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14.02.2020 - 00:02, Alfdorf

Alfdorf
Baden-Württemberg
Quelle: 

Stuttgarter Nachrichten

Zeit Online I
Zeit Online II

Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag (Drucksache 19/27020)
 

Die Polizei durchsuchte in mehreren Bundesländern Wohnungen von insgesamt 13 Verdächtigen und nahm sie fest. Zwölf von Ihnen klagte die Generalbundesanwaltschaft wegen Gründung einer terroritischen Vereinigung, genannt "Gruppe S", an. Die Gruppe hatte sich nach Erkenntnissen der Ermittler zusammengeschlossen, um Anschläge auf Politiker, Asylsuchende und Muslime in Deutschland zu verüben und so "bürgerkriegsähnliche Zustände" herbeizuführen. Unter den Gründungsmitgliedern befand sich auch Paul-Ludwig U., ein Spitzel des LKA Baden-Württemberg. Seine Rolle bewertet das Oberlandesgericht Stuttgart anders als die Generalstaatsanwaltschaft: die Richter werfen U. außer seiner Mitgliedschaft in der nach dem Hauptangeklagten Werner S. benannten Organisation jetzt auch vor, diese mitbegründet zu haben. Laut den Richtern sind hingegen drei der bislang elf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung beschuldigten Angeklagten nur der Unterstützung der unter Terrorverdacht stehenden Gruppe verdächtig. Dieser bislang nur für Thorsten W. geltende Vorwurf umfasst jetzt auch Stefan K., Markus K. und Marcel W.. Den aus Kirchheim unter Teck stammenden Michael B. verdächtigen die Richter hingegen, Beihilfe zur Rädelsführerschaft in einer Terrorgruppe geleistet zu haben. Die Anklage sieht in dem 49-jährigen bislang lediglich ein Mitglied der Gruppe.

Unklar scheint auch das Gründungsdatum der Gruppe. Laut Staatsanwaltschaft gründete sich die Gruppe am 28. September 2019 auf dem Grillplatz Hummelgautsche bei Alfdorf im Rems-Murr-Kreis. Für die Richter am Stuttgarter gilt hingegen ein Treffen am 8. Februar 2020 im Haus des Angeklagten Thomas N. im nordrhein-westfälischen Minden als Gründungstag.

Am 13. April 2021 begann die Hauptverhandlung in Stuttgart-Stammheim. Zu den insgesamt 29 Verteidigern der zwölf Angeklagten gehören bekannte Anwälte der rechtsextremen Szene wie Günther Herzogenrath-Amelung, Dubravko Mandic (früher AfD), Frank Miksch (früher NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten) und André Picker (Pro NRW, Die Republikaner). Der Prozess wird voraussichtlich bis 2023 dauern. 

Die Mitglieder der Gruppe rekrutierten sich über das Internet. Bislang kamen deutsche Rechtsterroristen meist aus derselben Stadt oder Region, kannten sich lange zuvor und radikalisierten sich gemeinsam. Bei der „Bamberger Gruppe“ (einem 2016 aufgeflogenen Ableger der „Weisse Wölfe Terrorcrew“), „Revolution Chemnitz“, der „Gruppe Freital“ und beim NSU fanden sich Neonazis mit homogenem Weltbild aus Kameradschaften oder Freundeskreisen zusammen. Dagegen verbanden sich in der Gruppe S. verschiedene, bislang voneinander unabhängige Strömungen zu einer terroristischen Vereinigung, darunter stramme Neonazis, Bürgerwehraktivisten, Reichsbürger, Verschwörungstheoretiker und AfD-Anhänger. Einige waren zuvor auf NPD-Demonstrationen aufgefallen, andere engagierten sich bei rechtsextremen Bürgerwehren, andere hatten sich zuletzt von der „alten“ zur Neuen Rechten bewegt. Viele Mitglieder waren bislang nicht als Extremisten aufgefallen, kannten sich zuvor im realen Leben nur teilweise oder gar nicht, radikalisierten sich dann aber in kürzester Zeit und zeigten sich dabei zu Selbstmordattentaten bereit. Nach dem konspirativen Austausch in geheimen Chatgruppen folgte direkt beim ersten realen Treffen die Verabredung zu schwersten Straftaten.

In der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage zu Übergriffen auf Asylsuchende und ihre Unterkünfte geht hervor, dass das Verfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung im Kriminalpolizeilichen Meldedienst (KPMD) politisch motivierte Kriminalität (PMK) rechts im Unterthema "gegen Asylsuchende/Flüchtlinge" gelistet wird.