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Tod durch Neonazis

Am Dienstagabend wurde in Magdeburg eine bedrückende Ausstellung eröffnet. Vom 4. Februar bis zum 27. Februar 2009 zeigt der Verein Miteinander e.V. in der Magdeburger Stadtbibliothek die Dokumentation „Opfer rechter Gewalt“ mit Porträts von mehr als 135 Menschen, die seit 1990 Opfer einer tödlichen rechten, rassistischen oder antisemitisch motivierten Gewalttat geworden sind.

Von Thomas Weber

In der Ausstellung werden u.a. sechs Opfer rechter Gewalt aus Sachsen-Anhalt porträtiert, darunter der 21-jährige Thorsten Lamprecht, der bei einem Neonaziüberfall auf eine Geburtstagsfeier von Punks in Magdeburg im Mai 1992 tödliche Verletzungen mit einem Baseballschläger erlitt. Ebenfalls zu sehen ist ein Porträt des 17-jährigen Punks Frank Böttcher, der in der Nacht zum 8. Februar 1997 von einem gleichaltrigen Naziskin in Magdeburg-Olvenstedt erstochen wurde. Im Jahre 1998 wurde von Freunden ein Gedenkstein für ihn aufgestellt (siehe Foto). Dieser wurde mehrmals von rechten Jugendlichen geschändet und entwendet. Im Juli des Jahres 2005 wurde ein neuer Gedenkstein vom Magdeburger „Bündnis gegen rechts“ aufgestellt. Anfang Juni 2007 wurde jedoch auch diese Gedenktafel aus Stein mit Werkzeug und grober Gewalt aus der Verankerung gehebelt und gestohlen.

Aktuelle Prozesse als Anlass

Anlass für Miteinander e.V. die Ausstellung zum dritten Mal innerhalb von drei Jahren nach Sachsen-Anhalt zu holen ist zum einen der zwölfte Jahrestag des Todes von Frank Böttcher am 8. Februar 2009. Zum anderen sind im August letzten Jahres in Sachsen-Anhalt drei Menschen Tötungsdelikten zum Opfer gefallen, in denen ein mutmaßlicher rechter Hintergrund derzeit auch Gegenstand von laufenden Ermittlungs- bzw. Strafverfahren ist: Vor dem Magdeburger Landgericht muss sich seit Dezember 2008 der 21-jährige Bastian O. wegen Totschlags an dem 20-jährigen Kunststudenten Rick L. verantworten. Der bekennende und einschlägig vorbestrafte Neonazi hatte u.a. angegeben, Rick L. am 16. August 2008 in Magdeburg angegriffen zu haben, weil dieser ihn als „Hobby-Nazi“ bezeichnet haben soll.

Vor dem Landgericht Dessau hat am 28. Januar 2009 der Prozess gegen zwei Rechte begonnen, denen die Staatsanwaltschaft Mord an einem 50-jährigen Wohnsitzlosen vorwirft. Die beiden Angeklagten haben nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ihr Opfer am 1. August 2008 in der Nähe des Dessauer Hauptbahnhofs u.a. aus Hass gegenüber sozial Schwachen misshandelt. Vor dem Landgericht Magdeburg soll zudem ab Ende Februar 2009 gegen einen vorbestraften Rechten aus Bernburg verhandelt werden, der nach Ansicht der Ermittlungsbehörden den 19-jährigen Marcel W. am 14. August 2008 in Bernburg getötet haben soll.

Foto: Wanderausstellung von Todes-Opfern rechter Gewalt in Magdeburg 2006
Foto: Wanderausstellung von Todes-Opfern rechter Gewalt in Magdeburg 2006

Auf den Tafeln der Ausstellung hat die Künstlerin Rebecca Forner 136 Menschen porträtiert, die Opfer von rechten, rassistischen oder antisemitisch motivierten Gewalttaten wurden. Viele von ihnen wurden getötet, weil für sie im Weltbild der Rechtsextremisten kein Platz ist; manche, weil sie den Mut hatten, Nazi-Parolen zu widersprechen. Einige Schicksale bewegten die Öffentlichkeit, viele wurden kaum zur Kenntnis genommen, vergessen sind die meisten. Die Ausstellung ruft diese Menschen in Erinnerung.

