Der EM-Countdown läuft! Überall weht wieder Schwarzrotgold neben bunten Fahnen andererer Nationen und die Stimmung scheint brüderlich. Rassismus und Diskriminierung im Profifußball sind ohnehin eher eine Ausnahme. Anders ist es da bei Spielen in den unteren Kreisklassen. Es kommt immer wieder zu rassistischen Äußerungen, Diskriminierungen und handgreiflichen Auseinandersetzungen. Leon Groh, selbst Spieler einer unteren Kreisklasse in Berlin, stellt dar, wie sich der Rassismus äußert und was man dagegen tun kann. Ein Erfahrungsbericht - verknüpft mit einem Lesetipp. Denn das Bündnis für Demokratie und Toleranz hat eine zum Thema überfällige Broschüre erstellt.
Unser Auswärtsspiel war irgendwo in Marzahn. Wir waren zum ersten Mal auf dem Sportgelände des Vereins. Es war niemand zu sehen: Kein Trainer, keine gegnerische Mannschaft, keine Kabinen. Nur eine Vereinskneipe. „Ich geh mal rein und frag ob wir hier richtig sind“, sagte Pablito, unser chilenischer Topstürmer. Auf die Frage, ob wir hier richtig beim gegnerischen Verein seien und wo die Kabinen wären, bekam er die Antwort: „Kabinen gibt’s hier nicht, aber zu den Öfen geht es da lang!“.
Mit der Antwort hatten wir nicht gerechnet. Wir liefen verstört weiter und fanden eine Straße weiter den richtigen Platz. Wir erzählten unserem Trainer die Geschichte und er versprach uns mit dem Vorsitzenden des Vereins ein ernstes Wort zu sprechen. Im Nachhinein war uns allen klar, dass es nicht viel bringen würde. Wir hätten in der Situation sofort die Polizei rufen sollen, denn nur so hätte Unbekannte eine offizielle Verwarnung bekommen und realisiert, dass er sich solche Aussagen das nächste Mal gut überlegen sollte.
Immer wieder unterschwelliger Rassismus
Ein anderes Auswärtsspiel, diesmal in Lichtenberg. Ein Sportplatz umringt von Platten- und Sozialbauten. Die Fans des Vereins stehen gegen 10 Uhr morgens schon mit Bier am Spielfeldrand. Sie sind „normal“ gekleidet, die meisten haben eine Glatze. Hier waren die Provokationen deutlich unterschwelliger: Nach einem versehentlich, aber offensichtlich groben Faulspiel an Harkan, einem meiner Mitstreiter, klingt es aus den Reihen: „Da war doch gar nichts“, „lass den doch liegen“ und „der simuliert bloß“. In einer anderen Situation meckert ein Fan lauthals: „Das kann ja wohl nicht sein, dass Dir der Braune wegrennt“.
Nach dem Spiel, besonders nach einem Sieg, wird die Situation runtergespielt und man hört dann: „War doch nicht so gemeint“ und „Das gehört zum Spiel, das weißt du doch“.
Es ist schwer gegen diese Art von Rassismus vorzugehen. Die erste Möglichkeit ist die Spieler und den Trainer auf ihr ernsthaftes Problem anzusprechen, damit sich der Verein selber mit dem Problem auseinander setzt. Leider hat der Verein selbst meist kein Interesse an der Problemlösung bzw. gesteht sich das Problem nicht mal ein. Eine weitere Möglichkeit ist die Kontaktaufnahme mit dem Vereinsvorsitz, dem zuständigen Bürgermeister oder Initiativen, die bereits Erfahrung im Umgang mit den genannten Situationen besitzen.
Um Gastmannschaften zu zeigen, dass es auch anders geht, empfiehlt es sich auf jeden Fall sichtbar ein Schild oder Transparent mit Aufschriften wie „Kein Platz für Rassismus“ oder „Fußball gegen Fremdenhass“. Hilfreich ist es auch eine Hausordnung aufzuhängen, aus der hervorgeht, wer sich hier rassistisch verhält fliegt vom Platz oder von den Zuschauerrängen. Generell sollte man auf die gegnerische Mannschaft immer freundlich zugehen, ein kurzer Smalltalk vor dem Spiel oder ein auflockernder Witz wirkt Wunder. Um rassistische Kommentare von der Seitenlinie zu verhindern, empfiehlt es sich ein Ordnungshüter zu engagieren, in Form eines Ehrenmitglieds o.ä., der im gegebenen Falle auch von dem Vereinsrecht Gebrauch macht und Störenfriede einen Platzverweis erteilt. Toiletten und Umkleidekabinen sollten frei von rechtsradikalen Schmierereien sein. Jede Provokation diskriminierender Art sollte klar verurteilt werden.
Neue Broschüre zum Thema vom Bündnis für Demokratie und Toleranz
Doch was kann man außerdem tun? Zum Thema „Was tun gegen Rassismus und Diskriminierung im Fußball“ gibt es jetzt eine recht lohnende Broschüre „11 Fragen nach 90 Minuten“, ein Projekt des Bündnisses für Demokratie und Toleranz, der Deutschen Sportjugend und der Koordinationsstelle Fan-Projekte (KOS).
In dem Heft findet man zahlreiche Tipps, Ideen, Projektvorschläge und Lösungsansätze um dem Rassismus im Fußball entgegenzutreten. Sie kann von nun an kostenlos in der Geschäftsstelle des Bündnisses für Demokratie und Toleranz
www.buendnis-toleranz.de, bei der KOS
www.kos-fanprojekte.de oder über
„am Ball bleiben“ bestellt werden.
11 Fragen nach 90 Minuten (Hier zum DOWNLOAD)
Was tun gegen Rassismus und Diskriminierung im Fußball?
Bündnis für Demokratie und Toleranz u.a., Berlin, April 2008, 56 S.
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"Kuschelkurs mit den Fans" (Conny Blaschke in der Berliner Zeitung vom 3.6.2008)
www.mut-gegen-rechte-gewalt.de / lgr