Das Portal
für Engagement
Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Bei dem Versuch eine Neonazidemonstration in Neuruppin zu blockieren, wurden Demonstrierende von der Polizei eingekesselt und stundenlang ohne sanitäre Anlagen festgehalten. Im Innenausschuss des brandenburgischen Landtags soll der Polizeieinsatz überprüft werden.
Von Danny Frank
Neuruppin – Am Samstag, den 24. September 2011 wollten Neonazis aus dem Umfeld der „Freien Kräfte Neuruppin/Osthavelland“ zum wiederholten Male unter dem revisionistischen Motto: „Vom Schuldkult zur Mitschuld“ durch Neuruppin marschieren. Ursprünglich wollten die Neonazis schon am 9. Juli diesen Jahres durch die Stadt marschieren. Ihnen setzten sich aber vor zwei Monaten rund 400 Menschen in den Weg, wobei sie nach eineinhalb Kilometern zum umdrehen gezwungen waren.
Zahlreiche Gegendemonstrierende hatten am Vormittag eine Demonstration durchgeführt, um gegen den erneut geplanten Marsch „Freier Kräfte“ zu protestieren. Auf dem Weg zur Friedrich-Engels-Straße setzen sich die rund 350 Menschen spontan auf die Straße. Auf ihr Anliegen machten sie dabei mit Rufen wie: „No pasarán!“ aufmerksam. Wenig später fing die Polizei damit an die Blockade mittels Einsatzfahrzeugen zu umstellen.
„Wer sitzen bleibt, der macht sich strafbar“
Per Lautsprecherdurchsagen wurden die Blockierenden dazu aufgefordert, die Blockade freiwillig zu verlassen, obwohl diese spontan von Dieter Groß (Die Linke), Mitglied im brandenburgischen Landtag, als Kundgebung angemeldet wurde. „Wer sitzen bleibt, der macht sich strafbar“, so der Sprecher des Megafons. Diejenigen, die der Ansage folgten wurden von den Beamten in Richtung Poststraße geleitet, bei der die Polizei im gleichen Atemzug ein Kessel errichtete.
Kurz darauf fingen Beamte der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit damit an, die Blockade zum Teil gewalttätig zu räumen. Das Resultat: Mindestens zwei verletzte Personen. Eine Frau wurde bei dem Versuch sie wegzutragen, fallen gelassen. Ein Journalist wurde von Polizisten in ein in der Blockade spielendes Orchester der „Lebenslaute“ aus Berlin gestoßen, wobei dieser zu Boden ging.
Stundenlang festgehalten
Alle Menschen die sich in der Nähe der Blockade befanden, wurden stundenlang in der Poststraße festgehalten. Unterschieden wurde dabei nicht, wer die Blockade freiwillig verließ und wer weggetragen wurde.
Nicht nur die Getränkeversorgung wurde massiv von der Polizei beeinträchtigt, sondern auch Toilettengänge. Die Beamten wiesen nach etwa vier Stunden darauf hin, dass bestellte Toiletten auf dem Weg seien. Die Betroffenen waren somit gezwungen eine Toilette mit einem Transparent um einen Regeneinlauf zu errichten.
Von allen eingekesselten Personen wurden neben den Personalien, auch Fotos aufgenommen. Die, die keinen Personalausweis dabei hatten, wurden in die Neuruppiner Polizeiwache gebracht. Als diese komplett ausgeschöpft war, wurden die Betroffenen nach Oranienburg (Oberhavel) gebracht.
Ein Nachspiel im Innenausschuss
Markus Günther, Mitglied des Landessprecherrates der Linksjugend ['solid] Brandenburg, sagte am Sonntag dazu: „In dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wird klargestellt, dass auch Blockaden unter das Demonstrationsrecht fallen. Insofern müssen wir leider feststellen, dass gestern die Polizei und alle beteiligten Behörden die Versammlungsfreiheit nach Art. 8 Abs. 1 GG von mehreren hundert Bürgerinnen und Bürgern verletzt haben.“
Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen Axel Vogel kündigte an, dass der Polizeieinsatz in Neuruppin ein Nachspiel haben wird und dass er im Innenausschuss des Landtages Thema wird. „Das Vorgehen der Polizei ist auf Eskalation einer angelegten Machtdemonstration gegenüber dem Bürgerbündnis 'Neuruppin bleibt bunt' gewesen“, so Vogel. „Sie dient der Kriminalisierung des örtlichen Widerstandes gegen die inzwischen mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfindenden Nazi-Demonstrationen.“
Fotos: Danny Frank, c