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Berlin: Gedenken an russisches Neonaziopfer

In den frühen Morgenstunden des 10. Oktobers 2008 wurde in Moskau der 27-jährige Feodor Vasilevich “Fedjay“ ermordet. Er starb im Krankenhaus infolge mehrerer Stichwunden. Er gehörte zu einer nichtrechten Skinheadgruppe, die sich gegen Neonazis engagierte. Seine Berliner Freunde haben MUT gebeten, folgenden Aufruf zu veröffentlichen, der auch an die russischen Behörden appelliert, Neonazigewalt nicht länger zu vertuschen.

Er ging gegen ca. 7:30 zur Arbeit, als er direkt vor seinem Wohnhaus von vier Unbekannten, die mit Messern bewaffnet waren, angegriffen wurde. Aufgrund der zahlreichen Stichverletzungen wurde Feodor Filatov ins Krankenhaus gebracht. Feodor starb im Krankenhaus ohne wieder zu Bewußtsein zu gelangen. Wir, seine Freunde und Genossen, sind zutiefst betrübt über seinen viel zu frühen Tod.

Wir erinnern uns an Ihn als einen aufrichtigen Freund der weder Fremde in Not, noch seine Genossen und Freunde in bedrohlichen Situationen im Stich ließ. Er gehörte zum Kern der Moscow-Trojan-Skinheads, einem Zusammenschluss antirassistischer SHARP-Skinheads aus Moskau und dem Moskauer Umland. Zur Entwicklung der russischen antirassistischen Skinhead-Szene trug er bei wie kein anderer. Hier in Berlin ist er uns noch in guter Erinnerung: Im Februar 2008 war er für eine Woche zu Besuch, im Mai 2008 besuchten wir ihn in Moskau.

Es gibt keinen Zweifel für uns, dass er für seine antifaschistischen Überzeugungen ermordet wurde. Sein Gesicht war den meisten Neo-Nazis in Moskau und Russland bekannt, auf mehreren russischen “Anti-Antifa“-Websites sind Fotos von ihm veröffentlicht worden. Auch Tatort und Tatzeit lassen keinen anderen Schluss zu, dass Feodor Filatov, gezielt von Anti-Antifa-Aktivisten ausgespäht und anschließend gezielt ermordet wurde. Die Erinnerung an ihn wird ewig in unseren Herzen leben. Ruhe in Frieden, Bruder. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie und seinen Freunden. Wir werden ihn nie vergessen und wir werden niemals vergeben.

In Erinnerung an Fedyaj fand in Berlin am Fr, 17.10.2008 vor der russischen Botschaft Unter den Linden 63-65 eine Gedenkkundgebung statt. Um den Druck auf die russischen Behörden, die den zahlreichen Morden durch rechte Gewalt und dem Anwachsen faschistischer Strukturen tatenlos zusehen, zu erhöhen, fordern wir ausdrücklich dazu auf, sich auch künftig an von uns angemeldeten Kundgebungen zum Gedenken an Fedyaj zu beteiligen.

Spendenbitte

Mit Hilfe der antifaschistischen Kulturinitiative Cable Street Beat (CSB) Gütersloh konnte kurzfristig ein Spendenkonto für Fedyaj eingerichtet werden. Im Fall von Fedyaj werden alleine für seine Beerdigung in Moskau ca. 10.000 Euro benötigt (der Platz auf dem Friedhof muss gekauft werden). Es werden zusätzliche Kosten entstehen, um die Anwaltskosten zu decken. Sollte es zu einer Anklage
kommen, muß der Rechtsanwalt, der die Interessen von Fedyajs Familie vertritt, bezahlt werden.

Ebenso geht es um eine finanzielle Unterstützung von Fedyajs Familie (Mutter und Schwester mit Kind), die aus einfachen Verhältnissen kommen und solche für sie utopisch hohen Summen nicht auftreiben können.Das Spendenkonto wird von CSB verwaltet. CSB Gütersloh hat in Zusammenarbeit mit dem Musik-Label Mad Butcher Records in diesem Sommer einen Benefizsampler für die russische Antifa veröffentlicht.

