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Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit - Was ist das?

Schülerinnen und Schüler des Schulzentrums Blumenthal diskutieren die verschiedenen Ausprägungen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Die Ergebnisse werden im April in einer Ausstellung präsentiert.


Der von der Amadeu Antonio Stiftung geförderte Projektverbund „Living Equality“ startet mit neuen Initiativen ins Frühjahr. Ein Teilprojekt entsteht in Bremen, wo Schülerinnen und Schüler eine Ausstellung erarbeiten – mit dem Ziel, einem breiten Publikum anschaulich zu vermitteln, was gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit bedeutet.

Jan Schwab


Die Teilnehmer des Politik-Grundkurses am Schulzentrum Blumenthal möchten mehr über das komplexe Thema der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit wissen. Angeregt durch den Kursleiter Tim von Oehsen entstand die Idee zu einer Ausstellung. Im laufenden Schuljahr lernen die Jugendlichen viel über die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland. Dass dazu auch negative Aspekte wie Diskriminierung und Feindseligkeit gegenüber Minderheiten gehören, ist für den Referendar von Oehsen eine Selbstverständlichkeit. Wichtig bei dem Projekt ist es, dass den Schülerinnen und Schülern die Inhalte und die Umsetzung der Ausstellung nicht vorgeschrieben werden – sie sollen alles selbst erarbeiten.

„Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ – was heißt das eigentlich? In seiner Studie „Deutsche Zustände“ untersucht der Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer den Grad der Feindseligkeit gegenüber Minderheiten in der deutschen Gesellschaft. Doch wissenschaftliche Arbeiten erreichen in der Regel nur ein Fachpublikum, während die breite Masse nicht oder kaum von der Thematik erreicht wird. An dieser Stelle setzt der Projektverbund „Living Equality“ an, in dessen Rahmen unter Anderem eine Ausstellung entsteht – entwickelt von Schülerinnen und Schülern aus Bremen.

Spannende Vermittlung eines wissenschaftlichen Themas

Die Arbeitsgruppen in Bremen orientieren sich – genau wie alle anderen Projekte, die im Rahmen von „Living Equality“ entstehen – an der Definition nach Wilhelm Heitmeyer: „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit umfasst verschiedene Einstellungen, die Feindlichkeit gegenüber Gruppen anderer Menschen ausdrücken“. Demnach äußert sich diese feindliche Haltung auf ganz unterschiedliche Weise: Verbale und körperliche Gewalt gegenüber Türken oder Afrodeutschen (Rassismus), Hakenkreuzschmierereien auf jüdischen Grabsteinen (Antisemitismus), frauenfeindliche Äußerungen (Sexismus), Gewalt gegenüber Schwulen und Lesben (Homophobie) – um nur wenige Beispiele zu nennen.

Schüler des Schulzentrums Blumenthal diskutieren die Inhalte der Ausstellung.
Schüler des Schulzentrums Blumenthal diskutieren die Inhalte der Ausstellung.


Allen Elementen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit gemeinsam ist eine Ideologie der Ungleichwertigkeit, d.h. bestimmte Menschen werden als „weniger wert“ erachtet als andere. Die jeweiligen abwertenden Haltungen können also nicht nur getrennt voneinander betrachtet werden, sondern auf ihre Gemeinsamkeiten hin untersucht werden. In der Praxis ergibt sich, dass Menschen, die abwertend über eine bestimmte Gruppe von Menschen denken, oft auch negativ gegenüber anderen Gruppen eingestellt sind. Deshalb vernetzt der Projektverbund „Living Equality“ verschiedene Projekte zu unterschiedlichen Themen, die im Sinne der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ zusammenhängen. Eines dieser Projekte ist die entstehende Ausstellung in Bremen.

Wie das Thema anschaulich und spannend dargestellt und vermittelt wird, bleibt den Projektteilnehmern überlassen. Die Schüler haben schon Interviews mit Muslimen und Juden geführt, um mehr über deren Lebensumstände in Deutschland zu erfahren. Großes Interesse haben die Jugendlichen auch an Menschen und Initiativen, die sich gegen Rassismus engagieren. Es wurden Fotoreihen und Schaubilder erstellt, sogar ein Film ist in Arbeit. Damit effektiv gearbeitet werden kann, werden die einzelnen Themen, d.h. die Elemente der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, unter den drei Kursen aufgeteilt.

Wichtige Lerneffekte

Tim von Oehsen hofft, dass die Ausstellung bei der Bevölkerung großen Anklang findet: „Die Tatsache, dass junge Menschen sich mit dem Thema so intensiv befassen, stimmt mich positiv“. Die jugendliche Begeisterung könnte auch auf Ausstellungsbesucher aller Altersgruppen abfärben. Jedenfalls bietet das Bürgerhaus im Bremer Stadtteil Vegesack, wo die Ausstellung am 14. April gezeigt wird, eine gute Gelegenheit, um das Thema allen Bürgern näher zu bringen. Als Begleitmaterial ist eine Broschüre in Arbeit, in der die Ausstellung vorgestellt wird – auch gut geeignet als Unterrichtsmaterial für andere Schulklassen.

Besonders spannend für den Kursleiter: Zum jetzigen Zeitpunkt kann man noch nicht mit Sicherheit sagen, wie letztendlich die fertige Ausstellung aussehen wird. So wurde im Verlauf der Vorbereitungsarbeiten deutlich, dass bei vielen Schülern kaum oder wenig Hintergrundwissen zu den einzelnen Minderheitengruppen vorhanden ist. Aus diesem Grund war häufig die Einstiegsfrage nicht: Wie äußert sich Antisemitismus? Oder: Was beinhaltet Islamophobie? „Wir mußten im Arbeitsprozeß immer wieder einen Schritt zurück machen und erst einmal klären, was Judentum oder Islam überhaupt bedeuten“, berichtet Tim von Oehsen. „Über die Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Thema setzen sich die Jugendlichen intensiv mit den einzelnen Menschen auseinander, die aufgrund ihrer Minderheitenrolle ausgegrenzt werden“. Ein wichtiger Lerneffekt für alle Beteiligten.


Weitere Informationen zum Projektverbund "Living Equality" finden Sie unter: http://www.living-equality.org 

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Schüler bei der Vorbereitung der Ausstellung.