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Leichte Bewegung in der Mitte

Eine eneue Studie der Friedrich Ebert Stiftung belegt: Kontinuierliche Arbeit gegen rechtsextrenme Einstellungen macht Sinn, rechtsextreme Denkmuster nehmen zumindest etwas ab. Dennoch ist die neue Studie beunruhigend genug...

Von Christopher Egenberger

Am 27.11.lud die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zur Präsentation der Studie „Bewegung in der Mitte. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2008“ ein. Schon wieder, mag man denken. Denn nach „Vom Rand zur Mitte“ und „Ein Blick in die Mitte“ – letztere gerade erst diesem Sommer veröffentlicht – ist dies bereits die dritte derartige Studie der FES in Folge. Doch die veröffentlichen Zahlen belegen  wie verfestigt rechtsextremistische Einstellungen in Deutschland tatsächlich sind und wie wichtig eine kontinuierliche Verfolgung dieser Problematik bleibt - mitten in der Gesellschaft.   Die bundesweite Repräsentativbefragung, die erneut von Prof. Dr. Elmar Brähler und Dr. Oliver Decker von der Universität Leipzig geleitet wurde, fasst  Rechtsextremismus als ein mehrdimensionales Einstellungsmuster auf, dessen verbindendes Kennzeichen Ungleichwertigkeitsvorstellungen sind. Untersucht wird mit jeweils mehren Fragen die Zustimmung zu den Aspekten ‚Befürwortung einer (rechtsautoritären) Diktatur’, ‚Chauvinismus’, Ausländerfeindlichkeit’, ‚Antisemitismus’, ‚Sozialdarwinismus’ sowie ‚Verharmlosung des Nationalsozialismus’.

7,6 Prozent mit geschlossenem rechtsextremen Weltbild

Zusammen ergibt sich dann ein verfestigtes und geschlossenes rechtsextremes Weltbild, dass die Macher der Studie 7,6% der Deutschen zuschreiben. Bei den Teilaspekten kann die Zustimmung aber auch weitaus höher ausfallen. So sind mit 21,2% fast ein Viertel der Deutschen ausländerfeindlich eingestellt, während „nur“ 3,2% den Nationalsozialismus verharmlosen. Die genauen Zahlen sind auf der Homepage der FES einzusehen und zeigen, dass Rechtsextremismus wahrlich kein Randphänomen ist in Deutschland ist.

Weiterhin gibt die Studie Aufschluss darüber, in welchen Sozialmilieus und Altersgruppen Rechtsextremismus gedeihen kann, zum Beipiel stark unter Rentnern.  Rechtsextremismus ist, so belegt die Studie, keineswegs ein Privileg der Jugend und auch Frauen scheinen eher immun gegen derartige Einstellungen zu sein, am deutlichsten beim Aspekt des Chauvinismus. Der beste Schutzfaktor ist nach wie vor eine gute Schulbildung. Antisemitismus z.B. ist bei Menschen ohne Abitur mit 9,8% verbreitet, während „nur“ 3,5% der Abiturienten solchen Einstellungen anhängen.

Durch „Ein Blick in die Mitte“ hatten die Macher der Studie einen Eindruck davon erhalten, wie hoch die Dunkelziffer latenter rechtsextremer Einstellungen sein kann. In den durchgeführten Gruppengesprächen hatten sich viele der Testpersonen deutlich anders geäußert, als sie zuvor auf dem Fragezettel angekreuzt hatten. Dass bedeutet, dass obwohl die Zahlen erschreckend genug erscheinen, es eher so ist, dass sie dass Problem unterschätzen. Dennoch sehen Decker und Brähler  einen positiven Trend. Denn im Vergleich zum Jahr 2006 sei ein leichter Rückgang zu verzeichnen, der auf erste Erfolge der vielfältigen Arbeit gegen Rechtsextremismus hinweise.

Leichter Rückgang?

„Die zivilgesellschaftlichen Projekte haben es mit befördert, dass demokratische Einstellungen eine deutlich breitere Basis haben“, sagt Brähler, weist aber gleich darauf hin, dass man noch nicht jubeln solle, da eine Veränderung des wirtschaftliches Klimas, der sich ja mehr als abdeutet „auch bei der politischen Einstellung Folgen haben“ kann. Zum anderen ist es so, dass der Rückgang rechtsextremer Einstellungen von 8,6% im Jahr 2006 auf nun 7,6% ausschließlich auf die Entwicklung in den westlichen Bundesländern zurückzuführen ist. In Ostdeutschland bleiben die Zahlen stabil, der Antisemitismus hat sogar zugenommen. Hatte vor zwei Jahren der Westen die Statistik mit 9,1% (heute 7,5%) noch deutlich angeführt, wurde er nun vom Osten mit 7,9% überholt (2006: 6,6%).

Dennoch sei der Westen „keine Insel der Glückseligen“, wie Decker betont, da sich in den Einzelaspekten deutliche Unterschiede ausmachen lassen. Denn während in Bayern jeder sechste Befragte antisemitischen Positionen zustimmte (16,6%), sind die Zustimmungswerte im Osten unter 8%. Auch bei Chauvinismus und der Verharmlosung des Nationalsozialismus führt der Westen die Statistik weiterhin an. Es gebe „regional sehr unterschiedliche Geschichtsmilieus, Erziehungsideale und Demokratieverständnisse, alles Faktoren, die in Hintergrund einer rechtsextremen Einstellung stehen“, so Decker.

Diese regionalen Unterschiede sind das wirklich spannende an dieser Studien. Welche Gründe könnte es haben, dass Hamburg zwar beim Aspekt des Chauvinismus einen Spitzenwert erreicht, bei der Ausländerfeindlichkeit aber am unteren Ende der Skala landet? Wie kommt es zu den erstaunlichen Ausschlägen bei Antisemitismus und ‚Verharmlosung des Nationalsozialismus’ im Baden-Württemberg, das ansonsten stets im unteren Mittelfeld geblieben ist. Und kann man aus solchen Fakten auf dass Verhalten des politischen Personals schließen, wenn man z.B. an die Trauerrede Oettingers für Hans Filbinger denkt?

Hier liegen mit Sicherheit noch spannende Erkenntnisse verborgen. Daher sollten weiterführende Studien dieser Frage nachgehen und weiter differenzieren, etwa die Unterschiede innerhalb der Bundesländer, zwischen Stadt und Land und den verschiedenen sozialen Gruppen in der Bundesrepublik. Bedarf an weiteren Studien besteht somit nicht nur aus politischen Gründen, um die Gesellschaft wachzurütteln, sondern auch aus wissenschaftlichen Gründen, um die Entstehung und Verbreitung rechtsextremer Einstellungen besser verstehen und dagegen vorgehen zu können.


Oliver Decker und Elmar Brähler, Bewegung in der Mitte. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2008 mit einem Vergleich von 2002 bis 2008 und der Bundesländer, Berlin 2008.

Die Studie kann unter www.fes.de/rechtsextremismus heruntergeladen werden

www.mut-gegen-rechte-gewalt.de


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Bewegung in der Mitte Broschüre