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Aufruf zum 'GehDenken' in Dresden am 13./14. Februar 2009

Viele Jahre hat Dresdens Zivilgesellschaft ohne größere Gegenwehr hingenommen, dass dort Neonazis Mitte Februar ihre mittlerweile größtes Propagandaspektakel veranstalten, um deutschen Weltkriegstoten "die letzte Ehre zu erweisen", wie es in rechten Internetforen heißt und um die deutsche Kriegsschuld zu negieren. Künftig will sich ein bundesweites Bündnis aus Initiativen und Einzelpersonen gegen diese rechtsextreme Propagandashow stellen, bislang blieben lokale Initiativen eher unter sich. In Dresden wurden dazu Mitte Oktober ein Aufruf vorgestellt.

Ein Vorbereitungskreis hat den „AufRuf aus Dresden“ mit über 100 Erstunterzeichnern, aus Politik, Wissenschaft, Kunst, Gewerkschaften, zivilgesellschaftlichen Initiativen und Kirchen bundesweit initiiert, dazu gehören das Kulturbüro-Sachsen.de, die Amadeu Antonio Stiftung und der DGB. Zur Information wurde eine neue Website gelauncht: www.geh-denken.de

Zu den Erstunterzeichnern gehören Künstler wie Smudo oder Klaus Staeck, Vertreter der großen Religionsgemeinschaften in Deutschland, Wissenschaftler, Initiativvertreter, Gewerkschafter und Politiker, darunter auch Altbundespräsident Richard von Weizsäcker, SPD-Chef Müntefering, Grünen-Chefin Claudia Roth, die FDP-Politikerin Hildegard Hamm-Brücher, Gregor Gysi von der Linkspartei und die sächsische Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange. Ende Oktober hatte sich auch der Ministerpräsident a.D. des Freistaats Sachsen, Kurt Biedenkopf, dem Aufruf „GehDenken“ angeschlossen - neben dem Bundespräsidenten a.D., Richard von Weizsäcker, der zweite prominente CDU-Politiker, der den Aufruf unterzeichnet hat. Aber auf Druck der Dresdener CDU zog er seine Unterschrift kurze Zeit später wieder zurück - die wünscht sich als einzige Dresdner Kraft keine Hilfe von außerhalb.

Aufgerufen wird dazu am 14. Februar 2009 in die Sächsische Landeshauptstadt zu kommen und Europas größten Naziaufmarsch zu stoppen – "friedlich und entschlossen". Als Mitmach-Parole gilt beispielsweise: "2009 in Dresden muss es heißen „W I R K Ö N N E N K Ö L N“. In Köln hatten kürzlich mehrere tausend Bürger einfallsreich eine Kundgebung rechtsextremer Parteien aus ganz Europa verhindert.

neonazis in dresden 2006 mit Banner Großvater wir danken dir...
neonazis in dresden 2006 mit Banner Großvater wir danken dir...

Fotos: Neonazis in Dresden im Februar 2006

Der Aufruf lautet wie folgt:

"Rechtsextremisten aus ganz Europa werden für den 13. und 14. Februar 2009 erneut zu ihrem Aufmarsch nach Dresden mobilisieren. Der Aufmarsch anlässlich der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 hat sich in den letzten Jahren zum größten, regelmäßig stattfindenden Treffen von Alt- und Neonazis jeder Couleur in Europa entwickelt.

Wir rufen alle Menschen - Junge und Alte, aus Ost oder West, mit oder ohne deutschen Pass - auf, Rechtsextreme nicht ungehindert durch Dresden marschieren zu lassen. Gerade weil wir als Demokrat/innen das Recht auf freie Meinungsäußerung als hohes Gut schätzen, müssen wir uns denen entgegenstellen, die die unveräußerlichen Menschenrechte mit Füßen treten und die Demokratie beseitigen wollen. Wir rufen daher am 14. Februar 2009 zu Demonstrationen und Kundgebungen auf, um dieser Entwicklung aktiv zu begegnen.

Nachdenken – der Geschichtsverdrehung widersprechen!

Rechtsextreme Großveranstaltungen wie in Dresden fördern bei den Teilnehmenden den Einstieg in demokratiefeindliche Szenen, zelebrieren Zusammenhalt im Sinne einer nationalsozialistischen Identität und dienen der Vernetzung der Rechtsextremisten in ganz Europa. Durch solche revisionistischen Gedenkveranstaltungen werden Traditionslinien zum historischen Nationalsozialismus gestärkt. Die Gleichsetzung der Opfer der Luftangriffe auf Dresden mit den Ermordeten in den Konzentrations- und Vernichtungslager soll den Holocaust verharmlosen.