Mordfälle aus Sachsen-Anhalt

Gezeigt wird beispielsweise ein kurzes Porträt von Torsten Lamprecht, der am 9. Mai 1992 bei einem Überfall von etwa 60 Naziskins auf eine Punk-Party in dem Magdeburger Lokal „Elbterrassen“ mit einem Baseballschläger schwer verletzt wurde und an den Folgen der Verletzungen starb.

Erinnert wird auch an Matthias Lüders, der bei einem Überfall von 40 rechten Skinheads auf eine Diskothek in Obhausen am 24. April 1993 zwei Mal brutal mit einem Baseballschläger auf den Kopf geschlagen wurde. Zwei Tage später starb der 23-Jährige Bundeswehrsoldat an den schweren Verletzungen. Das Landgericht hielt der Polizei damals vor, sie sei vorab von dem Angriff informiert gewesen und habe nicht eingegriffen.

Ebenfalls porträtiert wird, wie oben erwähnt, der 17-jährige Frank Böttcher, der am 8. Februar 1997 in Magdeburg-Olvenstedt von einem Naziskinhead an einer Straßenbahnhaltestelle erstochen wurde. Frank Böttcher starb, weil ihm als junger Punk das Recht zu leben abgesprochen wurde.

Die Ausstellung zeigt auch ein Porträt von Helmut Sackers, der am 29. April 2000 in Halberstadt von einem Naziskinhead erstochen wurde, nachdem der 60-Jährige wenige Stunden zuvor die Polizei gerufen hatte, um das lautstarke Abspielen des verbotenen Horst-Wessel-Liedes aus der Wohnung des Skinheads anzuzeigen.

gedebnkstein Alberto adriano Opfer rechter gewalt 111.6.2000
gedebnkstein Alberto adriano Opfer rechter gewalt 111.6.2000

Erinnert wird auch an Alberto Adriano, der am 11. Juni 2000 von drei Naziskins im Dessauer Stadtpark brutal misshandelt wurde und dessen Todestag sich am 14. Juni 2009 zum neunten Mal jährt. Und an den 38-jährigen Willi Worg, der im März 2001 vor einer Diskothek in Milzau von einer rechten Clique so brutal zusammengeschlagen und getreten wurde, dass er wenige Tage darauf seinen Verletzungen erlag.

Die Ausstellung wird vom 4.2. bis zum 27.2.2009 in der Stadtbibliothek gezeigt. Begleitend zur Ausstellung werden kostenlose Workshops für Schulklassen und Multiplikatoren der Bildungsarbeit sowie sonstige Interessierte angeboten. Nähere Informationen sowie Anmeldungen für Führungen sind erhältlich beim Verein Miteinander e.V., Erich-Weinert-Str. 30, 39104 Madeburg, Tel.: 0391-6207754, Email: krumbholz.gs@miteinander-ev.de.

Die Ausstellung wird gefördert im Rahmen des Bundesprogramms „VIELFALT TUT GUT. Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie sowie durch die Landeszentrale für politische Bildung des Landes Sachsen-Anhalt.

Zum Thema:
Nazis gingen gegen Opferausstellung im Eichsfeld vor (indymedia, 5.2.2009)
Wegen Nazimusik beschwert. Erstochen. (MUT, 23.12.2008)
Schon 5 Nazimorde 2008? (MUT, 12.12.2008)
Erst 41 Tote? Die Zählung der Bundesregierung (Tagesspiegel 4.3.2009)
Die Wanderausstellung im Internet: www.opfer-rechter-gewalt.de

www.miteinander-ev.de & www.mut-gegen-rechte-gewalt.de

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Gedenkstein in Magdeburg mit entfernter Plakette