Sie sind hier

Gegen eine Zukunft, wie Nazis sie sich vorstellen

Am kommenden Samstag wollen Nazis in Leipzig unter dem Motto „Recht auf Zukunft“ demonstrieren. Bei den sieben Naziaufmärschen in der jüngsten Zeit blieb es relativ ruhig. Doch nun regt sich bei vielen Protest. Das Gegenbündnis lädt ein: „Bitte nehmen Sie Platz.“
 
„Wir wollen wieder deutsch sein können“, ist im Aufruf der Nazis zur Demonstration zu lesen. Am Samstag, den 17. Oktober, mobilisiert das „Freie Netz“ in Sachsen unter dem Motto „Recht auf Zukunft“ zur Demonstration nach Leipzig. Das „Freie Netz“ wurde 2007 als „Mitteldeutsches Infoportal der freien Kräfte“ gegründet und ist mittlerweile eine wichtige Internetplattform für die sächsische Naziszene geworden. Regionale Gruppen in Leipzig, Borna oder Zwickau haben Unterseiten. So sind die sächsischen Nazis gut untereinander und auch in angrenzende Bundesländer vernetzt. Maik Scheffler und Thomas Gerlach haben das Infoportal ins Lebens gerufen. Scheffler steht für eine enge Zusammenarbeit von „Freien Kräften“ und der NPD. So hat sich in Leipzig im April 2008 auch eine JN-Zentrale gegründet und das „Freie Netz“ dokumentiert viele JN-Aktivitäten. Die „Freien Kräfte Leipzig“ haben feste Strukturen und treten auch überregional auf. So waren beispielsweise Personen aus den „Freien Kräften Leipzig“ Ordner beim „Fest der Völker“ im thüringischen Pößneck in diesem Jahr. Für die Demo „Recht auf Zukunft“ wird seit einem halben Jahr überregional mobilisiert. Es kann also mit einer höheren Zahl von Teilnehmerinnen und Teilnehmern gerechnet werden.
 
Das Geflecht nazistischer Ideologie
„Recht auf Zukunft“ bedeutet für Nazis: „Wir wollen eine Zukunft für unser Volk und dessen Lebenswillen; wir wollen den Faden unserer großartigen Geschichte weiterspinnen; wir wollen eine Zukunft für Deutschland!“. Wenn Nazis vom Weiterspinnen des Fadens der „großartigen Geschichte“ reden, kann es jede nur gruseln, die ein wenig im Geschichtsunterricht aufgepasst hat. Die Zukunftsvision des Nazi-Aufrufes ist durchsetzt von antisemitischem Antikapitalismus und der Sehnsucht nach dem deutschen völkischen Kollektiv, in dem die einzelne Person vollends aufgeht. Von Individualität bleibt bei dem Naziwunsch nach einer „freien Gestaltung unserer Zukunft und unseres völkischen Lebens“ kein Platz mehr. Der Aufruf zur Demo zeigt das gesamte Geflecht heutiger nazistischer Ideologie. Unterschiede zum Nationalsozialismus lassen sich dabei schwer ausmachen. Jeder Absatz des Aufrufes, der mit „Wir wollen...“ anfängt betont einen Teilaspekt der gesamten Nazi-Weltanschauung, die schon in Deutschland in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Grundlage für den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust wurde. Im Kern sind die „nationalen Sozialisten“ von heute immer noch die Nationalsozialisten von damals. Das Gedankengut ist bis heute immer wieder anzutreffen. Und am Samstag soll es in Leipzig mal wieder kundgetan werden.
 
„Wir lassen uns nicht einschüchtern!“
„Wir tolerieren das nicht“, sagt Juliane Nagel, Pressesprecherin des „Bündnis 17. Oktober“, dass die Demonstration der Nazis nicht einfach passieren lassen will. „Wir werden den Neonazis den Weg versperren, weil diese Ideologien der Ungleichwertigkeit keinen Platz in einer demokratischen Gesellschaft haben dürfen“, so Nagel weiter. Den Aufruf des Gegenbündnisses haben über 700 Personen, Initiativen und Vereine unterschrieben. Nach der geringen Aufmerksamkeit, die die sieben Nazidemos in Leipzig im letzten Jahr erfahren haben, ist das ein großer Erfolg für das Bündnis. Viele Initiativen aus dem Leipziger Osten beteiligen sich – ein Stadtgebiet indem Nazipräsenz kaum zu übersehen ist. So wurden beim Bündnispartner Kulturcafé Knicklicht in der Nacht vom 9. auf dem 10. Oktober Schaufensterscheiben eingeschlagen. Hinweise auf die Täterinnen und Täter gibt es bisher nicht, doch zumindest liegt die Vermutung nahe, dass Nazis am Werk waren. Im Café finden Bündnistreffen sowie Aktionstrainings statt und die Schaufenster werden von Gegenplakaten geziert. Die Betreiberinnen und Betreiber haben auf die Pappen, die nun statt den Scheiben eingesetzt sind, die Nachricht geschrieben „Bitte unterlasst das!“ und die Plakate der Gegenmobilisierung dazu geklebt. „Wir lassen uns nicht einschüchtern!“, sagt Nagel.
 
Bitte nehmen Sie Platz.
Das Bündnis plant für Samstag unter dem Motto „Bitte nehmen Sie Platz.“ verschiedene Aktionen, bei denen für jeden und jede etwas dabei ist. Ab 10 Uhr gibt es an verschiedenen Orten im Leipziger Osten politische Kundgebungen, Kinderfeste und „Wi(e)dersetz-Aktionen“. Letztere haben die Empörung der Leipziger Volkszeitung hervorgerufen. Sie titelte „Behörde in Blockade-Plan involviert“. Gemeint war Berit Lahm von der Fachstelle Extremismus und Gewaltprävention, die in einem Protokoll ihre Unterstützung für das Gegenbündnis kundtat. Dabei ist es doch nur wünschenswert, wenn die Stadt Leipzig und auch die von ihr gewählten politischen Persönlichkeiten wie der Oberbürgermeister sich den Nazis in den Weg stellen. Die Demonstration der Nazis beginnt um 12 Uhr am S-Bahnhof Sellerhausen und geht bis zum Hauptbahnhof. Eine weite Strecke also, auf der es viele Möglichkeiten gibt, nicht nur die im Herbst üblichen Blätter fallen zu lassen. Bleibt zu hoffen, dass es ein kreativer und breiter inhaltlicher Protest ist, der den Nazis ihre Demo vermiest.
 
 

Foto: dsa66503 (Creative Commons); Text: Nora Winter

 

3801919014_2dd9840254.jpg

Demonstranten zeigen ihren Protest gegen Neonazis