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Auch wenn in der Vergangenheit einige Fortschritte hinsichtlich der Anerkennung und auch rechtlichen Gleichberechtigung von homo-, bi- und transsexuellen Menschen gemacht wurden, ist der Weg zur völligen Gleichstellung noch lang.
Von Ulla Scharfenberg
„Schwuchtel“, „Schwule Sau“ oder „das ist voll schwul“ sind auf Schulhöfen gängige Schimpfwörter und Beleidigungen. Manchmal steht dabei die Herabwürdigung homosexueller Menschen gar nicht im Vordergrund, vielmehr werden „schwul“, „homo“ oder „gay“ als Synonyme für „doof“ oder „lästig“ verwendet. Die Unwissenheit einiger Schülerinnen und Schüler über den diskriminierenden Inhalt solcher Aussagen ändert allerdings nichts an der Tatsache, dass homo-, bi- oder transsexuelle Menschen (im Folgenden mit LSBT abgekürzt) in unserer Gesellschaft ständigen Herabwürdigungen und Ausgrenzungen ausgesetzt sind. „Schwul“ als Schimpfwort zeugt von der Allgegenwärtigkeit und Alltäglichkeit der Homophobie.
Ein langer Weg zur Gleichberechtigung
Auch wenn in der Vergangenheit einige Fortschritte hinsichtlich der Anerkennung und auch rechtlichen Gleichberechtigung von LSBT gemacht wurden, ist der Weg zur völligen Gleichstellung noch lang. Auch der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, betont anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie: „Noch immer gibt es in unserer Gesellschaft viele Ressentiments gegen Schwule und Lesben.“ Weiter sagt er in seinem Grußwort für MANEO, dem schwulen Anti-Gewalt-Projekt in Berlin: „Wer gegen Schwule, Lesben und Transgender hetzt, wer gesellschaftliche Gruppen ausgrenzt oder zur Zielscheibe von Hass und Anfeindungen macht, zielt auf die Grundlagen von Freiheit, Toleranz und Weltoffenheit, die zu Berlins Markenzeichen geworden sind.“
Tag gegen Homophobie und Transphobie
Am 17. Mai 1990 strich die Weltgesundheitsorganisation WHO Homosexualität aus ihrem Katalog der psychischen Krankheiten. Über 10 Jahre später wurde der 17.Mai zum „International Day Against Homophobia“ (IDAHO) ausgerufen. Menschen in über 35 Staaten setzten sich im Rahmen einer Unterschriftenaktion dafür ein, den Tag in den Kalender der Vereinten Nationen aufnehmen zu lassen. Seit 2005 wird der Internationale Tag gegen Homophobie am 17. Mai begangen.
Nach Einschätzung von Claudia Apfelbacher, Leiterin von LesMigras e.V., dem Antidiskriminierungs- und Antigewaltbereich der Lesbenberatung Berlin, hat sich die Lebenssituation insbesondere transgeschlechtlicher Menschen durch die Streichung von Homosexualität aus dem Katalog der psychischen Krankheiten kaum verbessert. LesMigraS und andere Initiativen sprechen daher auch stets vom „IDAHO_T“, also „International Day Against Homophobia and Transphobia“. Den 17. Mai verstehen sie „nicht nur als Feiertag, sondern als stetige Erinnerung, dass Kämpfe um geschlechtliche und sexuelle Selbstbestimmung weiter geführt werden müssen“.
Der Internationale Tag gegen Homophobie ist nicht zu verwechseln mit dem Christopher Street Day (CSD), den sogenannten „Regenbogen-Paraden“ oder „Gay-Pride Demonstrationen“, die international an verschiedenen Tagen in den Sommermonaten begangen werden. Am CSD betonen Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle, dass sie stolz auf ihre Identität sind und sich deswegen nicht schämen müssen, während am 17. Mai auf das Problem der Homophobie aufmerksam gemacht wird.
Küssen gegen die Intoleranz
In Berlin ruft MANEO seit 2007 jedes Jahr am 17. Mai zum öffentlichen „Kiss-In“ auf. Wie bei einem Flashmob treffen sich Menschen an symbolischen Orten und küssen sich. Die öffentliche Küsserei soll ein deutliches Signal gegen Ausgrenzung, Anfeindung und Gewalt gegenüber LSBT sein. „Wir laden dazu auch die Familien von Schwulen, Lesben, Bis- und Trans*personen ein, sowie ihre Freundinnen und Freunde, um mit uns gemeinsam ein solches Zeichen zu setzen. Wir brauchen Menschen, die sich mit uns für ein Klima der Toleranz und Akzeptanz in unserer vielfältigen Gesellschaft einsetzen und sich offen gegen homophobe und trans*phobe Anfeindungen stellen“, erklärt MANEO- Projektleiter Bastian Finke.
Die Kiss-Ins finden um 17 Uhr auf dem Theodor- Heuss-Platz und um 18 Uhr auf dem Alexanderplatz, unweit der Weltzeituhr, statt. Alle Termine und Events zum IUnternationalen Tag gegen Homophobie und Transphobie werden von MANEO unter www.maneo.de und über facebook kommuniziert.
Viele weitere bundesweite Veranstaltungen und Termine hat netz-gegen-nazis.de zusammengestellt.
Hintergrund: Was ist Homophobie?
Homophobie beschreibt die Feindseligkeit gegenüber Lesben und Schwulen, also Menschen, die nicht heterosexuell sind. Der Begriff wurde 1972 von George Weinberg, einem US-amerikanischen Psychotherapeuten eingeführt, um die gesellschaftliche Ablehnung von Homosexuellen zu benennen.
Homophobie (griechisch: homo = gleich, phobos = Angst) ist allerdings keine Phobie im klassischen Sinne. Die Angst bezieht sich meist nicht auf Lesben und Schwule selbst, bzw. deren gleichgeschlechtliches Empfinden sondern betrifft vielmehr die Infragestellung der eigenen Identität, also die irrationale Angst vor den eigenen homoerotischen Gefühlen.
Die Ablehnung der homosexuellen Lebensweise äußert sich in Vorurteilen, Ekel- und Hassgefühlen bis hin zu Aggressionen und Gewalt. Homophobie wird zusammen mit Phänomenen wie Rassismus, Antisemitismus oder Sexismus unter den Begriff der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit gefasst.
Mit dem Begriff Heterosexismus wird die Ausgrenzung Homosexueller umschrieben. Heterosexismus benennt das gesellschaftlich institutionalisierte Denk- und Verhaltenssystem, in dem Heterosexualität als „normal“, alle anderen Formen sexueller Orientierung als „unnormal“ klassifiziert werden. Daraus ergibt sich die Haltung, heterosexuelle Menschen seien homosexuellen überlegen. Jede nicht-heterosexuelle Form von Identität und Verhalten wird abgelehnt und stigmatisiert.
Heterosexismus wird selten reflektiert und von Kindheit an „erlernt“. In Familie, Kindergarten, Schule, Uni, am Arbeitsplatz, in Kirchen und in den Medien wird die Heterosexualität meist als die einzig „normale“ Lebensweise reproduziert. Der Heterosexismus zeigt sich auf allen gesellschaftlichen Ebenen und äußert sich beispielsweise in der fehlenden gesetzlichen Gleichstellung homosexueller Paare.