Überraschend sind im Frühjahr 2008 etliche Neuerscheinungen von Büchern und neuen Webseiten gegen Rechtsextremismus zu vermelden, zuletzt das „Netz gegen Nazis“ als jüngstes Projekt der ZEIT, an der sich die rechte Szene inzwischen reibt. Zu einer für Ratsuchende wahrscheinlich noch lohnenderen Novität könnte dem ersten Anschein nach das Onlineportal www.online-beratung-gegen-rechtsextremismus.de werden. Der überparteiliche Verein „Gegen Vergessen – Für Demokratie“ und die Bundeszentrale für politische Bildung haben es am 15. Mai gelauncht.Von Leon Groh
Neben den üblichen Informationen zu Rechtsextremismus, Adressen und Beispielen aus dem Alltag, mit denen sich Hilfesuchende identifizieren sollen, bietet die Seite eine Online-Beratung, welche es in dieser Form noch nicht gegeben hat. Eltern, Lehrer, Betroffene aber auch potentielle Aussteiger haben hier die Möglichkeit, sich entweder per Email, mit dem Versprechen innerhalb von drei Tagen Antwort zu erhalten, oder aber per Chat von drei geschulten Mitarbeitern persönlich und individuell beraten zulassen. Das ganze völlig unverbindlich und kostenlos. Für potentielle Aussteiger wird vorerst nur ein Erstgespräch angeboten, in welchem dann auf persönlichere Beratungsstellen hingewiesen wird. Ein praktisches Feature: Mit der geografischen Suche findet man durch Eingeben der eigenen Postleitzahl Beratungsstellen in naher Umgebung.
Da die Beratung in der Anonymität des Internets stattfindet, ist das Risiko des Missbrauchs nicht ausgeschlossen. Trotzdem versichert Dr. Andreas Eberhardt, dass die Seite vor feindlichen Angriffen, wie zum Beispiel rechten Hackern, ausreichend geschützt ist.
Warum eigentlich erst jetzt?
Fraglich bleibt, warum Portale und Beratungsstellen dieser Art erst jetzt einen solchen Aufwind erleben. Liegt es nur daran, dass es jetzt erst ein Förderprogramm der Bundesregierung, wie "Vielfalt ist bunt" gibt? Oder dauerte es einfach so lange, bis in der Mitte der Gesellschaft das Problem Rechtsextremismus auch als Problem erkannt worden ist, wie im Fall der ZEIT? Vor zehn Tagen startete mit ähnlichem Vorsatz und vielen Bündnispartnern - von ZDF bis Feuerwehr - deren Beratungsportal, das
www.netz-gegen-rechts.de. Es ist aber zunächst nur für drei Monate geplant, um anschließend ein Buch daraus zu machen.
Irgendwie ist es schade, dass jetzt erst entdeckt wird, wie viel Beratungsbedarf zum Thema Rechtsextremismus eigentlich schon seit Jahren mitten in der Gesellschaft existiert. Das MUT-Portal beantwortet solche Fragen diskret schon seit seinem Bestehen vor 5 Jahren, ob sie von Schülern, aus Familien oder überforderten Verwaltungen kommen. Aber als Einmannredaktion ist MUT am Ende doch oft überfordert. In der Hinsicht tut es gut zu wissen, dass es jetzt neben den Mobilen Beratungsteams (wie dem
www.mbr-berlin.de) noch eine neue, empfehlenswerte Web-Adresse für Ratsuchende gibt:
www.online-beratung-gegen-rechtsextremismus.de. Hoffentlich ebenfalls mit langem Atem und für mindestens 5 Jahre! Denn der Bedarf ist einfach da. Wir wünschen unseren Kollegen bei ihrer Arbeit einen guten Start und gutes Gelingen!
Netz gegen Nazis zeigt erste Wirkung
Unterdessen zeigt das am 5.5. mit großem Werbeaufwand gestartete
Netz-gegen-Nazis der ZEIT erste Wirkung in der rechten Szene. Deren intellektuelles Sprachrohr, die Wochenzeitung Junge Freiheit knöpfte sich in ihrer Internet-Ausgabe vom 13.5. die Website des Holtzbrinck-Verlags vor. Dies jedoch in altbewährter Kampagnenmanier, wie sie auch gelegentlich gegen die erfolgreiche Website von MUT und der Bundeszentrale für politische Bildung
www.bpb.de/rechtsextremismus versucht wird. Nicht die inhaltliche Auseinandersetzung wird gesucht, sondern die Beteiligung langjähriger Fachautoren über das rechtsextreme Spektrum beklagt, die die rechtsextreme Szene logischerweise nicht leiden kann ("Das Zitierkartell der üblichen Antifa-Journalisten gibt sich ein Stelldichein"). Und es wird moniert, dass die Junge Freiheit dort eingeordnet wird, wo sie steht - rechtsaußen. So heißt es in dem Artikel: "Mehrere Dutzend Protestschreiben, auch von langjährigen Abonnenten der
ZEIT, sollen mittlerweile beim
Zeit-Verlag eingegangen sein. Kritik zog insbesondere die Einordnung der konservativen Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT unter die „Lieblingszeitungen der (Nazi-)Szene“ nach sich und die Leichtfertigkeit, mit der der bürgerliche Konservatismus in die Nähe des Rechtsextremismus gerückt wird". Daraus lässt sich lesen: Offensichtlich kann die neue Website der ZEIT ihren ersten Erfolg verzeichnen. Sie tut der rechten Szene weh.
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de. Fotos: Kulick