Das Portal
für Engagement
Ein Projekt des Magazins stern und der Amadeu Antonio Stiftung
Wer im Internet surft, kann mittlerweile auf weit über 1 000 deutschsprachige Blogs oder Webseiten von Rechtsextremen stoßen. Sie werden in deren Jargon gerne „Heimatseiten“ oder „Weltnetzseiten“ genannt, um im World Wide Web keine Anglizismen benutzen zu müssen. Dazu kommen persönliche Homepages bekennender Neonazis und deren Einträge in Flirtlines oder Kontaktbörsen, in denen sie sich offen oder mit Codes zu ihrer Gesinnung bekennen – bis sich jemand bei den Betreibern beschwert.
Zugleich wächst aber auch die Zahl qualitätsvoller Webseiten, die sich mit Neonazis auseinandersetzen. Dazu gehört als besonders intensiv gepflegtes Blog das „npd-blog.info“ des Tagesschau.de-Redakteurs Patrick Gensing, unterstützt von der Amadeu Antonio Stiftung. 2007 wurde die Seite sogar für den Grimme Online Award nominiert. Ursprünglich sollte NPD-BLOG.INFO ausschließlich eine Recherche-Datenbank für die eigene Arbeit werden, auf die von überall zugegriffen werden kann. Macher Patrick Gensing beschreibt:
Anfangs war mein Konzept darauf beschränkt, Medienberichte zu sammeln und zu dokumentieren. Die Versuchung wurde aber einfach zu groß, die Berichte auch zu kommentieren oder zu ergänzen. Außerdem stieß NPD-BLOG.INFO nach dem Ende des weit umfangreicheren „Informationsdienstes gegen Rechtsextremismus“ (IDGR) offenbar in ein Vakuum. Dies legt zumindest das rasch wachsende Interesse an der Seite nahe. Schon nach wenigen Wochen berichteten andere Blogs über das Projekt, die Zugriffszahlen stiegen schnell – und auch die Zahl der Informanten.
Der Name: Dazu gab es einige kritische Äußerungen. Für mich war es die treffende Bezeichnung. Denn eine Beobachtung der wichtigsten rechtsextremen Organisation in Deutschland ist das zentrale Anliegen dieses Projekts. Und ähnlich wie beim BILDBlog soll dies auch über den Namen transportiert werden. Zudem war es lange Zeit umstritten, ob man überhaupt mit NPDlern sprechen sollte. Dies halte ich für eine absurde Frage. Für Recherchen sind Gespräche mit den NPD-Funktionären unabdingbar. Das bedeutet natürlich nicht, deren Positionen einfach zu publizieren, sondern dient dem Zweck, die Strategie und Entwicklung zu verstehen.
Die Reaktionen: Die NPD reagiert gelegentlich mit Pressemitteilungen direkt auf Berichte im NPD-BLOG. Auch das einflussreiche Neonazi-Portal Altermedia registriert die Berichterstattung offenbar genau. Ein Outing mit Foto des Autoren fand statt, nach dem der widerliche Rassismus bei Altermedia thematisiert wurde. Konkret ging es dabei um die menschenverachtenden Berichte über den schwarzen Briten Noel Martin, der Opfer eines rassistischen Angriffs in Brandenburg geworden war und seitdem gelähmt ist. Zudem scheint das Blog in der rechtsextremen Szene durchaus bekannt zu sein, wird sich doch bei Diskussionen immer wieder darauf bezogen.
Auch im Blog selbst melden sich immer wieder Rechtsextremisten zu Wort. Besonders „NPD-KV Unna / Hamm“ tat sich hier unrühmlich hervor. Auffallend die Strategie, sich möglichst moderat zu geben und durch rhetorische Fragen die Berichte in Zweifel zu ziehen, beziehungsweise vom Thema abzulenken. Besonders bei Artikeln über rechtsextreme und rassistische Gewalt konnte diese Vorgehensweise immer wieder beobachtet werden.
Die Perspektiven: Das Projekt erscheint für mich als ein nie erwarteter Erfolg, die Resonanz zeigt, dass es noch immer Defizite bei der Berichterstattung in vielen großen Medien gibt – auch wenn sich diese bereits deutlich verbessert hat. Eine langfristige Perspektive mit gesichertem Standbein muss aber noch entwickelt werden.
Aus: Holger Kulick (Hrsg.), MUT-ABC für Zivilcourage. Ein Handbuch gegen Rechtsextremismus. Von Schülern für Schüler, Leipzig 2008.
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