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Woche der Erinnerung an Alberto Adriano

Acht Jahre nach der Ermordung von Alberto Adriano rief die Dessauer Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalttaten zu einer „Woche der Erinnerung“ auf. Am 17. Juni ist der letzte Tag. Im Stadtpark Dessaus hinterlassen Neonazis indessen immer noch ihre Spuren.

Von Holger Kulick

Wer in Dessaus zentralem Stadtpark unterwegs ist, trifft auf eine Vielzahl Skulpturen und Denkmäler. Das unauffällgste davon steht etwas Abseits im Schatten eines Baums. Eine kleine schlichte Stele aus Stein erinnert an Alberto Adriano. Die knappe und doch vielsagende Inschrift: Alberto Adriano, Opfer rechter Gewalt, 11. Juni 2000. Der 39-jährige aus Mosambik lebte in Dessau, etwa 400 Meter vom Standort des Gedenksteins entfernt. Damals hatte er Freunde besucht und war auf dem nächtlichen Fußweg nach Hause, als er eher durch Zufall drei grölenden Neonazis über den Weg lief, 16, 17 und 25 Jahre alt. Er passte in ihr Feindbild. Sie schlugen ihn nieder; traten mit Springerstiefeln auf seinen Kopf, in den Bauch, ins Gesicht, mindestens fünf Minuten lang, bis er bewußtlos am Boden liegen blieb. Als letzte Demütigung zogen sie das Opfer aus. Drei Tage blieb Adriano im Koma, bevor er am 14. Juni starb.

Acht Jahre nach der Ermordung von Alberto Adriano ruft die Dessauer Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalttaten zu einer „Woche der Erinnerung“ auf. Der Name Alberto Adriano wird nicht gern gehört und die Mehrheit der Dessauer Bürger mache einen großen Bogen um das Thema, wie Marco Steckel von der Beratungsstelle bedrückt reflektiert.

Am Mittwoch wurden um 15 Uhr Blumen an der Stele niedergelegt, erstmals beteiligten sich der Bürgermeister Dessaus und der Innenminister Sachsen-Anhalts als Gedenkredner. Etwa 80 Menschen nahmen teil. Für Minister Hövelmann hat der der Mord an Adriano der Stadt und dem Land Sachsen-Anhalt brutal vor Augen geführt, zu welch tödlicher Gewalt fremdenfeindlicher Hass führt. Er strafe alle die Lügen, die die Gefahr von rechts für eine aufgebauschte Bedrohung hielten. Für Dunkelhäutige, für Punks, für Behinderte sei die von Rechtsextremen ausgehende Gewalt ganz real. "Mord ist für Nazis kein Betriebsunfall. Er ist die finale Logik ihres Rassenwahns", so Hövelmann.

Hövelmanns Einsatz tut Not. Denn wer mit offenen Augen durch den Dessauer Stadtpark geht, trifft auch auf aktuelle Zeugnisse, dass Neonazis dies immer noch als ihr Terrain betrachten: Sie haben SS-Runen und weitere Nazisymbole auf Bänke geschmiert, dem Vernehmen nach noch relativ frisch:
Nazisymbole auf bank im Stadtpark dessau 2008
Nazisymbole auf bank im Stadtpark dessau 2008

Nachfolgend das Programm der Woche der Erinnerung vom 10. bis 17. Juni – von dem es schön gewesen wäre, man fände es auch auf der Website www.dessau.de der Stadt. Aber bis dahin ist wohl noch ein weiterer Weg. Dort ging das Thema Public Viewing der EM im Rathausinnenhof  oder Waldbrandgefahr vor...

10. Juni 2008 von 17:00 bis 21:00 Uhr im Stadtpark
Auftakt zur Woche der Erinnerung mit einem „Signalbericht“ - eine Performance-Installation zur visuellen Präsentation zum Mordprozess. Die Installation korrespondiert mit der folgenden szenischen Lesung, greift ihre Texte auf, sendet sie weiter.

Gedenkveranstaltung am 11. Juni 2008 15:00 Uhr
Moderation: Joachim Landgraf vom Anhaltischen Theater Dessau. Mit Erinnerungsworten des Oberbürgermeisters der Stadt Dessau-Roßlau Klemens Koschig, den Innenminister Holger Hövelmann und die Integrationsbeauftragte des Landes Sachsen-Anhalt Susi Möbbeck

10. und 12. Juni 2008 jeweils um 18:00 Uhr im Stadtpark
„Im Namen des Volkes“. Szenische Lesung mit Regula Steiner-Tomic und Bernd Lambrecht vom Anhaltischen Theater Dessau,
Text und Regie: Maria Binder Anhand des Gerichtsurteils wird der Tathergang akribisch rekonstruiert. Mehrere Beobachter verfolgen von Anbeginn die Sequenz von Angriffslust und Taten der Gewalt und Adrianos Versuche, diese abzuwehren.
Was empfinde ich? Will ich mich dem Ablauf aussetzen oder weggehen? Ist Eingreifen möglich?

11. Juni bis 17. Juni 2008, täglich 10.00-22.00 Uhr
„Blumen des Bösen“ - ein Temporäres Klangfeld im Stadtpark. Über Lautsprecher, die im Stadtpark verteilt werden, sind den ganzen Tag Stimmen von Dessauer Bürgerinnen und Bürgern zu hören.

12. Juni 22:00 im Stadtpark
Open Air Kino im Stadtpark „Yes I am“. Ein Dokumentarfilm über die Geschichte der „Brothers Keepers“, die sich nach dem Mord an Alberto Adriano gründen. Konzert- und Videoclip-Ausschnitte, Gespräche und Interviews erzählen von der Notwendigkeit
und der Herausforderung, eine afrodeutsche Identität zu entwickeln.

17. Juni 2008 ab 11:00 Uhr im Stadtpark
„Musik und Tanz“, Dein Tag für Afrika - Schüler des Gymnasiums Philantropinum aus Dessau-Roßlau präsentieren Interkulturelle Musik - Kochen und Essen mit Schülern des Philantropinums Dessau-Roßlau. Anschließend „Arbeitseinsatz“ (Aufräumarbeiten) im Stadtpark.


Bitte lesen Sie auch:
"Eine Farce" - Protest gegen mangelnde Aufklärung des Todesfalles Oury Yalloh, ebenfalls in Dessau.

Und: Erneuter Anstieg rechter Gewalt 2008.


www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Fotos: Kulick

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gedebnkstein Alberto adriano Opfer rechter gewalt 111.6.2000