freie Wahl des Wohnorts ermöglicht, damit sie sich sicherer fühlen können," so eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. "Denn nur konkrete Maßnahmen der Unterstützung für Opfer rassistischer Gewalt durch die politisch Verantwortlichen in der Landesregierung setzen den (potenziellen) Tätern Grenzen."

Unterschriften- und Spendensammlung "Für ein würdiges Gedenken an Rick L., Opfer rechter Gewalt in Magdeburg"

Mit einer Unterschriftensammlung fordern derzeit Freundinnen und Freunde des am 16. August 2008 in Magdeburg getöteten 20-jährigen Rick L. von de m Besitzer des Grundstücks, auf dem Rick L. in Magdeburg-Reform starb, ihnen ein würdiges Gedenken an den angehenden Kunststudenten zu ermöglichen. Der in Bremen ansässige Besitzer hat dieses Anliegen bislang verweigert. Nunmehr übersenden FreundInnen des Opfers über 700 Unterschriften an die Grundstücksbesitzer und das Büro des Oberbürgermeisters der Stadt Magdeburg in der Hoffnung, dass ihrem Anliegen entsprochen wird. Darüber hinaus bitten die FreundInnen und Freunde um Sach- oder Geldspenden, um weiterhin Kerzen und Blumenschmuck an dessen Todesort aufstellen zu können. Unter dem Stichwort "Würdiges Gedenken" nimmt der Hilfsfonds für Opfer rechtsextremer und fremdenfeindlicher Gewalttaten" Geldspenden entgegen und leitet sie entsprechend weiter.


Quelle: Mobile Opferberatung Sachsen-Anhalt


www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / ms / Foto: ARD

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Hitlergruß in budapester Diskothek, NDR-Panorama