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TV-Tipp: Das Tagebuch des Willy Cohn

Typisch Deutsches Fernsehen - lehrreiche Sendungen gibt es erst gegen Mitternacht. Am 25.11. wurde  in der ARD um 23.30 Uhr  eine besonders sehenswerte Dokumentation der RBB-Fernsehjournalistin Petra Lidschreiber gezeigt. Sie beschreibt das Leben des Studienrats und Historikers Willy Cohn, der detailliert aufgeschrieben hat, wie sich die Judenverfolgung im Dritten Reich immer mehr steigerte,  die er im "deutschen Kulturvolk"' nicht für möglich hielt. Auf Besserung hoffend entschied er sich zu bleiben, doch es besserte sich nichts. 1941 wurden er, seine Frau und zwei kleine Töchter deportiert - in den Tod. Drei Kinder überlebten im Ausland. Sie führen durch den Film.

„Es ist trotz all dem sehr schwer, sich die Liebe zu Deutschland ganz aus dem Herzen zu reißen“, schreibt Willy Cohn im Februar 1933. Der Historiker ahnt, was auf die Juden zukommt - und kann sich dennoch nicht von dem Land trennen, „dessen Sprache wir reden und dessen gute Tage wir auch miterlebt haben!“

Die Veröffentlichung der Tagebücher von Willy Cohn unter dem Titel „Kein Recht, Nirgends“ war 2006 eine zeitgeschichtliche Sensation. 1200 Seiten über das Leben seiner Familie, über die jüdische Gemeinde in Breslau und über die zunehmende Marter der Juden, die seit der Machtübernahme der Nationalsozialisten „in einer Mausefalle“ saßen: Vom Januar 1933 bis zum 17. November 1941 beschreibt Willy Cohn die Qual eines Patrioten, der sein Vaterland liebte, und eines gläubigen Juden, der sich ein neues Leben nur in „Erez Israel“ vorstellen konnte. Als der Entschluss auszuwandern fiel, war es zu spät. Im November 1941 wurden Cohn, seine Frau und seine beiden kleinen Töchter verschleppt, deportiert und erschossen. Sie gehören zu den ersten Opfern der systematischen Mordaktionen der Nazis.
Seine drei ältesten Kinder Louis „Wölfl“, Ernst und Ruth hatte Willy Cohn noch rechtzeitig nach Frankreich und Palästina geschickt. So überlebten sie.

Die Journalistin Petra Lidschreiber hat die drei filmisch begleitet: Louis Wölfl Cohn besucht seine Heimatstadt Breslau zum ersten Mal, seit er 1933 als 18-Jähriger geflohen war. Das alte Wohnhaus ist noch erhalten, auch das „Johannesgymnasium“, in dem er Abitur machte und der Vater unterrichtete und schließlich das Familiengrab.  Ein filmischer Dialog zwischen den Kindern und ihrem ermordeten Vater entsteht: Warum kehrte Willy Cohn wieder zurück, als er 1937 mit seiner Frau den Sohn Ernst in Palästina besuchte? Warum zögerte er, die deutsche Heimat zu verlassen? Tochter Ruths Stimme versagt, als sie sich erinnert: „es hätte so nicht enden müssen …“!

Das Tagebuch endet wenige Tage vor Willy Cohns Ermordung. „Doch habe ich den eisernen Wunsch, im Interesse der Familie keinesfalls schlappzumachen“, schreibt er Mitte November 1941. Drei Jahr zuvor hatte er notiert: „Meine Hoffnung ist, dass meine Kinder meinen Namen in meinem Sinne fortsetzen werden ...“. Am Ende des Films versammelt sich eine Vier-Generationen-Familie zu einem Gruppenfoto. Sie haben Willy Cohns Wunsch aus dem November 1938 wahr gemacht. (Quelle: ARD)

"Ein Jude, der Deutschland liebte -  Das Tagebuch des Willy Cohn". Sendetermin: Mittwoch 23.30 Uhr ARD.

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: ard.de

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familienfoto Willy Cohn