Nähere Infos hierzu auf folgenden Websites http://www.russland-soli.org/ und www.cable-street-beat.de/ Das Spendenkonto lautet: Sparkasse Gütersloh Kontoinhaber: Jugendclub Courage, Kontonr.: 36493 BLZ: 47850065 Stichwort: CSB - Fedyaj.
sw-portrait
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In den russischen Medien wird bislang gar nicht über den Mord am Antifaschisten Fedyaj berichtet. Lediglich einige wenige Internet-Portale berichten über den Mord. Wir fordern alle sich als antifaschistisch verstehenden Menschen in Deutschland dazu auf, sich diesen Aktionen aktiv anzuschließen.

Wir würden uns insbesondere darüber freuen, wenn sich auch Menschen aus den russischsprachigen Communities beteiligen: „Sieg über den Faschismus“ darf nicht bedeuten, dass man lediglich in nostalgischer Erinnerung auf das Jahr 1945 zurück blickt und die gefallenen Soldaten der Roten Armee, Partisanen und Veteranen ehrt. Gelebter Antifaschismus bedeutet, dass egal
ob im heutigen Russland, der Ukraine, Deutschland oder sonst wo, nationalistischfaschistische
Positionen geächtet werden und faschistische Strukturen bekämpft werden auf allen Ebenen und mit allen Mitteln.

Ein wachsendes Klima des Hasses

Der größte Unterstützer für solche Taten ist ein zunehmendes Klima des Hasses, das durch extremen Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus geschürt wird, während die russische Mehrheitsgesellschaft dieses Klima durch ihre Gleichgültigkeit unterstützt. Die absolute Mehrheit der russischen Strafverfolgungsbehörden stuft die rassistischen Gewalttaten und rechten Morde verharmlosend als „Rowdytum“ (Hooliganismus) und „Bandenkrieg“ ein.

Bei der von uns angemeldeten Kundgebung geht es vor allem darum, mit einem möglichst breit gestreuten Bündnis dem Tod von Fedyaj zu gedenken. Wir kritisieren stark das bisherige Verhalten der russischen Behörden, wie zaghaft sie bislang gegen die rechte Gewalt und politisch motivierten Morde durch Faschisten (von russischen Nationalisten bis hin zu russischen Neo-Nazis), Rassisten und Antisemiten ermittelt. Die Repressionsorgane in Putins „gelenkter Demokratie“ sind zwar „hervorragend“ dazu in der Lage, nahezu sämtliche oppositionellen Organisationen und Bewegungen zu kontrollieren bzw. zu unterdrücken, sie sind bzw. sehen sich aber gleichzeitig nicht in der Lage, organisierte rechtsextreme Strukturen zu bekämpfen. Es gibt einige wenige (sehr rare) Beispiele, in denen russische Strafverfolgungsbehörden den rechtsextremen Hintergrund der Täter in die Urteilsbegründung mit aufgenommen haben und beim Strafmaß berücksichtigten.

Wir sind keinesfalls anti-russisch eingestellt. Auch hier in Deutschland gibt es ein massives Problem mit Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie, etc.. Wir hegen keinen Hass auf die russische Bevölkerung. Im Gegenteil, wir unterstützen unsere russischen Freunde und Genossen im Kampf gegen den erstarkten Faschismus in Russland. Einige von uns sind im regen Kontakt mit
russischen Antifaschisten und besuchen sie regelmäßig in Russland. Ein Gesellschaftsklima, in dem Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und Homophobie und andere Diskriminierungsformen wachsen können, wird von uns kritisiert und bekämpft, egal ob in Russland oder Deutschland.
Auch wenn Sie weiterhin denken sollten, dass es sich hier um eine reine „Antifa- Veranstaltung“ handeln sollte, fordern wir Sie als russischsprachige MigrantInnen und Migranten und natürlich auch alle anderen Menschen ausdrücklich dazu auf, sich an dieser Kundgebung zu beteiligen und gegen die rechten Morde in Russland ein Zeichen zu setzen.

Red & Anarchist Skinheads Berlin/Brandenburg (RASH BB) www.red-skins.de

Zum Thema: Morde wie am Fließband (MUT, 13.2.2008) http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/news/reportagen/russland-rassismus/

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / hk

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Portrait vor dem Reichstag