Während Leningrad, Rotterdam oder Coventry Ziele des deutschen Angriffs- und Vernichtungskrieges waren, wurde Dresden im Zuge der Beendigung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bombardiert. Um der rechtsextremen Propaganda entgegenzutreten, darf dieser Unterschied nicht verwischt werden.

Treffen Sie die richtige Wahl – das Auftakterlebnis der Nazis verhindern!


NPD und Kameradschaften werden versuchen, den Dresdner Aufmarsch als Auftakt für das Superwahljahr 2009 zu nutzen. Dabei hat für sie insbesondere der Wiedereinzug in den Sächsischen Landtag zentrale Bedeutung. Wenn eine erfolgreiche Mobilisierung der Rechtsextremisten für die folgenden Wahlen verhindert werden soll, müssen wir den rechtsextremen Aufmarsch in Dresden stoppen.

Tun Sie was – nutzen Sie die Möglichkeiten!

Seit einigen Jahren haben vielfältige Aktivitäten gegen den rechtsextremen Aufmarsch in Dresden Tradition. Im Jahr 2006 konnte dieser gemeinsam und friedlich blockiert werden. In den Jahren 2007 und 2008 wurden die rechtsextremen Demonstrationen erheblich gestört. An den Erfolgen einer aktiven zivilgesellschaftlichen Mobilisierung der vergangenen Jahre wollen wir 2009 anknüpfen und rufen bundesweit dazu auf, die Rechtsextremisten friedlich und entschlossen in Dresden zu stoppen."'


Denke! Transparenttext in dresden gegen eine nazidemo im februar 2007
Denke! Transparenttext in dresden gegen eine nazidemo im februar 2007

Foto: Beim Dresdener Gegenprotest im Februar 2006

Begründung: "Dresden droht zur Stadt der Bewegung zu werden"

Für die am Aufruf beteiligte Amadeu Antonio Stiftung, zu der auch die Redaktion Mut gegen rechte Gewalt gehört, begründete Timo Reinfrank das Engagement. Nach seiner Ansicht hat der rechtsextreme Aufmarsch in Dresden für den bundesweiten Rechtsextremismus eine zentrale Bedeutung, es sei "die größte rechtsextreme Demonstration seit 1945". Bereits in den 90er Jahren habe der Neonazi und Rechtsterrorist Michael Kühnen Dresden zur „Stadt der Bewegung" ausgerufen, die drohe es jetzt wieder zu werden: "Wenn Dresden sich nicht dagegen wehrt, droht die Stadt zur Frontstadt des europäischen Rechtsextremismus zu werden“, warnte Reinfrank. 

Die Menschen in Sachsen und Deutschland hätten in den letzten Jahren erlebt, wie die Stadt den Neonazis das Feld überlassen habe und die Dresdener Politik der historischen Verantwortung nicht gerecht worden sei:  "Andere Städten haben es vor gemacht, dass man sich den Nazis auch in den Weg stellen kann, wie beispielsweise die Stadt Halbe, die die rechtsextremen Aufmärsche in die Bedeutungslosigkeit geführt hat oder das bayrische Wunsiedel, das sich mit bundesweiter Mobilisierung dem Gedenken an Rudolf Hess entgegen stellt."
Auf der Landespressekonferenz in Dresden
Auf der Landespressekonferenz in Dresden

Auf der Landespressekonferenz in Dresden. Foto: Stanilo Darosta.

Der kommende 13. und 14. Februar habe eine hohe Symbolik, "wenn es nicht endlich gelingt, den Naziaufmarsch zu verhindern und die Bilder der tausenden demonstrierenden Neonazis um die Welt gehen, ist es sehr entmutigend für allen Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus engagieren.“

CDU Dresdens bleibt außen vor

Auf Parteienseite reicht die Unterstützung von der FDP bis zur Linkspartei. Einzig die CDU Dresdens fehlt. „Wir wollen weder rechten noch linken Chaoten eine Bühne bieten“, sagte Dresdens CDU-Sprecher Andreas Baumann Anfrage der Sächsischen Zeitung.
MUTlos oder auf dem rechten Auge blind?

 

Der Aufruf im Netz: www.geh-denken.de

Fotos und Hintergründe zu den Naziaufmärschen in Dresden, zusammengestellt vom www.kulturbuero-sachsen.de.

Lesen Sie auch: Brauner Gewaltaufruf ohne Folgen im Dresdener Landtag

Dresden gegen braune Tröten
Dresden gegen braune Tröten

Noch alleine: Dresdener Antinazi-Demonstranten 2008. Aber 2009?

P.S. Es gibt auch ein Spendenkonto für Geh-Denken:

Amadeu Antonio Stiftung
Deutsche Bank Bensheim
BLZ 50970004
Konto 030331330
Stichwort "Geh-denken"

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Fotos: MUT/kulick

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Website Geh-denken