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Dass sich rassistische Ideologien immer stärker verbreiten und was sie für Auswirkungen auf die Gesellschaft haben, verdeutlichen die beiden soeben erschienenen Broschüren „Leipziger Zustände / Mai 2009“ und „Berliner Zustände 2008“.
Von Julia Schörken
Leipziger Zustände
Seit dem 20. Mai 2009 ist die Broschüre „Leipziger Zustände“ des Projekts chronik.LE in Leipzig und Umgebung kostenlos erhältlich. Die Broschüre bietet einen Einblick in die Ideologien der Ungleichwertigkeit, enthält Artikel zu verschiedenen Diskriminierungs- formen und zu Neonazi-Strukturen in Leipzig. Das Ziel der Broschüre liegt darin, das Bewusstsein für die problematischen Zustände zu schärfen und eine Auseinandersetzung damit anzuregen.
Die Berichte und Analysen entstanden in Kooperation mit verschiedenen Gruppen, Projekten und Initiativen. So führt das Antidiskriminierungsbüro (ADB) unter der Überschrift „Was ist Diskriminierung?“ detailliert in die Thematik ein. Die Sozialwissen- schaftler Adam Bednarsky und Ulrike Fabich beschäftigen sich mit „Diskriminierung im Fußball“. In einem Interview berichtet Gunter Jähnig vom Behindertenverband Leipzig (BVL) unter anderem von Alltagsproblemen von Menschen mit Behinderungen. Die Gruppe „Outside The Box“ problematisiert „Sexistische Normalzustände“.
Zudem thematisiert die Broschüre im speziellen aktuelle Neonazi-Strukturen in Leipzig, die genau, wie alle anderen Diskriminierungsformen leider mehr und mehr an Alltäglichkeit gewinnen. So werden die so genannten „Freien Kräfte Leipzig“ und deren neonazistisches Weltbild beleuchtet. Die enge Verbindung zwischen dieser äußerst gewalttätigen, ideologisch geschulten Gruppierung und der sich anlässlich der Kommunalwahl für „Sicherheit und Ordnung“ einsetzenden NPD wird nachgewiesen. Zudem wird die Propaganda der NPD im Vorfeld der Stadtratswahl analysiert. Damit bietet die Broschüre auch eine fundierte Grundlage für die notwendige inhaltliche Auseinandersetzung mit der NPD.
Berliner Zustände
„Berliner Zustände 2008; Ein Schattenbericht über Rechtsextremismus, Rassismus und Homophobie“ wurde von apabiz und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) zum dritten Mal herausgegeben. Schwerpunkte dieses Jahresrückblicks aus der Sicht von fünf Berliner Projekten und weiteren Berliner Autor/innen sind die Themenkomplexe Rechtsextremismus, Rassismus und Homophobie. Dass die Zustimmung zu einzelnen rechtsextremen Ideologieelementen tief in der Mitte der Gesellschaft verankert ist, ist ein Allgemeinplatz.
GLADT e.V. widmet sich in der Broschüre dem Thema Homophobie und beschreibt die Verzahnung rassistischer Diskurse mit “deutschen” und auch schwulen/queeren Entlastungsdiskursen, wenn Homophobie ausschließlich bei “den Anderen” gesucht und gefunden wird. Auch der Artikel des apabiz setzt sich mit den immer wieder unterbelichteten Themen Homophobie und Sexismus auseinander – hier beim Ring Nationaler Frauen (RNF) und der NPD. Deren antifeministisches Frauenbild, ihre homophoben Ausfälle und ihre eigene angeblich integre Sexualmoral sind ein wesentliches Vehikel neonazistischer “Systemkritik” geworden.
Die Opferberatungsstelle ReachOut präsentiert auch dieses Jahr die Zahlen der rechten, rassistischen und antisemitischen Gewalttaten in Berlin, bei denen rassistische Motive an erster Stelle stehen. Auch von der Polizei kann rassistische Gewalt ausgehen, wie zwei Beispiele illustrieren. Ergänzt werden die Zahlen von ReachOut durch eine Darstellung und Auswertung der Registerstelle Lichtenberg, die berichtet, wie sich ein rechtes Klima nicht nur durch gestiegene Angriffzahlen manifestiert.
Eine Leerstelle füllen will der Beitrag über die Grauen Wölfe: Auch wenn sich immer mehr Menschen für dieses Thema interessieren, so finden die Aktivitäten der Grauen Wölfe für die meisten BerlinerInnen im Verborgenen statt, nicht zuletzt, weil die Betroffenen meist kurdische MigrantInnen oder türkische Linke sind. Außerdem wird die im letzten Schattenbericht angestoßene Diskussion um den vermeintlichen “Rassismus gegen Deutsche” durch einen Beitrag zur “Kritischen Weißseinsforschung” von Andrés Nader und Yasemin Yildiz in der Praxis weitergeführt.
Der Schattenbericht 2008 steht hier als PDF-Datei zum Herunterladen zur Verfügung
„Leipziger Zustände“ steht hier als PDF-Datei zum Herunterladen zu Verfügung