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Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern – Kreisgebietsreform und Arbeitnehmerfreizügigkeit verdeutlichen Standpunkt und Strategie der NPD im Vergleich zu ihren demokratischen Kontrahenten.
Betrachtet man das Wahlprogramm der NPD für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern 2011 fällt eines schnell auf. Die Partei setzt auf Knappheit und Bündigkeit und hofft so trotz der von ihr diagnostizierten Politikverdrossenheit und der Wut auf „die da oben“ ihre Inhalte an die Frau und an den Mann zu bringen. Dabei lassen sich zwei stilisierte Feindbilder wiederholt beobachten – das System und das Ausland. Auch in Bezug auf die Themen Arbeitnehmerfreizügigkeit und Kreisgebietsreform sind diese Muster wiederzuerkennen. Wahlkampftaktisch ist die Arbeitnehmerfreizügigkeit weit bedeutender als die Kreisgebietsreform, die in offiziellen Programmen kaum erwähnt wird. Doch besonders in ländlichen Regionen, die negativ von dieser Reform betroffen sein könnten, hat auch dieses Thema Relevanz.
Grenzenlos
Seit dem 1. Mai 2011 gilt die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Bürgerinnen und Bürgern der acht Staaten der EU Osterweiterung ist es nun auch ohne Arbeitsgenehmigung möglich eine Stelle in einem anderen Mitgliedsstaat der EU anzunehmen. „Damit wird eine der fundamentalen Grundfreiheiten der EU endlich auch auf die ost- und mitteleuropäischen Mitgliedsstaaten ausgeweitet“, stellt Niels Gatzke von der RAA Mecklenburg-Vorpommern fest. Diese Neuerung wird allgemein als eine Chance für den interkulturellen Austausch sowie die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den zwei Nachbarländern gesehen. Alle demokratischen Parteien begrüßten die Ausweitung der Grundfreiheit. Einige forderten zwar die Ausweitung der schon in manchen Branchen bestehenden Mindestlöhne – von einer Angst vor Lohndumping durch „billige Arbeitskräfte“ aus dem Osten war jedoch nichts zu spüren und auch die Faktenlage erklärte diese als unbegründet. Im Wahlkampf der demokratischen Parteien nimmt dieses Thema keinen zentralen Platz ein und erscheint wenn dann nur indirekt.
Altbekannte rassistische Leier
Nicht so bei der NPD. Unter altbekanntem Motto prognostiziert die NPD in ihrem Standpunktepapier, das als Wahlprogramm dienen soll, ein Horrorszenario von „Fremdarbeitern aus dem EU-Ostblock“. Neben einer Abbildung eines Bauarbeiters wird von einer zunehmenden Absenkung der Löhne gesprochen. Verschwiegen wird dabei, dass neben weiteren Sektoren gerade das Bauhaupt- und Baunebengewerbe durch einen Mindestlohn gesichert ist. Den Rahmen stellt laut NPD-Weltbild eine Europäische Union, die einem die Arbeitnehmerfreizügigkeit „aufzwingt“.
Mit diesen Formeln bedient sich die NPD der tief sitzenden Stereotype, die vor allem in Bezug auf das Nachbarland Polen weit in unserer Gesellschaft verbreitet sind. Im Hinblick auf die strukturschwache Grenzregion wird zusätzlich mit Verweis auf die besagten „Fremdarbeiter“ vor einer steigenden Arbeitslosigkeit gewarnt. Dieses „Ängste schüren“, das die NPD hier betreibt, ist laut Niels Gatzke eines der bevorzugten Mittel. Doch damit nicht genug der Stilisierung des Feindbilds Ausland. Passend dazu heißt es nämlich auf einem Wahlplakat „Polen offen? Arbeit Futsch! Auto Weg!“. Neben den polenfeindlichen Äußerungen wird hier also auch noch das Schreckgespenst der Kriminalität im Grenzraum bedient. „Die NPD nutzt das Thema Arbeitnehmerfreizügigkeit auch, um andere Inhalte zu transportieren“, beschreibt Gatzke diese Taktik.
Identität statt Inhalt
Auch bei der Kreisgebietsreform erkennt man eine Strategie der NPD in Mecklenburg-Vorpommern. Zwar ist dieses Thema im landesweiten Wahlkampf kaum vertreten trotzdem ist es symbolisch für den Ansatz der Partei.
Ziel der Reform, die mit der Wahl am 4. September in Kraft tritt, ist es die bis jetzt bestehenden 12 Landkreise auf vier zu reduzieren. Begleiterscheinung wären unter anderem Einsparungen von Verwaltungskosten, sowie ein Ausgleich der Bevölkerungsstärke über die Kreise hinweg. Voraus ging eine langjährige Debatte, die nicht immer zielführend stattfand, in der jedoch die Notwendigkeit einer solchen Reform akzeptiert wurde. Doch der Fokus einer Partei war ein anderer als die sachliche Problembewältigung. Die NPD sorgte sich bevorzugt um die „regionale Identität“ einzelner Landkreise, die durch eine Zusammenlegung verloren gehen könnte. Sie beklagte zunehmende Bürgerferne und den drohenden Bedeutungsverslust einzelner Kommunen. Alternativvorschläge der NPD lassen indes ein breites Fundament vermissen und entlarven so die Taktik des Stimmenfangs. Mit „dem System“ als Feindbild vor Augen wird versucht ein Gefühl des „Wir hier unten“ gegen „Die da oben“ zu schaffen.
Und nächste Woche...
Wir präsentiert sich die NPD in Mecklenburg-Vorpommern und mit welchen Themen kann sie vor Ort eigentlich punkten? Diese Fragen werden in dem nächsten Beitrag beantwortet.