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George Floyd hieß der 46-jährige Mann, der am 25. Mai 2020 während eines Polizeieinsatzes in Minneapolis ermordet wurde. Bei weitem nicht das erste Mal, dass ein schwarzer Mann in den USA Opfer von Polizeigewalt wurde. Es passiert bei Polizeieinsätzen, Kontrollen oder wie im Fall des 17-jährigen Trayvon Martin einfach auf dem Nachhauseweg aus dem Supermarkt. Polizeigewalt ist ein massives Problem in den USA. 2016 wurden 1.093 Menschen in den USA durch Polizist*innen getötet. Angesichts dieser Lage verwundert es nicht, dass das Vertrauen von Minderheiten in die amerikanische Polizei immer weiter sinkt. Laut einer Studie des Pew Reseaerch Center glauben zwar 70 Prozent der weißen Befragten, dass ethnische Minderheiten von der Polizei in der Regel fair behandelt werden. Nur ein Drittel der schwarzen Befragten teilen diese Meinung.
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Die Demonstrationen in den USA sind auch eine Reaktion auf den Tod von George Floyd. Aber vor allem sind sie eine Reaktion auf strukturellen Rassismus, der sich in Polizeigewalt zeigt, aber das ganze Leben vieler Menschen durchdringt. Gesundheit, Ausbildung, Berufswahl, Wohnung, Arbeitsplätze, selbst die Versorgung mit Nahrungsmitteln sind davon betroffen. Auch in Minneapolis. 2019 war die Stadt auf Platz vier der gefährlichsten Metropolregionen für schwarze Amerikaner*innen. Bis heute gilt Minneapolis als „segregated“: weiße und schwarze Menschen leben in unterschiedlichen Stadteilen, gehen in unterschiedliche Schulen. Schon lange versuchen Aktivist*innen auf die Situation hier und im Rest des Landes aufmerksam zu machen. Und trotzdem ändert sich wenig. Immer wieder kommt es im ganzen Land zu Gewalt und Toten, besonders im Zusammenhang mit Polizeieinsätzen. In Minneapolis waren zwischen 2009 und 2019 60 Prozent der Personen, die von Polizist*innen angeschossen wurden, schwarz.
Black Lives Matter?
Februar 2012, Florida. Der 17-jährige Trayyvon Martin ist von einem kleinen Supermarkt aus auf dem Rückweg zum Haus der Lebensgefährtin seines Vaters. Dabei wird er von George Zimmermann, dem Mitglied einer Nachbarschaftswache, beobachtet und schließlich verfolgt. Wenig später erschießt Zimmermann den 17-Jährigen. Die Umstände der Tat sind nicht vollständig geklärt. Zimmermann wird wegen Mordes angeklagt, gibt aber an in Selbstverteidigung gehandelt zu haben. Im Juni 2013 wird er von einer Jury aus sechs Geschworenen freigesprochen. Fünf der Geschworenen waren weiß. Im Anschluss an den Freispruch taucht zum ersten mal der Hashtag #BlackLivesMatter in den sozialen Medien auf.
Juli 2014, New York. Eric Garner (43) hatte gerade einen Streit vor einer Drogerie geschlichtet, als er von Polizisten angesprochen wird, die ihn verdächtigen, illegale Zigaretten zu verkaufen. Der asthmakranke Garner will sich nicht durchsuchen lassen und wird von den Polizisten festgenommen. Der Polizist Daniel Panatleo nimmt Garner von hinten in einen Würgegriff, der der New Yorker Polizei seit 1993 verboten ist. Mehrere Polizisten ringen Garner zu Boden. Mehrmals sagt Garner deutlich „I can’t breathe“ – „Ich kann nicht atmen.“ Die Polizisten reagieren darauf nicht. Im Krankenhaus wird Garners Tod festgestellt. Der Polizist Daniel Pantaleo wird nicht angeklagt. Es kommt zu landesweiten Protesten. Es stellt sich heraus, dass Pantaleo bereits 2013 in zwei Fällen beschuldigt wurde, bei Festnahmen übermäßig brutal und rassistisch gehandelt zu haben. Es kommt zu landesweiten Protesten.
August 2014, Missouri. Der 18-jährige Michael Brown verbringt die Sommerferien bei seiner Großmutter. Zusammen mit einem Freund ist er im Wohnviertel der Großmutter unterwegs. Der Polizist Darren Wilson wird auf die beiden aufmerksam. Was genau passiert, ist bis heute nicht klar. Die Auseinandersetzung soll etwa 90 Sekunden gedauert haben. Michael Brown wird von Daren Wilson erschossen. Er drückt 12 mal ab. Mindestens sechs Schüsse treffen Brown. Tage später stellt sich heraus, dass Brown zusammen mit seinem Freund vorher Zigarillos im Wert von 50 US-$ gestohlen hatte. Nach Browns Tod kommt es zu Protesten in Ferguson, die noch stärker aufflammen, nachdem bekannt wird, dass gegen Wilson keine Anklage erhoben wird.
