„Holt sich die extreme Rechte unsere Jugend?“ fragte am Montagabend provokant die Aktion "Gesicht zeigen!" zum Auftakt der von ihr jährlich neu veranstalteten "Aktionswoche gegen Rassismus" - und ließ Nichtjugendliche antworten.Von Julian Perdrigeat
Seit acht Jahren organisiert „Gesicht zeigen!“ eine Aktionswoche gegen Rassismus und bündelt in dieser Zeit eine Reihe Veranstaltungen. Auftakt war dort, wo am wenigsten mit Neonazis zu rechnen war, mit einer Fernsehaufzeichnung in der Dresdener Bank am Brandenburger Tor. Unter Scheinwerferlicht saßen Prof. Dr. Birgit Rommelspacher, Professorin für Psychologie, Kajo Wasserhövel, Staatssekretär im Arbeitsministerium, Dr. Friedbert Pflüger, Fraktionsvorsitzender der CDU in Berlin, Toralf Staud, ZEIT-Journalist und Herausgeber des sehr lesenswerten Buchs „Moderne Nazis“ und aus Leipzig Sebastian Krumbiegel, Sänger der „Prinzen“. Noch jüngere Teilnehmer gab es leider nicht.
„Es ist ein Kurzschluss, zu glauben, wer erwerbslos ist, wählt die NPD. Arbeitslosigkeit ist keine Entschuldigung für Rechtsextremismus“, äußerte Kajo Wasserhövel. Der Journalist Toralf Staud stimmte dazu überein: „Die NPD hat es geschafft, Jugendliche als Anhänger und Mitglieder an sich zu binden. Den direktesten Zugang zu jungen Menschen bekommt die Partei durch das Verteilen von Musik oder durch Vereinsarbeit.“ Arbeit, die andere nicht (mehr) machen.
Zudem biete die NPD Jugendlichen, die nach einer Positionierung suchten, auch eine klare politische Positionierung gegen das System und die für sie schwer durchschaubare Globalisierung.
Musik und Spaß, ergänzte Birgit Rommelspacher, würden aber auch von anderen Gruppen Jugendlichen angeboten. Schon in den Familien festgesetzte Vorurteile spielten ebenfalls eine nicht unerhebliche Rolle. Diffuse völkische Ansichten mit dem abstrakten Ziel der „Bewahrung der weißen Rasse“ und generelle Ressentiments gegen die Politik etablierter Parteien seien weitere Motive. Es sei aber verkehrt, immer nur auf Jugendliche zu schauen, warnte die Wissenschaftlerin. Tief sitzender Rechtsextremismus unter älteren Menschen sei eine mindestens genauso große gesellschaftliche Herausforderung, der sich aber bislang nicht gestellt würde.
Lösungen um dagegen zu kämpfen? Bildung und Vorbildswirkung! Und Zeit, sich um Menschen zu kümmern. Natürlich sei auch die Kontinuität von Hilfs-Programmen wichtig – nicht nur als Feuerwehrmaßnahme. Die bislang aufgelegten Bundesprogramme seien zu inkonsequent und zu wenig auf Kontinuität ausgerichtet, wurde scharf kritisiert.
Als die Kameras abgeschaltet waren, wurde (endlich) auch mit dem Publikum diskutiert. Ein Jugendarbeiter aus Zittau meldete sich zu Wort. Die staatlichen Programme gegen Rechtsextremismus seien ja nur das eine. Solange aber außer Acht gelassen werde, wie fatal bundesweit die Auswirkung von generellen Mittelkürzungen für Jugendarbeit und Jugendhilfe sei, würde sich gar nichts ändern, außer dass der Zulauf für geschickte Neonazis und ihre jugendnahen Tarnorganisationen lokal immer größer werde.
Die Woche gegen Rassismus von „Gesichts Zeigen!“ dauert noch bis zum 23. März, also genau zwei Tage nach dem internationalen Tag gegen Rassismus. 1967 hatte die UNO den 21. März zum „Internationalen Tag zur Überwindung von Rassismus“ ausgerufen. Das Programm der Organisation besteht aus Lesungen, Vorträgen, Podiumsdiskussionen, Unterrichtsstunden, Theaterinszenierungen und Museumsprojekten zu den Themen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und kulturelle Ausgrenzung. Vielfach ist der Eintritt frei. Mehr finden Sie
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www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / Foto: h.kulick