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Gab es wirklich keinen Antisemitismus in der DDR?

Am 11. September wurde im Ausstellungszentrum „Pyramide“ in Marzahn-Hellersdorf die Ausstellung „Das hat’s bei uns nicht gegeben!“ - Antisemitismus in der DDR eröffnet. 76 Schüler hatten Zeitzeugen befragt und sich in Archiven auf die Suche nach Dokumenten begeben, die belegen, wie präsent Antisemitismus und Rechtsextremismus in der DDR bereits waren - im sogenannten antifaschistischen Staat...

 

Die Ausstellung wurde eröffnet von der Bürgermeisterin des Bezirks Marzahn-Hellersdorf Dagmar Pohle, die sich offenkundig etwas reserviert zeigte - kein Wunder, denn gerade Mitglieder ihrer Partei stehen dieser Ausstellung sehr skeptisch gegenüber, weil sie ungern am antifaschistischen Bild der DDR kratzen lassen. Hellersdorf ist die 22. Station der Ausstellung, seit ihrer Eröffnung im Berliner Roten Rathaus im April 2007 wandert sie durch verschiedene, zumeist ostdeutsche Städte, sie ist bereits ausgebucht bis 2010. „Auf all ihren Stationen löst die Ausstellung intensive Diskussionen über ein Thema aus, das bislang wenig öffentlich besprochen wurde. Das erwarten wir gerade auch in Marzahn Hellersdorf. Die Frage, warum dieses Thema so lange beschwiegen wurde und auch heute von einigen Gruppierungen negiert wird, hat Relevanz für unser gegenwärtiges Demokratieverständnis. Darüber müssen wir reden!“ sagt die Leiterin des Ausstellungsprojekts, Heike Radvan.

Anfeindungen registrierten die Ausstellungsmacher von rechts wie von links und dort besonders von Leuten, die in der DDR in Leitungsfunktionen tätig waren. "Der Antifaschismus ist für diese Leute häufig die letzte Bastion, das Gute an der DDR, was man nicht in Frage stellen lassen will", sagte Radvan am Mittwoch der Nachrichtenagentur epd. Dies führe auch dazu, dass
die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, mit antisemitischen Stereotypen beleidigt werde, so Projektleiterin Radvan. Auch in Mails an das MUT-Portal kommt das zum Ausdruck, die aber so unflätig sind, dass die MUT-Redaktion darauf verzichtet, sie zu veröffentlichen. Auch bei der westdeutschen Linken hätte die Ausstellung Diskussionen angestoßen und Haltungen zum "linken Antisemitismus" verändert. "Das ist alles ein schmerzhafter Prozess", so Heike Radvan.

Nach ihren Angaben fand bei ostdeutschen Lehrern bislang das von der Stiftung angebotene Rahmenprogramm mit Podiumsdiskussion und Workshops verblüffend wenig Anklang. Die Einladung, sich mit Schulklassen daran zu beteiligen, wurde nicht ein einziges Mal wahrgenommen, berichtet Radvan. Dabei haben Schüler maßgeblichen Anteil an der Ausstellung, die von der  Amadeu Antonio Stiftung konzipiert worden ist. 76 Jugendliche hatten in acht ostdeutschen Städten zum Umgang mit Nationalsozialismus und Holocaust in der DDR geforscht. Begleitet wurden sie von Pädagogen und Historikern. Sie haben Fragen gestellt und Fakten recherchiert: Wo befindet sich der jüdische Friedhof und wo sind nach 1950 seine Grabsteine geblieben? Was wurde in der Regionalzeitung über Israel geschrieben? Und wie wurde öffentlich an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert? Ihre Ergebnisse werden in dieser Ausstellung auf 36 Farbtafeln und mit Videostationen präsentiert, im Verlauf der Ausstellung wird es zwei Podiumsdiskussionen geben, über die wir Sie noch informieren.

Mehr zum Ausstellungskonzept: http://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/projekte/schueler-machen-mut/schue...

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: Aus der Eröffnung der Ausstellung in Treptow-Köpenick (Kulick)