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Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Dank einer Wanderausstellung und mehrerer Publikationen zu "Arisierung" in Thüringen sind Informationen zu diesem Thema besser zugänglich.
Von Horst Helas
Das Fazit vorweg: Auf dem Gebiet wissenschaftlichen Forschens wie von politischer Bildung ist eine Erfolgsgeschichte zu verzeichnen. In der Projektgruppe „Arisierung in Thüringen“ können Studenten und junge Wissenschaftler der Universität Jena ihre Erkenntnisse zu einem eher spröden Thema öffentlich präsentieren. In Monika Gibas haben sie eine erfahrene wie hartnäckige Mentorin.
Und was nicht in allen Bundesländern heute die Regel ist: In Thüringen fördert eine Landeszentrale für politische Bildung - gemeinsam mit anderen Sponsoren - derartige Bemühungen und ermöglicht ansprechende Präsentationen.
Die Wanderausstellung „Ausgegrenzt. Ausgeplündert. Ausgelöscht“ wurde zuerst ab November 2008 im Erfurter Landtagsgebäude präsentiert. Bereits mit dem Ausstellungstitel verdeutlichen ihre Macher, dass die „Arisierung“ nicht ein unverhofftes Ereignis für alle Beteiligten – Opfer, Täter und Zuschauer – gewesen ist, sondern einen Tiefpunkt in der Kette antijüdischer Maßnahmen in Deutschland seit Januar 1933 darstellte. Für die meisten Betroffenen stand am Ende die Ermordung in einem Vernichtungslager.
Die Rechercheergebnisse sind ernüchternd: Allein bis 1939 waren von der „Arisierung“ 100.000 Firmen betroffen – ausnahmslos alle bis dahin in Thüringen ansässigen jüdischen Unternehmen. Die Ausstellung dokumentiert anhand von Fallbeispielen das konkrete Vorgehen im NS-„Mustergau“ Thüringen. Das gibt den Opfern Namen und Gesichter, aber auch über die Täter und Nutznießer wird konkret informiert.
Neben der Darstellung des zeitgenössischen Geschehens verfolgt die Ausstellung noch ein weiteres Anliegen: „Auch die Geschichte des Umgangs mit dem Unrecht der ‚Arisierung’ nach 1945 soll dabei thematisiert werden“, heißt es dazu im Konzept. Denn obwohl Thüringen als erstes Land nach 1945 ein umfassendes Restitutionsgesetz erlassen hatte, „führte die in der sowjetischen Besatzungszone und dann in der DDR sich etablierende neue Eigentumsordnung dazu, dass Rückübertragungen von Unternehmen und Grundstücken in der Mehrzahl der Fälle nicht stattfanden und so das NS-Unrecht nicht korrigiert, sondern vielmehr zementiert worden ist“, heißt es weiter. „Es kann hier also von einer zweiten Enteignung gesprochen werden. Erst nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 konnten Rückübertragungsforderungen der Nachkommen Gehör finden.“
Die Ausstellung umfasst 34 Stelltafeln und Vitrinen, in denen Originaldokumente gezeigt werden. Die Ausstellung begleitende Lehrmaterialien für Schulen, die die Landeszentrale für politische Bildung Thüringen in Klassensätzen parat hat, ermöglichen eine vertiefende Auseinandersetzung mit den Ausstellungsinhalten aber auch davon relativ unabhängiges Arbeiten für Lehrer wie Schüler.
Bis zum Sommer diesen Jahres machte die Ausstellung in Suhl, Gera und Pößneck Station. Fest vereinbart sind für 2009 / 2010 auch die Orte Eisenach, Kaltensundheim sowie nochmals Jena und Erfurt. Weitere Städte haben ihr Interesse avisiert, darunter Weimar, Meiningen, Altenburg, Nordhausen und Apolda.
Leseempfehlungen zum Thema Arisierung in Thüringen:
„Arisierung“ in Thüringen – Ausgegrenzt. Ausgeplündert. Ausgelöscht , hrsg. von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen (Katalog zur Ausstellung), Leipzig 2009
Ramona Bräu / Thomas Wenzel: „ausgebrannt, ausgeplündert, ausgestoßen”. Die Pogrome gegen die jüdischen Bürger Thüringens im November 1938, Erfurt 2008
„Ich kam als wohlhabender Mensch nach Erfurt und ging als ausgeplünderter Jude davon.“ Schicksale 1933 – 1945, hrsg. Von Monika Gibas, Erfurt 2008
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / fst / Foto: Helas