Derlei politische Courage ist selten: Magdeburgs Stadtrat hat am Donnerstag fraktionsübergreifend mit einer Schweigeminute an den getöteten Studenten Rick L. erinnert. Er war in der Nacht zum 16. August 2008 in Magdeburg so schwer durch Schläge und Tritte eines Neonazis verletzt worden, dass er an seinem eigenen Blut erstickte. Für Samstag, den 6. September riefen nun das Magdeburger Bündnis gegen Rechts, Miteinander e.V. und alle Fraktionen zu einer Kundgebung auf. Das Motto: "Augen auf gegen rechte Gewalt".
Der Demonstrationsaufruf des Magdeburger Bündnisses gegen Rechts (
http://bgrmagdeburg.wordpress.com/) stand unter der Überschrift
"Rick Langenstein von Neonazi getötet – Wir schweigen nicht!". Weiter heißt es:
"In der Nacht zum 16. August wurde Rick in der Nähe der Diskothek “Funpark” von einem Neonazi so schwer geschlagen, dass er wenig später starb. In den ersten Wochen nach Ricks Tod war in den Medien von einem tragischen, aber unpolitischen “Discomord” zu lesen. Jetzt wenige Wochen später ist klar: Rick musste sterben, weil er sich gegenüber einem Neonazi, dem späteren Täter, abgrenzte und ihn als das bezeichnete, was er ist – als einen Nazi.
Von seinen Freund/innen wurde Rick als ruhig, zurückhaltend und freundlich beschrieben. Er ist nicht das erste Todesopfer rechter Gewalt in Magdeburg. In den 1990er Jahren wurden zwei Menschen in Magdeburg von Neonazis ermordet, weil sie Punks waren.
In Magdeburg kommt es immer wieder zu Gewalttaten gegen Menschen, die nicht in das Weltbild von Neonazis passen, weil sie von ihnen als Ausländer oder als alternative Jugendliche wahrgenommen werden. Wir wollen rechte Gewalt in unserer Stadt nicht länger hinnehmen! Wir schweigen nicht! Wir rufen Sie auf, gemeinsam Rick zu gedenken sowie ein entschlossenes und friedliches Zeichen gegen Neonazismus und Gewalt zu setzen bei der Kundgebung "Augen auf gegen rechte Gewalt" - Am Samstag, 6. September, 11.00 Uhr, Breiter Weg / Ernst-Reuter-Allee (vor dem Allee-Center)."
Erklärung aller Stadtrats-Fraktionen
Dem Aufruf schlossen sich einhellig alle Stadtratsfraktionen Magdeburgs an. Auf ihrer Sitzung am vergangenen Donnerstag beteiligten sich alle Politiker an einer Schweigeminute. Der Vorsitzende des Stadtrates, Jens Ansorge, verlas zu Beginn eine weitere, von allen Fraktionen getragene Erklärung. Sie kam spontan auf Initiative der Fraktion von Bündnis90/Die Grünen zustande und lautet:
"'...Zwei Tage nach der Tat nahm die Polizei den wegen gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung und räuberischer Erpressung zu einer Haftstrafe verurteilten Rechtsextremisten Bastian O. fest. Die Staatsanwaltschaft beschreibt den dringend tatverdächtigen Mann als eindeutig der rechtsextremen Szene zugehörig.
Der Stadtrat der Landeshauptstadt Magdeburg verurteilt die schreckliche Gewalttat auf das Schärfste und spricht der Familie des Opfers sein tiefes Mitgefühl aus. Der Stadtrat bringt sein tiefstes Bedauern darüber zum Ausdruck, dass nach den tödlichen Überfällen auf Thorsten Lamprecht 1992 und Frank Böttcher 1997 mit Rick L. das nunmehr vermutlich dritte Todesopfer rechtsextremer Gewalt seit der Wiedervereinigung in der Landeshauptstadt Magdeburg zu beklagen ist.
Die sinnlose und brutale Tötung des jungen Mannes zeigt uns auf tragische Weise eine der Folgen der menschenverachtenden Ideologie der Rechtsextremen. Die Tat erinnert uns auch daran, wie wichtig es ist, jeglichen Aktivitäten rechtsextremer Gruppierungen entschieden und mit allen Mitteln des demokratischen Rechtsstaates entgegenzutreten. Es ist unser Auftrag, als gewählte Vertreterinnen und Vertreter im Magdeburger Stadtrat, rechtsextremem Gedankengut und einem Weltbild, das sich auf den Hass gegen alles Anderssein oder Andersleben stützt, ständig entgegenzuwirken. Dieser Auftrag muss in Zukunft noch stärker ein Teil unserer politischen Arbeit werden....".
Initiativen begrüßen öffentliches Signal
Im Namen des
Bündnis gegen Rechts Magdeburg begrüßte Thomas Weber am Freitag das vergleichsweise einmalige städtische Engagment: „Die kommunalen Mandatsträger einschließlich des Oberbürgermeisters Dr. Lutz Trümper gaben ein klares öffentliches Signal ab. Sie sprachen den Hinterbliebenen des von einem vorbestraften Neonazi getöteten Rick L. ihr Mitgefühl aus und setzten zugleich den Rechtsextremen Grenzen in ihrem menschenverachtenden Handeln“, so Weber.
Als Redner am Samstag haben sich u.a. Rüdiger Koch, stellvertretender Bürgermeister der Landeshauptstadt, Stadtrat Sören Herbst, die Landtagsabgeordnete Lydia Hüskens und eine Mitarbeiterin der Mobilen Beratung für Opfer rechter Gewalt bei
Miteinander e.V. angekündigt.
Zum Hintergrund
Dies ergaben die bisherigen Erlittlungen: In der Nacht zum 16. August 2008 wurde der 20-jährige Rick L. in der Nähe der Diskothek „Funpark“ in Magdeburg-Reform so schwer durch Schläge und Tritte verletzt, dass er an seinem eigenen Blut erstickte. Die Leiche wurde in einem Gebüsch nahe der Diskothek gefunden. Zwei Tage nach der Tat nahm die Polizei den wegen gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung und räuberischer Erpressung zu einer Haftstrafe verurteilten Rechtsextremen Bastian O. fest. Die Staatsanwaltschaft beschrieb den dringend tatverdächtigen Mann nach seiner Festnahme gegenüber den Medien als „eindeutig der rechten Szene zuzuordnen“. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete in seiner aktuellen Ausgabe unter Berufung auf Ermittlerkreise, dass es zuvor in der Diskothek zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den zwei Männern kam, wobei das spätere Opfer Bastian O. als einen „Nazi“ tituliert haben solle. Die Staatsanwaltschaft hat diese Meldung bisher weder dementiert noch bestätigt.
Mehr Infos unter: "Drei Neonazis-Morde im August" (MUT, 2.9.2008)