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Wölfe in Nadelstreifen

Das neue NPD-Motto heißt:  „Sozial geht nur national“. Heißt das  nationalsozial, sprich nationalsozialistisch? Hinter die biederen Kulissen der rechtsextremen Parteistrategen schaut ein neues Buch von Andrea Röpke und Andreas Speit: "Neonazis im Nadelstreifen". Es beleuchtet deren neue Strategien, national verbrüdert mit Altnazis und jungen Kameradschaften. Es ist ein lehrreiches 'Update' des Mitte 2005 erschienenen Grundsatzwerks von Toralf Staud „Moderne Nazis. Die neuen Rechten und der Aufstieg der NPD“. Es hilft denen die Augen zu öffnen, welche die NPD immer noch für harmlose Biedermänner halten. Sie ist die "Höchsstrafe für das deutsche Parteiensystem" schreibt treffend Mitherausgeber Andreas Speit.

Von Michael Klarmann, www.bnr.de

Stauds Buch ist ein Standardwerk über die „neue“ NPD. Seine Kernaussage: die älteste Partei aus dem rechten Spektrum bewegt sich auf die Mitte der Gesellschaft zu und ist in einzelnen Regionen schon etabliert. NPD-Vertreter geben sich außerhalb interner Treffen bürgerlich, selbst angesehene Geschäftsleute und Menschen aus dem örtlichen Vereinsleben gehören der Partei an – zugleich paktieren die bürgerlichen „Kameraden“ mit gewaltbereiten und vorbestraften Neonazis militanter „Kameradschaften“. Da, wo Staud seinerzeit abschloss, setzen Röpke/Speit mit ihrem Buch an.

Beleuchtet werden dabei in einer Mischung aus Analyse und Reportagen Hintergründe, aber vor allem die derzeit sehr dynamischen Weiterentwicklungen. Denn auch wenn Staud den Grundstein legte für das Verständnis der „neuen“ Braunszene, deren Mittel- und Sammelpunkt die NPD ist. Die 2005 noch neuen Entwicklungen wurden oft erst nach Stauds Veröffentlichung von der Partei perfektioniert. Hier liefern die Autoren von „Neonazis in Nadelstreifen“ eine Art Update zu Staud. Und Röpke/Speit machen unmissverständlich klar: „Auch Neonazis in Nadelstreifen bleiben Neonazis.“ Längst baue die NPD nicht mehr auf kurzfristige Wahlerfolge durch die „Protestwähler“, sondern versuche diese heterogene Wählerschicht an die Partei als Stammwähler zu binden. Dies geschehe indes kaum im Rahmen der Bundespolitik, sondern über die schrittweise kommunale Verankerung, wie Parteichef Udo Voigt schon vor rund zehn Jahren eine braune „Graswurzelrevolution“ anregte.

Schon Staud widmete sich dem NPD-Imagewandel, weg vom völkisch-nationalistischen, hin zur braunen oder vermeintlich rotbraunen „Kümmerer“-Partei. Ebenso gehörten Verknüpfungen zwischen „Kameradschafts“-, Rechtsrock- und NPD-Szenen zu Stauds Themen. Röpke/Speit und deren Autoren gehen darauf ebenso ein, beleuchten aber zudem Perfektionierungen der „Wortergreifungsstrategie“ und die Folgen des NPD-Einmarsches in ein zweites Landesparlament (nach Sachsen auch Mecklenburg-Vorpommern). Speit und Robert Andreasch zeigen zudem in einem Beitrag anhand von Bayern auf, wie NPD und Neonazis nach Vorbild ihrer Kommunalaktivitäten im Osten nun auch in den alten Bundesländern Fuß fassen (wollen). Informiert wird ferner – etwa am Beispiel des Neonazi-Anwalts Jürgen Rieger – über braune Immobiliengeschäfte und Finanzierungsmodelle sowie die Professionalisierung des NPD-eigenen „Rings Nationaler Frauen“ (RNF). So nutzen NPD und Neonazis heuer auch verstärkt das Engagement von Rechtsextremistinnen im Sozialen oder Ehrenamtlichen, um in die bürgerliche Mitte einzudringen.

Gerade letztgenannte Aktionsfelder der Neonazis gewannen erst Ende 2005 eine neue Dynamik und bedurften daher einer neuen Betrachtung. Überdies wurden seitdem erst durch Röpkes Recherchen die Verflechtungen zwischen NPD und der an die Hitlerjugend erinnernden „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ) öffentlich. So lässt denn auch das Gesamtbild der hier versammelten Beiträge den Schluss zu, dass „Neonazis in Nadelstreifen“ ein wichtiges Buch ist – auch zur Vervollständigung des nicht weniger wichtigen Staud-Werkes. Denn die NPD wird sich weiterhin bürgerlich gebärden (wollen). „Mit der allmählichen Professionalisierung in der Partei geht eine vielfach unterschätzte Intellektualisierung einher. In feinen Anzügen, geschult in Rhetorik und Wortergreifung, besetzten [die Rechtsextremisten und Neonazis] immer mehr gesellschaftlichen Raum. [...] Die NPD ist auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft. Das heißt nicht, dass sie demokratisch geworden wäre,“ stellen die Herausgeber auch angesichts dessen fest, dass NPD-Kader wie der Chef der NPD-Fraktion im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, zum „Sturm“ auf die Bundesrepublik aufrufen. Im Einführungskapitel des Buchs bezeichnet Andreas Speit die NPD als "Höchsstrafe für das deutsche Parteiensystem".
Eine treffende Analyse.

Andrea Röpke, Andreas Speit (Hg.): Neonazis in Nadelstreifen. Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft (Ch. Links, Berlin 2008; 208 Seiten, 16,90 Euro)

www.bnr.de / www.mut-gegen-rechte-gewalt.de

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Buchtitel Neonazis im Nadelstreifen