Die Gewalt geht weiter
„Black Lives Matter“ (BLM) wurde von den Aktivist*innen Alicia Garza, Patrisse Cullors und Opal Tormeti gegründet, dabei ist Bewegung aber ein dezentrales Netzwerk ohne Struktur oder formale Hierarchie. Die Bewegung organisierte die Proteste nach dem Tod von Garner Brown mit und protestierte auch in vielen anderen Fällen, bei denen schwarze Amerikaner*innen nach Polizeieinsätzen starben. Zum Beispiel Tamir Rice, Eric Harris, Walter Scott, Jonathan Ferrell, Sandra Bland, Akram Bensahilli, Samuel DuBose oder Freddie Gray.
BLM stand von progressiver Seite in Kritik, weil Teile des Netzwerk die antisemitische BDS-Bewegung unterstützten. Jüdische Stimmen aus den USA rufen jedoch trotzdem dazu auf, an den Protesten teilzunehmen und das Netzwerk zu unterstützen um ein gemeinsames Zeichen gegen Rassismus und Ungleichwertigkeit zu setzen.
Weitaus größer ist allerdings die Empörung in konservativen und rechtsradikalen Kreisen. Als Reaktion wurde der Hashtag #BlueLivesMatter ins Leben gerufen, um Solidarität mit der Polizei zu zeigen. Und vor allem seit den massiven Protesten nach dem Tod von George Floyd wird vermehrt der Hashtag #AllLivesMatter benutzt.
#BlackLivesMatter oder #AllLivesMatter?
Die Idee dahinter: „Black Lives Matter“ würde Weiße ausschließen und schwarze Menschen über alle andere stellen, da nur ihr Leben zählen würde. Eigentlich wäre doch das Leben jeder Person wichtig, egal, welche Hautfarbe. Indem schon der Name des Netzwerks absichtlich falsch verstanden wird, soll das Anliegen der Bewegung – der Kampf gegen Rassismus – diskreditiert werden.
Dabei ist die Bedeutung des Hashtags und der Name der Bewegung unmissverständlich. Er entstand, weil das Leben schwarzer Menschen weniger zu zählen scheint, weil es immer wieder zu Todesfällen kommt, die schlussendlich nicht aufgeklärt werden und weil die Öffentlichkeit Rassismus und den Tod schwarzer Menschen immer wieder ignoriert. Die schwarze Community der USA leidet unter institutionellem Rassismus und unter rassistischer Polizeigewalt, darum geht es bei Black Lives Matter. Die Bewegung ist die Antwort auf eine Notsituation.
Das Argumentationsmuster, das #AllLivesMatter zugrunde liegt, funktioniert auch mit dem Gedanken der „Farbenblindheit“. Nicht von Rassismus betroffene Menschen argumentieren gerne, dass sie „keine Hautfarben wahrnehmen“, deswegen könnten sie selbst keinesfalls Rassist*innen sein. Ebenfalls kein wirklich tragfähiges Argument. Die Rassismuserfahrungen von schwarzen Menschen oder PoC werden so klein geredet und nicht wahrgenommen. Zudem entziehen sich Menschen, die dieser Argumentation folgen der Verantwortung. Denn an den eigenen Privilegien ändert diese angebliche „Farbenblindheit“ rein gar nichts. Schwarze Menschen und PoC werden trotzdem diskriminiert, haben Schwierigkeiten bei Job- und Wohnungssuche und werden auf der Straße angegriffen, während „farbenblinde“ Weiße, nicht darüber nachdenken müssen, warum ihre Hautfarbe dafür sorgt, dass ihr Leben anders aussieht.
Wenn in einer Straße mit zehn Häusern eines brennt und die Feuerwehr anrücken muss, wird sie dieses Haus löschen. #AllLivesMatter-Vetreter*innen müssten in diesem Fall allerdings erst diskutieren, denn: Alle Häuser zählen. Ist es wirklich fair, wenn die Feuerwehr erst das brennende Haus löscht? Was ist mit dem Nachbarhaus, auf dessen Dach Ziegel fehlen? Müsste die Feuerwehr diesen Schaden nicht erst reparieren, damit wirklich alle Häuser fair behandelt werden und nicht einfach das eine Haus allen anderen vorziehen, nur weil es in Flammen steht?
Müsste sie nicht, denn es handelt sich offensichtlich um einen Notfall. Die Feuerwehr wertet nichtbrennende Häuser nicht dadurch ab, dass sie sie nicht löscht. Der Notfall, auf den Black Lives Matter aufmerksam machen will, heißt Rassismus. Und dieser Rassismus fordert regemäßige Todesopfer. Diese Todesopfer sind schwarz. Weiße Menschen werden nicht diskriminiert, indem auf diesen Umstand aufmerksam gemacht wird.