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Bundesinnenminister ehrt "Little Woodstock"

„Gegen Neonazis und rechte Gewalt zu sein, ist leicht. Diesen Widerstand auch konsequent zu zeigen und zu leben, kann sehr schwer sein.“ Mit diesen Worten eröffnete Helmut Heinen, Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, die Verleihung des Bürgerpreises der deutschen Zeitungen an Birgit und Horst Lohmeyer.
   
Von Anna Brausam
      
Vor sechs Jahren wurde dem mecklenburgischen Dorf Jamel bei Wismar vom Schweriner Innenausschuss attestiert: „Ein ganzes Dorf in rechter Hand“. Diesen Vorwurf konnte das Ehepaar Birgit und Horst Lohmeyer nicht auf sich sitzen lassen: „Wir haben uns nicht gemeint gefühlt“, sagt Birgit Lohmeyer, als sie den Bürgerpreis zusammen mit ihrem Mann vom Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich entgegennahm. Sie forderten damals sofort ein Gespräch mit dem Schweriner Politikern, um richtig zu stellen, dass sie bereit sind, Widerstand zu leisten gegen die menschenverachtenden Ideologien in ihrem Dorf. Schnell entwickelten sie zusammen mit den Lokalpolitikern die Idee den ortsansässigen Neonazis ein Rockfestival entgegenzusetzen.
      
Demokratischer Gegenwind
         
Dieses Jahr werden zum sechsten Mal in Folge unterschiedliche Bands bei „Jamel rockt den Förster“ die Bühne rocken. Auch die für den Echo 2012 nominierte Band „Haudegen“, die bei der Bürgerpreisverleihung in Berlin, die Veranstaltung eindrucksvoll eröffnete, wird wieder mit am Start sein. Noch vor Kurzem drohte die Veranstaltung ins Wasser zu fallen, weil die selbstgebaute Bühne der Lohmeyers im Laufe der Jahre sehr marode geworden ist. Die stern-Aktion "Mut gegen rechte Gewalt" konnte den Lohmeyers bei dem Kauf einer neuen Bühne finanziell unter die Arme greifen und freut sich, das mutige Ehepaar auch im Jahr 2012 ein weiteres Mal unterstützen zu können.
       
Angst statt Solidarität
        
Erklärtes Ziel der Lohmeyers ist es durch das Festival eine Aufmerksamkeit für das Thema Rechtsextremismus zu bekommen. Aber dass das kein einfaches Unterfangen wird, war den Lohmeyers von Anfang an bewusst: Bis Februar 2011 wurde noch jeder Besucher am Ortseingang des 35-Seelen-Dorfes mit einer messingfarbenen Plakette begrüßt, auf der stand: „Dorfgemeinschaft Jamel – frei – sozial – national“.  Ein paar Meter weiter stand ein Wegweiser nach Braunau, der Geburtsstadt Adolf Hitlers. Jetzt sind die Schilder zwar verschwunden, doch Jamel ist nach wie vor eine Neonazi-Hochburg. „Der Rest der Dorfbewohnerinnen und -bewohner, die keine Neonazis sind, sieht uns aber dennoch als Außenseiter“, beschreibt Birgit Lohmeyer das Dorfklima. Mit dem Moment, in dem sie das Festival für mehr Demokratie und Toleranz ins Leben gerufen haben, wurden die Lohmeyers von ihren Nachbarinnen und Nachbarn nicht mal mehr gegrüßt. „Wenn uns hier was passieren würde, mit den Nachbarn können wir nicht rechnen“, so die Forsthofbesitzerin. Das Verhalten der Nachbarinnen und Nachbarn erklären sich die Lohmeyers damit, dass die meisten zu große Angst vor der Gewalt und dem Terror der Neonazis haben. Bevor sie sich solidarisieren, bilden sie eher Koalitionen mit den ansässigen Neonazis.
     
Ständige Provokation
    
Birgit Lohmeyer versteht diese Ängste, glaubt allerdings, dass sie und ihr Mann durch ihre, mittlerweile recht weitreichende, Prominenz keine großen Attacken von Neonazis erwarten müssen: „Wir suchen die Öffentlichkeit auch, um uns vor rechtsextremen Angriffen zu schützen“, sagt Birgit Lohmeyer bei der Preisverleihung. Zwar wurde ihnen schon eine Fuhre Mist in die Einfahrt gekippt und eine tote Ratte in den Briefkasten geworfen, dies seien jedoch eher Kindereien, als ernstzunehmende Gefahren. Auf dem Festivalgelände haben die Lohmeyers jedoch schon hautnahe Erfahrungen mit Neonazis gesammelt. Jedes Jahr aufs Neue müssen sie mit Sabotage-Aktionen rechnen – erfolgreich waren die Neonazi dabei bisher zum Glück nicht.
      
Bürgerpreis der Zeitungen
     
Dass das Festival eine mediale und gesellschaftliche Breitenwirkung erfahren hat, zeigte die Prämierung des Ehepaars Lohmeyers durch den Bürgerpreis der Zeitungen am 29.Februar. Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger verlieh dem Ehepaar den mit 20.000 Euro dotierten "Bürgerpreis der Deutschen Zeitungen". Die Laudatio hielt Innenminister Hans-Peter Friedrich und lobte das Ehepaar für ihr bestimmtes Eintreten gegen Fremdenhass und rechte Gewalttäter: „Sie halten Stand, Jamel nicht denen zu überlassen, die ihre menschenverachtenden Ideologien verbreiten wollen. Dafür werden Sie zurecht als Vorbild geschätzt. … Menschen wie Ihnen ist es zu verdanken, wenn unsere offene Gesellschaft Bürgerverantwortung übernimmt und wir somit eine freie und menschliche Gesellschaft bleiben“, so der Innenminister in der Ansprache für das Ehepaar Lohmeyer. Die stern- Aktion "Mut gegen rechte Gewalt" gratuliert den Lohmeyers zu diesem Preis und wünscht ihnen am 3. und 4. August ein gelungenes Festival ohne Neonazis!
 

Die Preisträger Birgit und Horst Lohmeyer aus Jamel und der Laudator Innenminister Hans-Peter Friedrich, Foto: bdzv, c