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Die Hardcore-Bewegung entwickelt sich zu einem immer bedeutsameren Einfallstor des Rechtsextremismus. Ihre Ursprünge liegen im amerikanischen Punk der siebziger Jahre. Die Texte der Subkultur waren gesellschaftskritisch, emanzipatorisch und fordernd. Als eine Weiterentwicklung kann der sogenannte Hatecore als eine musikalisch wie textlich brachiale Interpretation des Hardcore definiert werden. Ein Merkmal ist der schreiend vorgetragene Gesang.
Auf die noch für den Punk typischen Elemente von Stimmungs- und Partymusik wurde komplett verzichtet, was nicht nur für Melodien und Liedtexte gilt. Auch demexzessiven Drogen- und Alkoholkonsum der Punkszene setzt der Hatecore eine „Straight Edge“-Lebensführung als Ideal entgegen. Nicht Selbstzerstörung, sondern Verantwortung für den eigenen Körper sowie Natur und Gesellschaft gehören zu den Botschaften. Bei nicht wenigen Anhängern führt die Lebenseinstellung auch zu einer Abkehr von häufig wechselnden Geschlechtspartnern und Vegetarismus. Insgesamt erinnert die Ausrichtung an eine Art Selbstdisziplinierung für kommende gesellschaftliche Auseinandersetzungen, die in den Liedern rüde herbeigesungen werden.
Knapp 15 Jahre nach dem Entstehen der Hardcore-Bewegung in den Siebzigern sind es rechtsgerichtete Musiker in den USA, die in der Musikrichtung eine Chance zum Transport ihrer extremen Inhalte sehen. Auch in Deutschland hat sich in den letzten zehn Jahren eine regelrechte Szene von Musikgruppen aus dem Hatecore entwickelt. Mit Konzerten, eigenständigen Vertrieben und Fanstrukturen gehört heute zu den bedeutsamsten Rekrutierungsfeldern des Rechtsextremismus.
Dagegen wird die Skinheadbewegung inzwischen mit ihren Bomberjacken, Springerstiefeln und Glatzen selbst auf Events der rechten Szene als eher skurrile Randgruppe von vielen belächelt. Im Gegensatz zu ihnen sind Outfit und Rhythmen des Hatecore zeitgemäß. Die Unterschiede zu den eher brachial auftretenden Skins offenbaren sich unter anderen in der Kleidung. Die bunten T-Shirts des Hatecore zeigen lodernde Flammenmuster, Billardkugeln und Graffiti-ähnliche Schriftzüge. Statt der kahlgeschorenen Köpfe ist das Outfif zudem von Spitzbärten und Piercings geprägt.
Auch die Covergestaltung bricht mit den bisherigen Standards des Rechtsrock. So finden sich vermehrt Elemente des Punk und des HipHop und selbst die in der Neonazi-Szene verpönten Graffitis dienen den rechten Hatecorebands zur Gestaltung der Booklets. Eine weitere bedeutende Entwicklung ist der Gebrauch der englischen Sprache. Bis vor wenigen Jahren war dies in der rechten Szene noch gänzlich undenkbar. Auch hier zeigt die Hatecore-Szene ihre Anpassungsfähigkeit an den modernen Geschmack.
Die Inhaltlichen Aussagen der Gruppen zeigen, dass die Radikalität des Musikstils weit mehr als ein radikales Image ist. Mit verblüffender Offenheit bekennen sich die Gruppen auch in Interviews zu den politischen Botschaften und Kampfansagen. Damit wird klar: NS Hatecore ist eine zutiefst politische Subkultur. Er ist modern und systemfeindlich, was die Einfallstore auch für Mainstreamjugendliche in rechtgerichtete Ideologien erheblich vergrößert. Aber er ist lediglich der Verpackung nach zeitgemäß – das Ziel des kulturellen Engagements ist nach wie vor die Überwindung des demokratischen Deutschland.
Auszüge aus Rainer Fromme, We play NS-Hardcore! Die Mythisierung rechten Gedankenguts in der Musik. Der gesamte Text bei bpb.