Vergangene Woche stellten die Autoren Toralf Staud und Holger Kulick in der Berliner Akademie der Künste ihr gerade veröffentlichtes „Buch gegen Nazis“ vor. Mit dabei: Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und Akademie-Präsident Klaus Staeck.
Das „Buch gegen Nazis“ entstand als gemeinsames Projekt der Wochenzeitung DIE ZEIT und der Bundeszentrale für politische Bildung. Zusammengearbeitet wurde mit den Redaktionen „Mut gegen rechte Gewalt“ und „
Netz gegen Nazis“ sowie mit der
Amadeu Antonio Stiftung. Das Ergebnis ist nicht nur äußerst lesenswert, sondern bietet auf 300 Seiten umfassende Informationen über das Thema Rechtsextremismus und vor allem praktische Tipps, wie man sich dagegen wehren und sich für Demokratie engagieren kann.
Anlässlich der Veröffentlichung sprachen Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse und der Präsident der Akademie der Künste Klaus Staeck mit den Autoren und Herausgebern Toralf Staud und Holger Kulick über das Ausmaß von Rechtsextremismus und Perspektiven zivilgesellschaftlicher Arbeit dagegen. Der als freier Journalist tätige Toralf Staud fasste die Situation in Bezug auf die rechte Szene und das Engagement der Demokraten treffend zusammen: „Es gibt eine schlechte und eine gute Nachricht. Die schlechte: die rechtsextreme Szene hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt. Die gute: die Demokraten auch.“ Damit beschrieb er das „Hase-und-Igel-Spiel“, das Neonazis und Demokraten seit vielen Jahren schon gegeneinander spielen. Eine rechtsextreme Organisation oder ein Symbol wird verboten? Kein allzu großes Problem für die Szene, die es immer wieder schafft, die Gesetze der Bundesrepublik geschickt zu umgehen. Neue Organisationen werden gegründet (oder die alten unter neuem Namen), rechtsextreme Identifikationsfiguren und Parolen mit Symbolen und Zahlencodes verschlüsselt. Diese Strategie zwingt die Gesellschaft aber auch, sich langfristig und intensiv mit Rechtsextremismus auseinanderzusetzen – denn verschwinden wird das Problem garantiert nicht so schnell.
Wissen, handeln, erkennen
Im Hinblick auf die NPD-Ergebnisse bei den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen, die für viele Menschen Grund genug waren, voreilig Entwarnung zu geben, sagte Wolfgang Thierse: „Anlass zur Beruhigung gibt es im Moment eher nicht“. In Thüringen sei die NPD nur aufgrund der insgesamt hohen Wahlbeteiligung nicht in den Landtag eingezogen, in Sachsen wäre sie bei einer höheren Beteiligung womöglich nicht mehr reingekommen. Beunruhigend, so Thierse weiter, sei die Tatsache, dass die NPD sich offensichtlich in Teilen Ostdeutschlands eine Stammwählerschaft aufgebaut habe. Zudem habe die Partei eine eigene Stiftung gegründet, die nach dem Wiedereinzug in Sachsen nun auch staatliche Mittel erhalte. „Ich habe mich immer darüber geärgert, dass der Staat seine Feinde mitfinanziert“, stellte Thierse fest. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass Rechtsextremismus aus weit mehr bestehe als nur aus Parteien; dazu gehörten beispielsweise auch die gewaltbereiten Kameradschaften oder Propaganda-Aktionen an Schulen. Weil all das zu unserem Alltag gehöre, sei es so wichtig, sich damit zu beschäftigen: „Deshalb ist dieses Buch so wichtig, denn es wendet sich an die Bürger dieses Landes“.
Das „Buch gegen Nazis“ ist in drei Kapitel unterteilt: „Wissen“, „Handeln“ und „Erkennen“. Nur, wer sich umfassend über die neuesten Entwicklungen in der rechtsextremen Szene, über neonazistische Symbole und Erscheinungsformen und die Strategien der NPD und der DVU informiert, ist am Ende gewappnet gegen Nazis. Die wichtigsten Fragen, die den Autoren im Laufe ihrer Arbeit gegen Rechtsextremismus immer wieder begegnet sind, versuchen sie im Wissenskapitel ausführlich zu beantworten, zum Beispiel: Was ist Rechtspopulismus, wo beginnt Rassismus? Warum eigentlich ist Demokratie besser? Warum hassen Rechtsextremisten die USA? Im Kapitel „Handeln“ werden Fragen behandelt wie: Wo gibt es Hilfe für Opfer rechtsextremer Gewalt? Wie gründe ich eine Initiative und mache auf sie aufmerksam? Oder: Wie reagiere ich, wenn ein Kollege rechte Sprüche macht? Eine wichtige Ergänzung stellt das Kapitel „Erkennen“ dar, das zwar nicht so ausführlich geraten ist wie die beiden anderen, jedoch kurz und knapp die wichtigsten Kennzeichen, Symbole, Codes und Kleidermarken der Neonazi-Szene vorstellt.
Herausgekommen ist ein praktischer Ratgeber für einen offensiven Umgang mit Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit, wie es ihn in dieser Form vor fünf oder zehn Jahren sicherlich noch nicht gegeben hätte. Letzteres bestätigte auch Wolfgang Thierse: „Vor zehn Jahren, als ich anfing, mich mit dem Thema stärker zu befassen, gab es dieses zivilgesellschaftliche Netzwerk, wie wir es heute kennen , noch nicht“. Ein ermutigendes Indiz dafür, dass sich doch etwas zum Positiven ändert, wenn nur genug Menschen aktiv werden.
Das Buch erscheint in zwei Versionen: im Verlag der Bundeszentrale für politische Bildung und bei Kiepenheuer & Witsch. Der Erlös kommt dem
Opferfonds CURA der Amadeu Antonio Stiftung zugute, der Opfer rassistischer und rechtsextremer Gewalt unterstützt.
Jan Schwab
„Das Buch gegen Nazis“, Kiepenheuer & Witsch, 304 Seiten, 12,95 Euro.
ISBN 978-3-462-04160-6